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Heisses Eisen: „Honorare“
von
Herbert Henck
Über Geld redet man nicht, schon gar nicht darüber, wie viel oder wenig man davon besitzt. Es könnte gleichermaßen Anlass sein, als Krösus oder als arme Kirchenmaus dazustehen, und
beides ist peinlich. Besonders verpönt ist es aber, über seine Honorare als Künstler zu sprechen, denn der Wert, den man in Euro und Cent für ein Engagement erhält, zeigt manchem etwas an von der
Bedeutung, der Wichtigkeit, die man einem Künstler beimisst, und die Verengung auf eine griffige Größe, einen Wert in Zahl und Maß, ist fast schon beredter als die künstlerische Leistung selbst, deren
Einschätzung, gestehen wir’s nur, hin und wieder im Numinosen, ja Dubiosen schwebt.
Wer viel verdient, verdient es wohl auch. Und wird jemand besonders hoch honoriert, so muss an seiner Kunst etwas sein, das eine solche Entlohnung rechtfertigt. Niemand wirft sein Geld
aus dem Fenster. Und gibt man nur wenig aus für einen Künstler, wird es mit dessen Talent eben auch nicht so weit her sein. So etwa lautet der Tenor, sobald man die Kunst über den Kamm des Kapitals
schert – auch wenn ein kurzer Blick in die Geschichte gleich welcher Kunstrichtung lehrt, dass das genaue Gegenteil keineswegs die Ausnahme ist.
Da es mitunter nun freundliche Menschen gibt, die sich bei dieser oder jener Gelegenheit für einen konzertierenden Künstler gerne verwenden und ihm zu einer Einladung verhelfen
möchten, taucht früher oder später die Frage auf, mit welchen Unkosten man gegebenenfalls zu rechnen habe. Zumindest möchte man wissen, in welchem Rahmen, in welcher Größenordnung sich seine Vorstellungen
bewegen. Mit derselben Frage kann man sich freilich auch ganz unerwartet, überraschend und noch schlaftrunken am Telefon konfrontiert sehen, falls tatsächlich ein Konzertveranstalter anruft und mit
vielen Wenn und Aber, Konjunktiven und Potentialisformen von ersten, noch vagen Plänen und Überlegungen berichtet, die zu einer Einladung führen könnten. In diesem Zusammenhang dürfe aber doch, wohl
oder übel, schließlich auch die leidige Kostenfrage nicht außer Acht bleiben, und man sei gehalten, sich zumindest schon einmal prophylaktisch zu erkundigen, wie viel denn der Gast im Ernstfall für seinen
Auftritt erwarte. Selbstverständlich liege die Entscheidung nicht bei dem Anfragenden, der gerne das Geld mit vollen Händen unter die Künstler streute, hätte nur er allein darüber zu befinden.
Solchermaßen nach dem „Wie viel?“ des Geldes befragt, würde man am liebsten gleich antworten: „So viel wie möglich!“, aber das geht natürlich nicht, denn
es könnte unhöflich oder gar gierig wirken, würde den Fragesteller unter Umständen verdrießen und, falls er den Scherz nicht versteht, womöglich ganz abbringen von seinem begrüßenswerten Vorsatz,
eine feste Einladung ins Auge zu fassen. Gepflegte, selbstbewusste Umgangsformen, Freundlichkeit und insbesondere Flexibilität im finanziellen Bereich sind angesagt.
Gerechterweise möchte auch der Anfragende im Verlauf eines solchen Gesprächs, das sich mitunter auf das Gebiet der Verhandlung, ja sogar des Handelns verschiebt, ungern sein
Gesicht verlieren und als Habenichts, Koofmich oder Krämerseele verkannt werden, wenn seine Mittel es ihm nicht erlauben, bestimmte Grenzen zu überschreiten. Man kann ja mit Fug und Recht nicht mehr anbieten und
ausgeben als das, was man nun einmal hat. Allerdings zeichnet sich im Verlauf solcher Gespräche oft ein gewisser Spielraum ab, der unter Vorbringung der Besonderheiten des anstehenden Falles noch die ein oder
andere Spezifizierung oder Korrektur erlaubt. Auch ist eine Anfrage, das sei nicht vergessen, gewöhnlich ein Entgegenkommen, das von einem gewissen Vertrauen und Vorwissen um frühere Taten des angesprochenen
Meisters und einem grundsätzlichen Wohlwollen gegenüber seiner Tätigkeit getragen wird. Zumindest eine ästhetische Wahl wurde ja bereits getroffen, selbst wenn sich diese an der Höhe der in Aussicht
stehenden Beträge nicht unmittelbar ablesen lässt. Gleichviel wird man nicht angerufen, weil man am billigsten ist, sondern anderer Vorzüge wegen.
Man muss die Sache also mit Bedacht angehen, vielleicht am besten doch „sachlich“, so dass zunächst all jene Dinge in den Vordergrund treten können, die unstrittig von Belang
sind und eher in den unantastbaren Bereich der kühlen und einleuchtenden kaufmännischen Kalkulation und Logik gehören. Schließlich geht es darum, ein ehrliches Geschäft anzubahnen und nach Möglichkeit
einvernehmlich, zur beiderseitigen Zufriedenheit abzuschließen. Da gibt es allemal viel zu bedenken, was in die Rechnung einfließen könnte, sollte und müsste, und man unterhält sich ja nicht zuletzt, um
die im vorliegenden Fall gültigen Konstanten und Variablen einander mitzuteilen oder zu erkunden.
Gleich dem Vorgehen in vielen anderen Berufen, in denen solche Verhandlungen zum Alltag gehören, kann es jedenfalls nicht schaden, den Zeitaufwand zur Vorbereitung eines Konzertes zu
veranschlagen. Dieser Aufwand ist abhängig von den Schwierigkeiten des gewünschten Programms, aber auch davon, ob es sich um eine Neueinstudierung, vielleicht gar eine Uraufführung,
oder eine Wiederaufnahme nach längerer Pause handelt. Dieser Faktor unterliegt individuellen Schwankungen, denn auch wie schnell oder langsam jemand lernt, lässt sich ebensowenig pauschal beantworten wie
die Frage, ob der Terminkalender eines Künstlers randvoll oder eher schütter bestückt ist und wie dringend dieser einer nächsten Einnahme bedarf, sofern er sich nicht des weichen Polsters ausreichender und
pünktlicher Bezüge aus geregelter Arbeit erfreut.
Wichtig wäre ferner, ohne mich in hundert weitere Details zu verlieren, die Frage, ob ein Brutto- oder Nettohonorar angeboten wird, ob also Steuern (Umsatzsteuer) oder gar die
Reisekosten (Fahrt- und Unterbringungskosten) in einem Honorar bereits enthalten sind oder zusätzlich übernommen werden. Überdies wäre die Frage eines Rundfunkmitschnitts zu klären, durch den ein Konzerthonorar
sich gelegentlich, wenn auch nicht notwendig erhöht, dann aber im Folgejahr bei der GVL, der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, angemeldet und nochmals anteilig abgerechnet werden kann.
Doch damit genug des altklugen Rats, der das Thema ohnehin nicht erschöpft und die eigenen Erfahrungen weder ersetzen kann noch soll. Wenigen Künstlern dürfte unbekannt bleiben,
sich einmal weit unter dem Strich, ein andermal fürstlich bezahlt zu sehen, wobei das letztere wohl eher die Ausnahme ist. Gewinne und Verluste, Höhen und Tiefen, sollten sich aufs Ganze aber ausgleichen, was die
Kaufmannssprache eine gemischte Kalkulation nennt, wobei dann aber immer noch etwas zum Leben, zum Überleben, für Miete und Heizung übrig bleiben muss.
Ich hörte von einem arrivierten Musiker, dass er vor der Annahme eines Engagements immer drei Faktoren prüfe: Ein Konzert müsse gut bezahlt werden, gut fürs Renommee sein oder
wenigstens Spaß machen; und dass mindestens zwei dieser Bedingungen erfüllt sein müssten. Freilich muss, denke ich, schon ein gerüttelt Maß an Wohlstand und Wohlbestalltheit eingetreten sein, bevor man sich
solche extravaganten Maximen leisten kann. Mit meinen Erfahrungen haben sie weniger gemein und scheinen mir mehr der Kunst anzugehören, mit dem Strom zu schwimmen, der an den reichen Marktplätzen dieser Welt
vorüber führt. Ich selbst habe zeitlebens Konzerte gespielt, bei denen keine der genannten Voraussetzungen gegeben war; in einigen wenigen Fällen trafen aber auch alle drei zu und entschädigten mich wieder. Zu
strenge Vorstellungen vom materiellen Wert eines Konzerts nützen jedenfalls niemandem, weder einem Künstler noch einem Veranstalter, und glücklich schließlich der, der mit dem guten Peter Kreuder singen darf:
„Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück, ich brauche nur Musik – Musik – Musik.“
Erstdruck als Heißes Eisen „Honorare“ (Kolumne), in: Piano NEWS, Magazin
für Klavier und Flügel, Heft 6, 2004, Düsseldorf: Staccato-Verlag, Nov./Dez. 2004, S. 66-67 Überarbeitete Fassung. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
Erste Eingabe ins Internet: Donnerstag, 27. April 2006
Letzte Änderung: Donnerstag, 30. Juni 2016
© 2006–2016 by Herbert Henck
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