Barraqué

 

Jean Barraqué

1928–1973

 

Sonate
pour piano

 1950–1952

 

I. Très rapide
II. Lent

 

Kommentar

 

Konzertdauer: ca. 50 Minuten, keine Pause
Notenausgabe: Bärenreiter-Verlag, Kassel
Schallplattenaufnahme (ECM)
Einführungstext

 

 

 K o m m e n t a r

Von Jean Barraqué und seiner Klaviersonate hörte ich erstmals Anfang der siebziger Jahre durch den britischen Musikwissenschaftler Richard Toop, der seinerzeit an der Kölner Musikhochschule als Assistent des frischgebackenen Professors Karlheinz Stockhausen arbeitete. Toop war ein idealer Vermittler – liberal, informiert über aktuellste Entwicklungen der Musik, belesen und großzügig im Verleihen von Büchern und Schallplatten. Schnell wurde seine Wohnung ein Sammelpunkt für alle Studenten,
die gleich mir an zeitgenössischer Musik Interesse hatten.

In dieser Runde kam auch Barraqués «Sonate» zur Sprache, doch wurde das Werk weder eingehender analysiert noch interpretiert, zumindest nicht in meinem Beisein. Erst später erfuhr ich, dass Toop in eben dieser Zeit eine sorgfältige Einführung zu der Schallplatteneinspielung von Roger Woodward verfasst hatte. Barraqué, der im August 1973 fünfundvierzigjährig gestorben war, hatte der Einspielung Woodwards im Herbst 1972 noch beigewohnt, und lange Zeit gehörte sie neben der Erstaufnahme durch Yvonne Loriod (1957) und der ebenfalls in Anwesenheit des Komponisten entstandenen Aufnahme durch Claude Helffer (1969) zu den drei einzigen Tondokumenten des Werkes auf dem Markt.

 Wenige Jahre später bestellte ich mir die Noten der Sonate, da mir ihr spektakulärer Umfang und ihre einzigartige Komplexität in guter Erinnerung geblieben waren und ihre musikalischen Ansprüche mich reizten. Nach endlosem Warten auf die Lieferung hielt ich den Druck in Händen, stand nun aber vor einer ungleich schwierigeren Aufgabe. Toop hatte seinerzeit bereits vor der sehr fehlerhaften Ausgabe gewarnt, und so war ich zunächst ratlos, wie ich an einen zuverlässigen Notentext gelangen könne. […]

 Am Ende der Einstudierung hatte sich nirgendwo im Verlauf der über fünfundvierzigminütigen Sonate die Empfindung von zu viel Theorie oder zu wenig Ausdruck eingestellt; überall schien mir dieselbe musikalische Verbindlichkeit, Energie und Schöpferkraft, dieselbe Glut des Geistes zu wirken. Ich hatte ein Werk kennen gelernt, dem ich in der Klavierliteratur wenig Vergleichbares an die Seite zu stellen wusste.

H. H.
(
aus dem Booklet-Text der ECM-CD)

 

 

Letzte Änderung:  Montag,  12. Mai  2014
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