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Die stummen Tasten bei Jules Burgmein (1840–1912)
von Herbert Henck
Kapitel 1 Einleitung Kapitel 2 Wer war Jules Burgmein?
Kapitel 3 Der Band Le Livre des Sérénades Kapitel 4 Das Notenbeispiel von Hornbostels und der Notendruck
Exkurs Stumme Tasten und rechtes Pedal Kapitel 5 Datierung des Notendrucks, Rezensionen und Inserate
Kapitel 6 Die Widmung des Livre des Sérénades an Franz Liszt Kapitel 7 Schlussbemerkung
Anmerkungen
Dank
Abbildungen
Abb. 1 Guilio Ricordi, Foto Abb. 2 Fünfzehntes Titelbild von Alfredo Edel für die Sérénade Chinoise Abb. 3 Ausschnitt (vergrößert) aus Abb. 2
Abb. 4 Das sechzehnte und letzte ganzseitige Bild von Alfredo Edel Abb. 5 Notenbeispiel aus Musikalischer Exotismus von E. M. von Hornbostel
Abb. 6 Dreieckige Noten in Burgmeins Sérénade Chinoise Abb. 7 Die Anfangstakte von Burgmeins Sérénade Chinoise (Druck)
Abb. 8 Inserat für Burgmeins Le Livre des Sérénades Abb. 9 Tagebuchs-Notiz in dem Liszt-Buch von A. W. Gottschalg
Abb. 10 Franz Liszt. Zeichnung von Dante Paolocci Abb. 11 Jules Burgmein, Le Livre des Sérénades, Widmungsblatt für Franz Liszt
Abb. 12 Jules Burgmein, Le Livre des Sérénades, Vorderer Umschlag, außen Abb. 13 Vortitel von Jules Burgmeins Le Livre des Sérénades
Abb. 14 Jules Burgmein, Le Livre des Sérénades, Hinterer Umschlag, außen
Zum Thema „stumme Tasten“ vor Jules Burgmein: siehe Anm. [15].
Kapitel 1 Einleitung
Als ich kürzlich die eingescannten Bände der Zeitschrift Melos aus den zwanziger Jahren am Bildschirm durchblätterte, begegnete mir ein Notenbeispiel, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Dieses Notenbeispiel zeigte in Erich Moritz von Hornbostels 1921 gedrucktem Aufsatz Musikalischer Exotismus mehrere stumm anzuschlagende Tasten, die zu einem neuartigen Klavierklang führten. Die stummen Tasten und ihre Auswirkungen waren offenbar unabhängig von Ähnlichem bei Arnold Schönberg entstanden, gingen diesem aber um Jahre voraus. Die Entzifferung des von Hand geschriebenen Beispiels war indes beschwerlich, und erst nach einer Vergrößerung konnte ich den Namen ihres Verfassers als „J. Bourgmein“ und den Zeitpunkt, zu dem das Werk komponiert oder publiziert war, als „nach 1875?“ deutlich lesen. [1]
Dass ich den Namen des Komponisten nicht kannte, war in diesem Falle zwar überraschend, insgesamt jedoch nichts Ungewöhnliches. Vieles, das vor Zeiten als
wichtig galt, war inzwischen vergessen, und Meinungen, Moden, Geschmack oder Erfahrungen, Überlegungen, ja selbst Einsichten und gutwilliges Verständnis hatten sich manchmal so rasch gewandelt, dass es nicht
weiter auffiel, wenn ein Name wieder verschwand. Schnell konnte ich aber sehen, auf wen von Hornbostel sich bezog und wen er eigentlich meinte, auch wenn ich die Erfindung oder besser: die Entdeckung der
stummen Tasten dabei nirgends erwähnt fand.
Kapitel 2 Wer war Jules Burgmein?
Es handelte sich um den am 19. Dezember 1840 in Milano geborenen und in dieser Stadt am 6. Juni 1912 auch verstorbenen „Giulio
Ricordi“, den Enkel des Gründers des bedeutenden italienischen Musikalienverlags Giovanni Ricordi (1785–1853). Giulio Ricordi hatte den Verlag von seinem Vater Tito Ricordi (1811–1888)
übernommen und brachte ihn schließlich zu größtem wirtschaftlichen Erfolg und weltweitem Ansehen. Zugleich trat er selbst auf dem Gebiet der Musik durch ein umfangreiches Schaffen hervor. Anstatt seines
Geburtsnamens benutzte er bei Veröffentlichungen seiner Kompositionen zumeist als Pseudonym „Jules Burgmein“, wobei der Vorname nach einer Übersetzung ins Französische von „Giulio“ klingt,
die Herkunft des vielleicht deutschsprachigen Nachnamens aber nicht genannt war, so dass ich nichts Näheres hierzu sagen kann. [2]
Zumindest der Forschung über die italienische Oper und die Musik des neunzehnten Jahrhunderts dürfte Giulio Ricordi dennoch ein Begriff sein, da er
unter anderen mit Giuseppe Verdi (1813–1901) befreundet war. Giulio Ricordi ist es zu danken, dass Giuseppe Verdi nach langer Schaffenspause seinen Otello 1884 zu komponieren begann, und als die Oper 1887 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde, war sie ein triumphaler Erfolg. Eine Reihe von Briefen Verdis an Giulio Ricordi ist überliefert und später auch auf Deutsch gedruckt worden. [2a] Viele Dokumente sind heute im Internet als Scans der Originale abrufbar. [3] Zu den Komponisten des Verlages Ricordi, der mit Giulio Ricordi in der dritten Generation tätig war, gehörten neben Verdi auch Bellini, Berlioz, Cherubini, Clementi, Czerny, Donizetti, Glinka, Gounod, Hiller, Liszt, Mendelssohn, Meyerbeer, Nicolai, Puccini, Rossini, Johann Strauss und andere, und unübersehbar spielte die Oper für die Stellung des Verlags eine zentrale Rolle. Der dreibändige Katalog des Hauses Ricordi von 1895/96 belief sich etwa auf 120.000 Nummern. [4]
Mit leichter Anpassung an verschiedene Schreibweisen [5] ging der Name Burgmein ein in die Musiklexika, fand sich zumeist jedoch in Artikeln, welche den Musikverlag Ricordi betrafen. Über die Auflösung des Pseudonyms rätselte man anfangs viel, in den einschlägigen Kreisen wurde aber bald bekannt, wer sich dahinter verbarg. Einen eigenen Artikel räumte man dem Komponisten Burgmein nach seinem Tode (1912) in den Lexika zur Musik nur noch selten ein, vielleicht da er sich auch der Unterhaltungsmusik, der Salonmusik oder der Operette zugewandt hatte, die nicht übermäßig ernst genommen wurden, kurzlebiger waren und sich zudem nur am Rande in die klassischen Musiklexika einordnen ließen. [6] Zugleich hatte Giulio Ricordi nicht gezögert, in der von ihm viele Jahre lang geleiteten und in seinem Verlag erscheinenden Zeitschrift La Gazzetta
Musicale di Milano für den Komponisten Burgmein gelegentlich regelmäßig zu werben (für den eigenen Verlag und für sich selbst), ohne großen Erfolg freilich, man mochte dies deuten, wie man wollte.
Abb. 1 Giulio Ricordi (1840–1912) Aus dem Ausstellungs-Katalog Mailand 1892, siehe hier auf S. (22)
ungenannter Fotograf; unten rechts nur Adresse
Bevor jedoch auf die stummen Tasten in Kapitel 4 näher eingegangen wird, sei in dem
vorausgehenden Kapitel jener Zyklus Burgmeins behandelt, in dem die stummen Tasten erstmals auftraten. Gemeint ist der sehr bemerkenswerte und in vielerlei Hinsicht bereits komponierte Band Le Livre des Sérénades, der Ende 1883 erschien.
Kapitel 3 Der Band Le Livre des Sérénades
Bald hatte ich den von mehreren Künstlern geschmückten Band Le Livre des Sérénades
(Das Buch der Serenaden) für Klavier zu vier Händen im Internet zumindest bibliografisch und in einer Abbildung seines Äußeren gefunden, welche den Namen seines Verfassers
und vermutlich auch Herausgebers J. Burgmein bereits auf der Vorderseite zeigte (die Webseite ist inzwischen nicht mehr aufrufbar). Diese Edition, die Franz Liszt gewidmet
war und deren aufwändige Ausstattung keineswegs eine Ausnahme darstellte, besaß Querformat, was den Spielern das Lesen vierhändiger Klaviermusik oft vereinfacht. Ihr
Text war weitgehend auf Französisch, bezog aber auch englische und italienische Wendungen ein. Da mir eine komplette Abbildung oder nur des mich besonders
interessierenden Satzes, welcher als fünfzehnter am Ende des Zyklus stand und die Überschrift einer chinesischen Serenade (Sérénade Chinoise) trug, zunächst nicht
zugänglich war, beschäftigte ich mich vorerst mit der Datierung des Drucks, um wenigstens diesen offenen Punkt zu klären. Der Notendruck war zwar in Dresden, Köln
und München, im europäischen Ausland, ja sogar in Übersee (USA) vorhanden, war aber, aufgrund seines Wertes, seiner Empfindlichkeit oder anderer Umstände wegen,
zumeist nicht für den Fernleihverkehr freigegeben. – Eine Tonaufnahme war im „Deutschen Rundfunkarchiv“ in Frankfurt am Main nicht nachzuweisen, [6a] und eine Tonaufnahme der Sérénades oder eines Teils derselben wurde mir im Lauf dieser Untersuchung auch nicht bekannt. Ich musste mich daher, ehe mir aus der Bibliothek des
Mozarteums in Salzburg freundlicherweise Gedrucktes als Scan des Originals übersandt wurde, anfangs mit dem Notenbeispiel begnügen, aus welchem aber das Wichtigste
bereits hervorging und das im Vertrauen auf die Transkriptionskunst von Hornbostels zu Beginn des nächsten Kapitels als Abb. 5 mitgeteilt sei. [7]
*
Die bibliografischen Daten seien im Folgenden wiedergegeben: zunächst aus den Angaben
von Hornbostels, den Informationen von Bibliothekskatalogen, dann aus antiquarischen Angeboten und aufgrund persönlicher Einsicht in die Noten, anfangs nur in einen Teil,
später aber in den gesamten Klavierzyklus. Diese Angaben wurden nach Möglichkeit durch andere Quellen überprüft und ergänzt.
Autor: Jules Burgmein [Pseudonym von Giulio Ricordi] (1840–1912) Titel: Le Livre des Sérénades. 15 Morceaux caractéristiques
[Das Buch der Serenaden. 15 charakteristische Stücke] Besetzung: pour piano à 4 mains [für Klavier zu vier Händen]
Komposition: [vor Dezember 1883] Poésies: Paul Solanges (1846–1914); Foto: hier
Illustrations: Alfredo Edel [Alfred(o) Edel Colorno] (1856 oder 1859–1912) Foto: hier
Druck: Paris, Milano [Mailand] etc., Ricordi’s Editions Zeitpunkt des Druckes: ohne Jahr [spätestens Dezember 1883] Katalognummer von Ricordi: c 48745 c
Widmungsträger: Franz Liszt, Abb. 10 und 11 (1811–1886); vgl. auch hier
Zeichnung Liszts: [Dante Paolocci (1849–1926)], (S. 5) vgl. [39], Abb. 10
Umfang: 171 (gezählte) Seiten
Format: ca. 20 × 27,5 cm [geringfügig kleiner als DIN A4 (= 21 × 29,7 cm)] (Querformat); mehrfarbig gestalteter Band
Anm.: mit zahlreichen Strichzeichnungen und 16 farbigen Lithografien. [8]
In der Salzburger Ausgabe (siehe Anm. [26]) sind die Seiten (ohne gedruckte Zählung) zu Beginn folgendermaßen angeordnet:
S. (1): Vortitelseite (Schmutztitel), nur Verfasser und Haupttitel
S. (2): Vertretungen der „Éditions Ricordi“
(Milano, Roma, Napoli, Palermo, London; Paris)
S. (3): Haupttitelseite (mit Details)
S. (4): Inhaltsverzeichnis der 15 Serenaden („TABLE“)
S. (5): Widmung an Franz Liszt S. (6): leer
S. (7)–(8): zweiseitiges Gedicht von P. Solanges
Ende des Buch-Vorspanns; Beginn des Mittel- und Hauptteils:
S. (9): Farbiger Titel der 1. Serenade von A. Edel (Forts. siehe unten)
S. (10): leer S. (11): einseitiges Gedicht von Solanges
S. 12 ff.: Noten [etc.]
Letzte gezählte Seite: S. 171 S. (172): „Fächer“ (schwarzweiß) Zeichnung von A. Edel S. (173): Farbiges Abschlussbild, Nr. 16, von A. Edel (siehe Abb. 4) S. (174) und (175): leer S. (176) und (177): bedrucktes graues Vorsatzpapier, in der Seiten-Mitte, jeweils zwischen zwei Sternen: „J. BURGMEIN“ (links) und „LE LIVRE DES SÉRÉNADES“ (rechts)
Die Anordnung der Schluss-Seiten ist so undeutlich wie bei den ersten Seiten des Bandes, da hier eine Seitenzählung fehlt.
Diese Salzburger Ausgabe scheint mir im Ablauf der ersten Druckseiten (1)–(11) zuverlässiger zu sein als meine eigene (Anm. [50]), da dieser Band fest gebunden und somit wohl vollständiger ist. Die letzten Seiten des Bandes lagen mir aber nicht vor.
*
Die fünfzehn Serenaden des Livre des Sérénades sind:
Die erste Seitenzahl der Noten ist also immer gerade (Bass, „secondo“), die zweite immer ungerade (Diskant, „primo“); siehe die Seitenangaben für die Noten ganz rechts.
Abb. 2 Fünfzehntes Titelbild von Alfredo Edel für die Sérénade Chinoise Vor dem letzten Stück in Burgmeins Zyklus Le Livre des Sérénades Herkunft: siehe Anm. [26]
Abb. 3 Titelbild von Alfredo Edel für die Sérénade Chinoise Vergrößerter Ausschnitt aus Abbildung 2 Herkunft: siehe Anm. [26]
Genau in der Mitte des Zyklus befindet sich als achtes Stück eine Serenade, deren Titel als einziger nicht von einem Volk, einem Land oder einer Stadt, sondern einer Person und Figur des Theaters herrührt: die Sérénade de Polichinelle (7 + 1 + 7 = 15).
Bei Polichinelle handelt es sich um eine oft etwas verwachsene und komische Gestalt aus der Commedia dell’Arte, dem Volkstheater Italiens, die später besonders durch
Strawinskys Ballett Pulcinella (1920) in Musikerkreisen häufiger genannt wurde. In vielen Ländern Europas gibt es Parallelen, in Deutschland gilt er als eine Vorform von
Kasper und Hanswurst, in Russland heißt er Petrushka. – Goethe und Grillparzer erwähnten Polichinelle („Pulcinell“). [8b]
Um eine Vorstellung davon zu geben, auf welche Weise Bilder, Gedichte und Musik im Livre des Sérénades verschränkt sind, gestatte ich mir die folgenden Zeilen, zumal ihre
Ausgabe mir heute nahezu unbekannt scheint. Nicht zu übersehen ist, und es sei betont, dass in diesem Buch fast überall die Schönheit der Liebe zwischen Mann und Frau zum
Ausdruck kommt und fast überall eine leise, aber kostbare Erotik spürbar wird, die als Verbindendes über die Herkunft aller Serenaden und ihre Nationalität weit hinausreicht.
Der Notendruck – ich bitte, dies wörtlich zu nehmen – beginnt, gemäß der Ausgabe für
vierhändiges Klavierspiel, bei jeder Serenade auf einer linken und endet auf einer rechten Seite. (Natürlich beginnt die Musik für den linken Spieler genau in demselben Moment
wie für den rechten; es ist nur eine Frage der Aufzeichnung, dass die optische Trennung der beiden Spieler einige Vorteile hat, die abhängig ist von der Sitzposition der Spieler
vor dem Instrument.) Die Anzahl der Notenseiten ist somit stets gerade und bildet die Grundlage aller weiteren Ordnung, denn der Druck gegenüberliegender Seiten ist durch
das gleichzeitige Lesen und Blättern der beiden Spieler gewissermaßen vorgegeben (siehe hier, über dem Bild, oberste Zeilen).
Die Abschnitte, in denen die fünfzehn Serenaden stehen, setzen stets vor den Noten ein.
Zu Anfang steht jeweils ein ganzseitiges farbiges Titelbild Alfredo Edels auf stärkerem Karton, so dass selbst bei schnellem Blättern eine bessere Orientierung zustande kommt.
Die Schriftzüge sind in Gold gedruckt und mit Schwarz gerahmt. Die Rückseite dieser Bilder ist leer, damit nichts durchschimmern kann. Zwischen den Titelbildern und den
Noten ist immer ein Gedicht von Solanges zu finden, das von Edel mit kleinen Zeichnungen (schwarzweiß) illustriert wurde. Jeder Abschnitt endet hinter den Noten
wieder mit einer kleinen Zeichnung Edels (erneut schwarzweiß); diese erscheint nun aber allein links unten auf einer linken, sonst leeren Seite, wo sie nur einen Bruchteil der zur
Verfügung stehenden Fläche einnimmt. Damit sind Dichtung und Musik immer von zwei Bildern Edels umfangen: einem farbigen, maximal großen Titelgemälde zu Beginn und
einer kleineren, einfarbigen Zeichnung am Schluss.
Die Titelbilder nehmen jeweils Bezug auf die folgende Serenade. Die Darstellungen
spielen überwiegend im Freien, auf der Straße oder an einem Gewässer und zeigen häufiger etwas von dem Gefühlsleben der Völker, wobei das Werben eines Mannes um
die Gunst einer Frau im Mittelpunkt steht. Nur das Bild zur fünfzehnten Serenade, der Sérénade Chinoise, gibt so etwas wie einen Innenraum wieder, doch könnte es sich
auch um eine Veranda handeln, die man mit einfachen Gegenständen etwas wohnlicher gemacht hat (Abb. 2). Gleichwohl sind Menschen auf einem jeden Bild zu sehen und
stehen auch im Zentrum des Geschehens. Öfters sieht man einzelne Personen, deren Herkunft an dem, was sie anhaben, und ihrer Physiognomie – in Verbindung mit dem Titel
der zugehörigen Serenade – erkennbar wird. Nur ein sechzehntes, schließendes Bild, das hier näher beschrieben ist, weicht von dem Früheren ab, indem es als einziges eine
unüberschaubare Vielzahl von Menschen darstellt, die sich bei Sonnenaufgang in einer fast ebenen Landschaft verlieren. Mag sein, dass hier etwas Übernationales angedeutet ist,
etwas, das allen gemeinsam ist, denn Menschen in bunter Mischung, verschiedenster Kleidung und Hautfarbe ziehen dem Betrachter in langer Reihe und lockerer Ordnung entgegen (Abb. 4).
Eine schematische Übersicht über den Haupt- und Mittelteil des Buchs, der gleich
der Anzahl seiner Serenaden fünfzehnteilig ist, mag der Vorstellung behilflich sein. Die Unterabschnitte sind mit den Buchstaben a), b), c) und d) bezeichnet, so dass man
es hier mit 15 × 4 = 60 Teilen zu tun hat.
Hinzu kommen noch ein zweiseitiges Gedicht von Paul Solanges am Anfang und eine sechzehnte ganzseitige Farbtafel von Alfredo Edel am Ende des Bandes; beide
werden weiter unten beschrieben (hier bzw. hier). Den Hauptteil des Druckes machen somit 60 + 2 = 62 Teile aus.
Vor diesem Mittel- und Hauptteil steht zu Beginn des Buchs eine vielfarbige Titelei
(zum Teil auf Kunstdruckpapier), eine Seite mit Verlagsvertretungen in verschiedenen Ländern und Städten, ein Inhaltsverzeichnis sowie ein eigenes Blatt für die Widmung
an Franz Liszt. All dieses ist zwar unsigniert, doch darf man vermuten, dass es unter Umständen von Giulio Ricordi selbst entworfen und gezeichnet wurde, denn in einer
zeitgenössischen Quelle gibt es einen Hinweis auf sein grafisches Talent und dass er diese Arbeiten auch eigenhändig ausführen konnte (vgl. das Zitat bei Mendel und Reissmann, Berlin 1883, in Anm. [6], erster Absatz). Darüber hinaus heißt es in dem anonymen Aufsatz The Genius: Giulio Ricordi. The period from 1888 to 1912, der auf der
Webseite von Ricordi (© 2013) abgedruckt ist: „In 1871, he [Tito Ricordi] sends him
[Giulio Ricordi] to Germany to study graphic design and typography.“
Den Übergang zu dem Hauptteil, anfangs die Sérénade Arabe, schafft ein längeres,
ausnahmsweise auf zwei Seiten verteiltes Gedicht von Solanges, das auf der zweiten Seite nach dem Zwischentitel „Envoi“ (Geleit) endet und das die „Table“ (Inhalt) als „Préface“
(Vorwort, S. 7) angibt. Die Schlusszeile „Et pas un coeur ne te sera rebelle“ (Und kein
Herz wird dir widerstehen) erscheint jedoch hier wie bei den drei Strophen zuvor und darf vielleicht auch als Motto des ganzen Buchs gelten.
Gegen Ende des Bandes steht, gleichsam eine Coda seines Hauptteils, als weiteres
ganzseitiges Bild Alfredo Edels die sechzehnte Farbtafel, in Fortsetzung der Eingangsbilder zu jeder Serenade. Ihr Motiv ist eine große Menschenschlange. (Ähnliches hatte Edel in Burgmeins Il Natale mit einer langen Kamelkarawane gezeichnet.) Die
ersten Personen sind klar erkennbar, jene in der Ferne aber nicht mehr, wo Einzelheiten auch nicht mehr unterscheidbar und die Gestalten nur noch angedeutet sind. Man kann
nicht ersehen, warum sich diese vielen Menschen zusammengefunden haben und was sie in eine gemeinsame Richtung bewegt, doch kann man erkennen, dass der lange Zug,
dessen Ende jenseits des Bildes liegt, sich für den Betrachter aus dem Nebel wie aus dem Dunkel nähert. Manche Personen sind nur leicht bekleidet, andere warm angezogen,
einige in Abendgarderobe, andere in Uniform oder Hoftracht, jung und alt, aus unterschiedlichen geschichtlichen Epochen kommend, und Verschiedenheit scheint das
Motto dieses Zuges zu sein. Wie die Titel der Serenaden mit Gold ausgefüllt sind, so sind es hier die Buchstaben „FIN“ ([unten mit roter Initiale:] Ende). Diese Initialen sind der
Anfang dreier unsignierter Zeilen, welche das Bild verlassen und bis auf den Rand gehen. Da solches bislang in dem Livre nur sehr selten geschah (gelegentlich geht allein die
Unterstreichung einer Signatur wie in Abb. 2 bis auf den rechten Rand), ist wohl hier auch eine Synthese von Lyrik und Bild angedeutet. Die drei Zeilen, ein kleines Akrostichon,
haben wohl, gleich den übrigen Dichtungen, Paul Solanges als Autor und seien hier wiedergegeben:
Fantômes amoureux sortis de la nuit brune, Indécises vapeurs, enfants du clair de lune,
Ne chantez plus. Voici les rayons du Soleil.........
Eine Übersetzung (das Akrostichon lässt sich nicht nachbilden) lautet etwa:
Verliebte Geister, entstiegen der Dämmerung der Nacht, Schwankende Dünste, Kinder des Mondlichts,
Singt nicht mehr. Hier sind die Strahlen der Sonne.........
Nicht notwendig scheint mir das Gedicht das Bild zu kommentieren, doch gehört natürlich auch dies zu seinen Möglichkeiten hinzu, die nicht zu vernachlässigen sind. Im Folgenden
seien daher einige Dinge, die sich mir erschlossen, mehr angedeutet als ausgeführt.
Ein Stern ziert oben links das Bild, das damit des Morgens oder Abends in der
Dämmerung, an der Grenze von Tag und Nacht, spielen muss und den eigentlich künstlerischen Teil des Buchs beschließt (Abb. 4). Ein Bezug auf das kleine Gedicht lässt
jedoch eher an einen Morgen bei aufgehender Sonne denken, was der Widerschein der Sonne auf den vordersten Personen der Schlange bestätigt. Dem Licht und dem Nebel
am Boden entsprechend sind Himmel und Erde am Horizont, der nicht sichtbar ist, fast auf derselben Ebene, auf welcher der Stern erstrahlt sowie die Menschen sich verlieren.
Ein großer Lichtfleck am Boden, die größte und hellste Stelle des gesamten Bildes, so dass man an die Spiegelung einer Wasseroberfläche denken muss, kann indes nicht von
dem darüber stehenden Stern allein verursacht sein und lässt erneut auf die Sonne schließen, die von einigen Personen auch deutlich begrüßt wird – zumal das direkte Licht
des Sterns die Menschen nur von hinten, nicht aber von vorne links treffen könnte.
Eine Eindeutigkeit wie in Il Natale liegt nicht vor, wo auch ein Stern leuchtet, doch
sicherlich der Stern von Bethlehem gemeint ist, welcher der nächtlichen Karawane als Wegweiser dient und sie zugleich ins Licht stellt (siehe Anm. [13], Abs. 4). Vor wem
anders als dem Gedicht, welches die Strahlen der aufgehenden Sonne besingt, sollte der junge Mann, der als eine der vordersten Personen zu sehen ist, mit erhobenem Kopf
seinen Hut ziehen? Dort, wo unter dem Gedicht, leicht abseits von den Menschen, pausbäckig und nackt, auch ein geflügelter Amor mit Pfeil und Bogen steht? Das, was von
dem Maler dargestellt wird, und das, was sich erst für den Benutzer des Buchs daraus ergeben kann, wird gleichsam zur Einheit. Denn das Gedicht zeigt sich nur imaginär, als
Bezug auf Unsichtbares, ungegenständlich inmitten all des Konkreten und Realistischen, wobei der geflügelte Amor nur vermitteln kann, denn er ist ebenfalls allein ein
Vorstellbares, ein Mittelding von Göttlichem und Menschlichem, das seine angemessene Stellung hier zwischen Menschheit und Dichtkunst, zwischen Wirklichkeit und Phantasie, Sein und Schein findet.
Vielleicht grüßt der junge Mann aber auch die Morgensonne und schaut nur auf
ihren Widerschein in seinem emporgehaltenen Hut, da er auf der Schattenseite der Menschenschlange geht. Und vielleicht sind mit den erkennbaren Personen des Bildes
auch all jene Völker gemeint, die im Verlauf der fünfzehn Serenaden eine Rolle gespielt haben; gesagt wird es aber nirgends. Doch begegnet man in dem Titelbild der Serenade
Nr. 2 einem grauhaarigen Mann, der ähnlich wie jener junge Mann, doch in einer etwas anderen Haltung, nach oben blickt, und der seine Augen mit dem Hut beschattet, um
seine Angebetete besser auf dem Balkon zu erkennen. Der Mann in der Mitte der ersten Reihe auf Tafel Nr. 16 (man sieht hier, im Gegensatz zu den andern Farbtafeln, die
durchaus auch Frauen zeigen, fast nur Männer) ist ebenfalls grauhaarig, doch hält er seinen Hut gesenkt. – Dem jungen Mann auf der letzten Farbtafel gegenüber steht auf der
anderen Seite der Menschenschlange ein Russe mit einer Bärenfellmütze, hellem Überrock und kurzen Stiefeln, doch mit Oberlippen-Bart, während jener Russe in dem
Titelbild von Nr. 14 keinen Bart trägt, den Kopf leicht gesenkt hat, ansonsten aber ähnlich gekleidet ist. – Hinter dem bärtigen Russen ist, vom Betrachter aus, auf der linken
Seite des Zuges, am Rand ein Mandarin zu sehen, der auf das letzte Stück des Klavierzyklus verweist (hier besonders auf die zwei einrahmenden Darstellungen der
Gedichte von Paul Solanges, S. [163] und S. [172]). Der Fächer, den er in der Hand emporhält, ragt mit einem Teil seiner Spitze in den hellsten Bereich des Bildes, so dass er
gesehen werden muss, auch wenn er sich sonst nur im Halbdunkel befindet.
Dass diese Bezüge von dem Maler, ohne es zu wollen, dargestellt wurden, ist recht
unwahrscheinlich, und so müsste es auf dem Bild Nr. 16 Absicht gewesen zu sein, diese Personen mit kleinen Änderungen zu wiederholen und auf einem gemeinsamen Bild zu
vereinen. Diese Bezüge zu den Titelbildern sind nicht die einzigen, aber wohl die offensichtlichsten. Auch andere Beziehungen mögen noch erkennbar sein, doch verlieren
sich die vielen Menschen, wie gesagt, in der Ferne, dem Nebel und der Dunkelheit, und die nationale Identität der dargestellten Personen wird mehr und mehr undeutlich.
Abb. 4 Das sechzehnte und letzte ganzseitige Bild von Alfredo Edel (Der Rand, auf dem der Text weitergeht, ist hier entfernt, um das Bild größer zu machen;
der Gedichttext ist oben vollständig.) Schlussbild auf S. (173) – Scan nach dem Exemplar des Verfassers
Hierauf folgt noch etwas mehr Kunstgewerbliches: das zweiseitige Vorsatzpapier, das mit den gut sich abhebenden zentrierten Zeilen „J. Burgmein“ sowie „Le Livre
des Sérénades“ die verfügbare Fläche gliedert. Darum herum befindet sich die Bezeichnung „Le Livre des Sérénades“ in kleinem Maßstab und in viele Kästchen
geschrieben, die rautenförmig auf der Spitze stehen, doch trifft man auch hier auf Sterne und Halbmonde. Im Farbton sind diese zwei buchtechnisch erforderlichen Seiten
zurückgenommen und wirken blasser, was aber die Farbkraft der Rückseite des ganzen Bandes sicherlich steigert. Da in meinem Exemplar nicht erkennbar war, ob das vordere
Vorsatzpapier vielleicht nur fehlt und ob der Umschlag mit dem Buchblock anderweitig verbunden war, kann ich über die Seiten zu Beginn nichts Verbindliches sagen. Vgl. dazu Anm. [50].
Die Rückseite des Einbands greift mit Sternen und Monden noch einmal den
Nachthimmel auf, der vor allem ein gleichermaßen flächenfüllendes Muster erkennen lässt und auf seine Art in Gegensatz zu dem himmlischen Lichtblau des Anfangs tritt (siehe Abb. 12 und 13 bzw. 14). Eine über die ganze Breite der Seite gezogene Schrift „ÉDITION
RICORDI“ nennt den Verlag des Buchs. Zwischen den Gestirnen sind drei ineinander verschlungene Ringe einbezogen, welche möglicherweise die drei Generationen des
namengebenden Verlages Ricordi symbolisieren. Demselben Emblem begegnet man, beispielsweise in dem noch mehrfach herangezogenen Katalog von 1892, als der Inschrift
„ARS ET LABOR“ (Kunst und Arbeit) in sehr großer Ausführung, was gleichermaßen auf der Rückseite eines Einbands zu lesen ist (siehe hier). Auf dem Umschlag von Burgmeins Le Livre des Sérénades sind die drei lateinischen Wörter, welche auf den drei
Ringen inmitten des Verlagsnamens stehen, jedoch so stark verkleinert, dass sie mit einer anderen Ausgabe des Verlags verglichen werden mussten. Eine nähere Erklärung wird
auf einer Webseite gegeben (siehe hier); Weiteres wird in Anm. [8c] angesprochen. Ohne
Inschrift ist das Verlagszeichen (die drei Ringe) abgebildet in Horst Seegers Musiklexikon (1966); [8d] und hier ist eine Reproduktion aus dem 1882 besprochenen Band Il Natale (siehe Anm. [13], Absatz 4) zu finden, wo neben der Inschrift auf
den Ringen noch in ihrer Mitte ein „R“ (für „Ricordi“) steht. – Mit dem Titel
„Serenaden“ (Abendständchen) scheint mir der Nachthimmel auf der Rückseite des Einbands indes verbunden zu sein.
Kapitel 4 Das Notenbeispiel von Hornbostels und der Notendruck
Abb. 5 Notenbeispiel 4 aus dem Aufsatz Musikalischer Exotismus von Erich Moritz von Hornbostel Hier der Anfang der Sérénade Chinoise, Nr. 15 aus J. Burgmeins Le Livre des Sérénades [9] Vgl. den Druck in Abb. 7
Zu dem Notenbeispiel von Hornbostels, das ich einige Monate früher als die gedruckte
Notenausgabe kennenlernte, ist zunächst zu bemerken, dass der schmale Takt, rechts der Mitte (mit Violinschlüssel), drei schwer sichtbare Auslassungspunkte über der obersten Notenlinie trägt; zugleich steht hinter dem zweiten Takt sowie am Ende der obersten Doppelzeile ein „etc.“. Sowohl bei den Auslassungspunkten wie auch bei den „etc.“
handelte es sich freilich nicht um Zusätze Burgmeins, sondern um Einrichtungen zur Verdeutlichung des Notenbeispiels, und man hätte diese wohl besser in eckige Klammern
gesetzt, um die verschiedenen Verfasser kenntlich zu machen. Die Hinweise (Abb. 5) zeigen jedoch an, dass es in der Musik anders weitergeht als in den Noten. Die im Druck
auf S. 164 und 165 befindlichen Takte werden hier gemeinsam dargestellt, was ohne Vergleich mit dem Druck kaum auffällt.
Links auf dem Notenbeispiel war notiert, dass während eines vierhändigen Spiels von dem Spieler im Bass zunächst die Töne c, C und C1 stumm angeschlagen und gesenkt gehalten werden, und der Spieler im Diskant darauf ein vierzehntöniges Glissando
(« glissez ») auf den Untertasten tonhaft und im Forte auszuführen hatte. Dieses Glissando begann etwa in der Mitte der Klaviatur mit einer Fermate auf dem eingestrichenen c und
endete zwei Oktaven höher mit einem Akzent auf der Achtelnote des dreigestrichenen c als Zielton. Die stummen Tasten dienten dazu, die real erzeugten Glissandotöne wie ein
Echo auszuhalten und im zweiten Takt des Beispiels noch eine Zeitlang allein klingen zu lassen, wozu die Resonanzen von Obertönen auf den durch das Absenken der Tasten
ungedämpften Bass-Saiten benutzt wurden. Die Musik war an dieser Stelle „A Piacere“ (nach Belieben, nach Gefallen) auszuführen. [10]
Zwar war mir die Spielweise aus Werken von Cage, Boulez, Stockhausen und vielen
anderen Stücken der Moderne grundsätzlich vertraut, doch hatte ich stets fälschlicherweise angenommen, Arnold Schönberg (1874–1951) habe die Vorschrift der
stummen Tasten erfunden – oder vielleicht richtiger: entdeckt – und bei der Komposition seines Liedes Am Strande sowie einige Tage später in seinem Klavierstück op. 11,
Nr. 1 als Erster verwendet und notiert. Der stumme Anschlag und seine Notation (als rautenförmige Flageolett-Noten [11]) gingen dabei auf das Frühjahr 1909 zurück.
Diese Sicht erwies sich nun nicht als völlig falsch, war jedoch nur eine Teilwahrheit. Siehe auch hier.
Die Anweisung Burgmeins (vollständig: folgende Anmerkung, Mitte), wie die Basstöne
anzuschlagen seien, ließ indes kein Missverständnis aufkommen, denn in einer Klammer
hieß es klar: « bien enfoncer les touches sans faire resonner les cordes » (die Tasten gut niederdrücken, ohne die Saiten erklingen zu lassen). [12] Die stumm anzuschlagenden Tasten waren, um sie von den normalen Noten zu unterscheiden, alle mit dreieckigen
Notenköpfen versehen, wobei die Spitzen der Dreiecke nach oben wiesen und ihre Grundlinien parallel zu den Notenlinien verliefen (Abb. 7). Dies war bereits in der ersten
Druckausgabe der Fall, da der Kritiker Filippo Filippi (1830–1887) die neue Art der Aufzeichnung in einer Rezension von 1883 erwähnte und grafisch nachstellte. [13] Zu beachten ist, dass die klassische und heute im Wesentlichen noch gültige Notation von Klaviermusik eine Aktions- und keine Resultatschrift ist und dass in dem Moment, in
welchem der neuartige Resonanzklang auftritt – also im zweiten Takt der Beispiele nach der ersten Achtel (Abb. 5 bzw. Abb. 7) –, nur Pausen oder unbeschriftetes Papier zu
sehen sind. Der entstehende komplexe und stets etwas leisere Klang ist hier nicht notiert, sondern nur seine instrumentalen Voraussetzungen in Form dreieckiger oder normaler
Noten, die erst durch ihr Zusammenwirken in klingender Form für Spieler und Hörer zu etwas Neuem und in der Musik Unbekanntem führen.
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Abb. 6 Dreieckige Noten in Burgmeins Sérénade Chinoise zur Bezeichnung
für stumm anzuschlagende Tasten, Beginn der letzten Zeile auf Seite 170, Takt 58 f. Herkunft: siehe Anm. [26]
Durch die Mechanik des Anschlags und die mit ihm verbundene Saiten-Dämpfung liegen die stummen Tasten bereits in der Klaviatur vor, ohne dass es zusätzlicher Veränderungen
an dem Instrument bedarf. Die Finger eines Spielers genügen. Daher erhält man vielleicht den Eindruck, die Klavierbauer hätten die Funktion stummer Tasten lange vor ihrem
musikalischen Einsatz erkannt und in die Konstruktion eingeplant. Die Klaviermechanik erlaubt allerdings manchmal, wie Glissando und Cluster oder die Präparierung der Saiten
und Tasten zeigen – und wie ich auch hier annehme –, von den Herstellern nicht gewollte, eher zufällig, aber unvermeidlich auftretende Eigenheiten zu gebrauchen, die sich zwar
nachträglich das Vorhandene zunutze machen, um deretwillen das Instrument aber sicherlich nicht gebaut worden war. [14]
Die problemlose und bequeme Zugänglichkeit gehörte freilich zu eben jenen
Voraussetzungen, den Klang stummer Tasten in die Klavierliteratur aufzunehmen und ihn zu verbreiten, denn er war stets auf Klavieren wie Flügeln verfügbar, sobald ihre Saiten
individuelle Dämpfer besaßen. Die Bedienung einer stummen Taste war nur eine Vorbereitung zu einem dann erst erfolgenden Anschlag. Ein im Instrument eingebautes
Tonhaltepedal ist jedoch in der Lage, die Dämpfung noch autonomer vorzunehmen und somit die Spielmöglichkeiten zu erweitern. Dabei ist es ohne Belang, ob gesenkte Tasten
zuvor stimmhaft oder stumm angeschlagen waren; zudem wird ja jeder stimmhafte Anschlag von alleine zu einem stummen, und aus der stimmhaften Taste wird durch das
Verklingen eine stumme, wenn man nur lange genug wartet. Stets sind zunächst nur die Dämpfer betroffen, die durch die Tastenabsenkung die zugehörigen Saiten unweigerlich freigeben müssen [15] und für die es gleichgültig ist, ob und wie ein Hammer die Saite(n)
zuvor erreichte. Ein vollständiges Senken der Tasten ist aber entscheidend, bevor sich das Tonhaltepedal einsetzen lässt, worauf auch die Klammerbemerkung Burgmeins hinweist. [16] Die Bezeichnung „Tonhaltepedal“ (nicht Dämpferhaltepedal) lässt jedoch noch auf
den anfänglichen und hauptsächlichen Gebrauch schließen, der zunächst ganz dem tonhaften Spiel vorbehalten war. [17]
*
Exkurs: Stumme Tasten und rechtes Pedal
Ein Exkurs von fünf Absätzen sei mir erlaubt, der aber noch etwas tiefer in die Thematik
eindringt. Die stumme Taste ist nämlich in gewisser Weise ein Gegenstück zum Klang des rechten Pedals; denn bei völlig gesenktem rechten Pedal und einem tonhaften Anschlag
erhält man, neben dem lauten Klang der tonhaft angeschlagenen Saite(n), auch so gut wie sämtliche Resonanzen, die im und am Instrument für diesen Anschlag vorliegen.
Das rechte Pedal erzeugt bei seiner Bedienung stets diese zwei Elemente des Klangs: nämlich das Weiterklingen von Saiten, die man zumeist mit Hilfe der Klavierhämmer
angeschlagen hat, sowie die Resonanz all jener Saiten, die man nicht angeschlagen hat, deren Dämpfer aber gleichermaßen mit dem Pedal abgehoben wurden und somit als
Resonanzen frei schwingen können. Dabei sei der Fall nur erwähnt, dass ein Klopfen auf dem Korpus des Instruments oder andere Manipulationen ebenfalls Resonanzen
hervorrufen können, da es uns zu weit abbringen würde von der eigentlichen Thematik. Den Klang des tonhaften Anschlags müsste man zunächst immer aus einer Mischung von
Klängen entfernen (durch manuelle Dämpfung etwa), will man allein die Resonanzen hören. [17a]
Vorstehende Überlegungen sind etwas schwieriger zu verstehen, da es sich in beiden
Fällen (stumme Taste und rechtes Pedal) um die Erzeugung von Resonanzen handelt, die zunächst eines tonhaften Auslöseklangs bedürfen, bevor sie in Erscheinung treten können
(wie ein Echo erst eines lauteren Klangs bedarf, der dann leiser zurückkommt). Daher ist es erforderlich, den für die Resonanzen notwendigen Auslöseklang aus einer
Klangmischung herauszufiltern oder zu löschen, denn dieser Auslöseklang ist im rechten Pedal miterfasst und würde die Resonanz durch seine größere Lautstärke unter
Umständen übertönen oder undeutlicher machen.
Zwischen der Resonanz einer einzigen Saite und der Resonanz aller verfügbaren Saiten
besteht eine Skala der Resonanzen, deren Ausmaß die Hände eines Spielers freilich überfordern würde. Nur für die Abhebung sämtlicher Dämpfungen kämen das rechte
Pedal und der Fuß in Frage, und gerade ein geringfügig kleinerer Ambitus als diese sämtlichen Dämpfer müsste bereits von beiden Händen oder speziellen Hilfsmitteln
Gebrauch machen. Wichtig wäre es, jeweils denselben tonhaften Anschlag zur Erzeugung der Resonanzen zu verwenden, denn die Resonanz ist nicht nur von dem Register (der
Oktavlage) der stummen Anschläge abhängig, sondern auch von dem des auslösenden Klangs. Festzuhalten bleibt aber, dass eine einzelne stumme Taste und gesenktes rechtes
Pedal die beiden Extreme der Resonanz sein können, die auf einer Klaviatur überhaupt darstellbar und durch eine Skala miteinander verbunden sind.
Das Verfahren, eine Skala der Resonanzen zu erstellen, die systematisch von der kleinst-
bis zur größtmöglichen Resonanz führt, ist zwar so aufwändig wie langwierig (aber gleichwohl grundsätzlich möglich), wird hier jedoch nur in Form eines gedanklichen
Experiments empfohlen. Auslösender Klang und stumm angeschlagene Tasten müssen auch durchaus nicht in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen und können ein
oder mehrere auslösende Töne oder auch Geräusche haben, die ebenso vorstellbar sind wie verschiedene stumme Tasten, die einmal unterhalb, ein andermal oberhalb dieser
tonhaft gespielten Tasten oder selbst zwischen diesen liegen. Die Resonanzen solcher Prozeduren sind einmal gut zu hören, ein andermal aber kaum oder gar nicht
wahrnehmbar, und die Obertöne spielen hierbei eine wichtige Rolle. Welche Resonanzen indes für eine Komposition zu wählen sind, ist jedoch eine ästhetische Entscheidung, die
den Komponisten stets vorbehalten bleiben muss. Zu berücksichtigen ist, dass hier nur die Menge der Tonhöhen, deren Bestandteile 1 bis 3 Saiten sind, verglichen wird, so dass
auch dort, wo aus praktischen Gründen von Saiten und ihren Dämpfern die Rede ist, stets die Tonhöhen mit ihren gleichgestimmten Choren gemeint sind.
War das Spiel auf Klavierinstrumenten gewöhnlich dadurch geprägt, dass ein Klang sich
in erster Linie durch seinen Anschlag färben und sich durch seine Dämpfung mehr oder minder ausdehnen ließ, so ergab sich mit den stummen Tasten, neben dem Fortepedal mit
seiner vergleichsweise kollektiven Wirkung, ein weiteres Verfahren, den Klang auch nach erfolgtem Anschlag über seine Resonanz und deren Dämpfung nochmals zu beeinflussen.
Hieraus geht auch hervor, dass es den Klang stummer Tasten nicht auf einer Orgel oder ähnlichen Instrumenten mit einer Klaviatur geben kann, da die Tasten hier nicht parallel an
eine Dämpfung gekoppelt sind und ein Ton grundsätzlich auch so lange erklingt, als man eine Taste gesenkt hält. Die Resonanz großer Räume, in denen Orgeln oft untergebracht
sind, gleicht das Fehlende auf seine Art aber wieder aus. Damit zurück zu Jules Burgmein.
*
Nun sah ich durch dieses Notenbeispiel von Hornbostels, das aus dem letzten Viertel des
neunzehnten Jahrhundert stammte, denselben Effekt, den ich in meinem Buch Klaviercluster (2004) zwar beschrieben, doch auf ein zu spätes Entstehen datiert hatte.
Den Quellen nach hatte Jules Burgmein die stummen Tasten deutlich früher als Schönberg gefunden und notiert. Die zwei Komponisten, deren Altersunterschied etwa 34 Jahre
betrug, hatten aber unabhängig voneinander gearbeitet und waren ästhetisch durchaus eigene Wege gegangen. Dass dabei Schönberg den stummen Anschlag wissentlich von
Jules Burgmein übernahm, war mir nicht belegbar, war wenig wahrscheinlich und wurde von mir auch nicht vermutet. Eher ging ich von einer zweifachen Entdeckung durch die
Komponisten aus, da dieser Effekt schon seit langem durch ein beiläufiges und unbeabsichtigtes Senken von Tasten, das in keinerlei Komposition auftrat, entstanden sein
konnte, falls nicht ein Komponist Hermann Helmholtz’ Buch Die Lehre von den Tonempfindungen (zuerst 1863) kannte, in dem nochmals mindestens zwanzig Jahre vor
Burgmein stumme Tasten bei akustischen Untersuchungen verwendet wurden. [18] Später bemerkte man jedoch den ästhetischen Wert und Reiz des neuen Klangs und
suchte nach einer Notation des Gehörten, das zunächst zwar an mancherlei erinnerte, allmählich aber ganz in der Musik aufging und neutral wurde. [19]
Von Hornbostel kommentierte Burgmeins Sérénades folgendermaßen:
„Am Ausgang der Romantik mit ihrer Schwärmerei fürs Pittoreske steht der
zu Unrecht kaum bekannte Vorläufer jüngster Franzosen: Giulio Ricordi (J[ules] Bourgmein). Unter den 15, Liszt gewidmeten, ,charakteristischen‘ Serenaden für
Klavier zu vier Händen hat die ,chinesische‘ so wenig mit dem Reich der Mitte etwas zu tun, als die ,indische‘ oder ,ägyptische‘ mit diesen Ländern. (B[ei]sp[iel] 4 [20]) Wahrscheinlich hatte der Komponist nie eine chinesische Melodie gehört, vielleicht nicht einmal im Notenbild gesehen, und auch die ostasiatischen
Tonwerkzeuge sind ihm wohl unbekannt geblieben. Griesgrämige Pedanten mögen ihm das vorwerfen, die sich nicht freuen können an der entzückenden Chinoiserie,
dem Zittern der Porzellanglöckchen, dem Klangreiz der künstlichen Aeolsharfe, die durch das Glissando hervorgezaubert wird, das, verklungen, die Obertöne,
nicht-angeschlagener Saiten heimlich zum Mittönen gebracht hat.“ [21]
Diese Beschreibung von Hornbostels, welche die Übertragung einer „künstlichen
Aeolsharfe“ auf das Klavier annimmt, war mir, außer durch ihre Datierung, insofern wichtig, als vielleicht das Erlebnis eines realen Klangs zum Anlass einer Bearbeitung für
das zentrale Konzertinstrument des Westens wurde. Der neue Klang fügte sich gut ein in jene Reihe von Kanonen (Battaglias) und Gewitterdonnern, dem Verstreichen der Butter
auf dem Brot oder den Sensenstreichen des Todes, die alle ein konkret beobachtetes, gut bekanntes oder mühelos vorstellbares Geschehen auf dem Klavier imitierten und bei
denen eine lautmalerische Nachahmung durch Glissandi oder Cluster in der Literatur zu beobachten war. [22] Der erzeugte Klang stand dabei für etwas, das auf direkte Weise
gewöhnlich zwar nicht zum Ausdruck kommen konnte, sich aber leicht assoziieren ließ, sobald ein Stücktitel oder sonstiger Hinweis die Phantasie in eine gewünschte Richtung
lenkte. Ungewiss ist, ob Burgmein diesen Zusammenhang schon kannte und darstellen wollte, den ein französischer Kritiker (1887) oder später von Hornbostel (1921) aus der
Musik heraushörten (von beidem im Nachfolgenden).
An eine Aeolsharfe anderer Art erinnern die Worte von Hornbostels, nämlich an The Aeolian Harp (um 1923), die in Henry Cowells gleichnamigem Klavierstück
ebenfalls stumme Anschläge gebrauchte [23] – wobei den eigentlichen Klang, anstatt
eines diatonischen Glissandos auf den Tasten, nun ein chromatisches Glissando der Finger auf den Saiten verursachte. Gemeinsam war Burgmein und Cowell das vorhergehende
stumme Senken von Tasten, durch das sich ein Akkord im Anschluss an ein Glissando aus dem Gesamtklang löste. Die von ihren Dämpfern befreiten Saiten wurden somit bei
Burgmein (wie später bei Schönberg) mittelbar zur Resonanz, bei Cowell jedoch zu einer unmittelbaren Tonerzeugung und Bespielung der Saiten verwendet. [24]
Diese Ähnlichkeit des Klavierklangs mit einer Aeolsharfe geht auf von Hornbostel und
nicht auf Burgmein zurück. Jedoch wurde in einer anonymen französischen Besprechung von 1887 der entstehende Klang nicht mit einer Aeolsharfe verglichen, sondern mit einem chinesischen Gong:
« Enfin, la sérénade chinoise, la dernière, est assez bizarre. Il faut, à la basse,
appuyer certaines notes du piano sans pédales, et sans que les cordes résonnent. Par là-dessus, le pianist chargé de la première partie, glisse des gammes de deux
ou trois octaves, et le tout produit une vibration de gong tout à fait ‹ empire
du Milieu ›. » („Schließlich die chinesische Serenade, die letzte [Serenade des Livre], die sehr ausgefallen (bizarr) ist. Man muss im Bass bestimmte Klaviernoten,
ohne Pedale und ohne dass die Saiten erklingen, anschlagen. Darauf spielt der Pianist, der den ersten Teil [im Diskant übernommen] hat, ein Glissando von zwei
oder drei Tonleiter-Oktaven. Das Ganze ruft eine Gong-Schwingung hervor, die völlig dem ,Reich der Mitte‘ angehört.“) [25]
Die Beziehung des neuen Klavierklangs zur akustischen Wirklichkeit scheint also einst
schon, als man ihn mit Worten beschreiben wollte, etwas unsicher gewesen zu sein, so dass man angesichts der Bezeichnungen als « une vibration de gong tout
à fait ‹ empire du Milieu › » oder als „Klangreiz der künstlichen Aeolsharfe, die durch das
Glissando hervorgezaubert wird“ verschiedener Auffassung sein kann. Zwar sind diese Wendungen Ausdruck sowohl von Phantasie als auch von Befangenheit in bestimmten
Vorstellungen, betrachtet man aber Unterschiede und Gemeinsames der Vergleiche, verwundert es nicht, dass man die Beschreibungen zunächst an dem von Burgmein
stammenden Titel der betreffenden Serenade, der Sérénade Chinoise, orientierte. Man versteht so eher, dass der neue Klang durchaus nicht eindeutig war, später sogar
Abstraktes stellvertreten und gleichsam für Neutrales stehen konnte, das nicht auf einer Suggestion des Titels beruhte und keine Erinnerungen mehr wachrief. Die Beobachtung
gilt freilich auch für andere, vielleicht sogar für die Mehrzahl der Sujets und zeigt im Grunde nur, einer wie starken Beeinflussung Musik durch die Wahl eines Titels zu
unterliegen vermag, auch wenn diese Wahrnehmung, wie ich finde, zu oft vernachlässigt wird. Gerade der Übergang vom Konkreten zum Abstrakten scheint mir einen der
Hauptunterschiede zwischen neunzehntem und zwanzigstem Jahrhundert anzudeuten, der eingehender zu erforschen wäre. Dass die Grenzen fließend sind und dies keineswegs die
einzige Einflussnahme auf das Verständnis von Musik ist, sei nur nebenbei bemerkt.
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Abb. 7 Die Anfangstakte von Burgmeins Sérénade Chinoise für Klavier zu 4 Händen.
Oben: Takte 1–11 des Diskant-Spielers (Primo) mit den vier Glissandi (S. 165) Unten: Takte 1–8 des Bass-Spielers (Secondo) mit stummen Tasten (S. 164)
Herkunft: siehe Anm. [26]
Einige Worte noch über die Notenausgabe von Burgmeins neunundsechzig Takte umfassender Sérénade Chinoise. Konkrete Hinweise über die Musik waren weder der
vor den Noten befindlichen Abbildung Edels (Abb. 2 u. 3) noch dem sich anschließenden
Gedicht von Solanges über den Mandarin Meng de Soûng zu entnehmen. In den Noten rahmten die stummen Tasten (A PIACERE) einen schnellen Mittelteil (ALLEGRO VIVO) ein, der für beide Spieler nur aus Achteln und Sechzehnteln, gelegentlich einer Viertelnote
bestand, welche ihre Oktavlage im Wesentlichen aber beibehielten (eine Art ist rechts auf der Seite in dem Notenbeispiel von Hornbostels angedeutet; siehe Abb. 5). Die stummen
Noten traten somit zu Anfang (Abb. 7) und Ende des Stückes auf, und die Saiten wurden
hier wie dort durch die jeweils vier ähnlichen, aber nicht gleichlautenden Glissandi des Diskant-Spielers zur Resonanz gebracht. Auf den höchsten Tönen des Klaviers war eine
kurze viertaktige Coda angefügt ([Tempo COME PRIMA] ppp à peine sensible [ ppp
kaum wahrnehmbar]), die nochmals an den Hauptteil anknüpfte, zerrann und zu einem einzelnen, verlöschenden c2 im pppp führte. Dieses bildete den Schluss, sowohl von der Sérénade Chinoise als auch von dem fünfzehnteiligen Le Livre des Sérénades.
Kapitel 5 Datierung des Notendrucks, Rezensionen und Inserate
So wichtig die Datierung des Erstdrucks im Allgemeinen auch ist, scheint sie doch
hier beim erstmaligen Auftreten stummer Tasten in einer Komposition von hervorgehobener Bedeutung zu sein. Das „erstmalig“ kann, wie man sieht, jederzeit
revisionsbedürftig werden und hängt immer ab vom Stand der Forschung, da es ganz unmöglich ist, sämtliche vorhandenen oder nur zugänglichen Quellen zu erfassen. Daneben
wird aber vieles genannt, welches durchaus erlaubt, den vierhändigen Klavierzyklus besser einzuordnen und seinen Komponisten zu verstehen, der seine Musik bekannt zu machen wünschte.
Drei Rezensionen von Burgmeins Livre des Sérénades wurden am 9. Dezember 1883 in der Gazzetta Musicale di Milano (38. Jg., Nr. 49) nachgedruckt: 1.) aus der Zeitung La Perseveranza (signiert: „Filippi“), 2.) aus dem ebenfalls in Mailand erscheinenden Corriere della Sera (8. Jahrgang, Nr. 333 vom 3.–4. Dezember 1883, S. 2; signiert: „up“ [27]) sowie 3.) aus der Stella d’ Italia (unsigniert).
Eine weitere unsignierte Rezension wurde in der Mailänder Kunstzeitschrift Il Mondo Artistico. Giornale de Musica dei Teatri e delle Belle Arti am 15. Dezember 1883
veröffentlicht. Hierbei wurde im letzten Satz hingewiesen auf die „bizzarrie della [Serenata] Chinese“. Zur Datierung hieß es gleich zu Beginn dieser Besprechung: „[…] Livre des sérénades pubblicato di questi giorni dal Ricordi“ (Livre des sérénades,
dieser Tage publiziert bei Ricordi). [28]
Aufgrund des gemeinsamen Abdrucks wie der Art und des Umfangs dieser Rezensionen
am 9. und 15. Dezember 1883, aber auch durch ein mehrfach veröffentlichtes Inserat unter der Überschrift „NUOVE PUBBLICAZIONI DEL R[EGIO] STABILIMENTO
RICORDI“ / „Neue Publikationen des Königlichen Unternehmens Ricordi“ (Abb. 8)
im Dezember 1883 muss man von einem Erscheinen des Erstdrucks spätestens im Dezember oder sogar vor dem 9. Dezember 1883 als Zeitpunkt ausgehen. [29] Die erste Erwähnung des Klavierzyklus von Burgmein ist aber vorerst in dem Corriere della Sera
vom 3.–4. Dezember 1883 zu finden. Aus dieser und den übrigen Quellen lässt sich entnehmen, dass der Druck spätestens zu Anfang Dezember 1883 vorgelegen haben
müsste. – Unklar blieb mir freilich, warum von Hornbostel sein Beispiel 4 bereits auf „nach 1875?“ (siehe oben) datierte, eine Angabe, die er selbst durch ein Fragezeichen in
Zweifel zog.
Wie angedeutet, erschienen, zusätzlich zu den Rezensionen, drei gleichlautende Inserate in der Gazzetta Musicale di Milano am 16., 23. und 30. Dezember 1883. [30] Durch die Überschrift „NUOVE PUBBLICAZIONI“ („Neue Publikationen“) dürfte aber klar
sein, wann der angezeigte Druck veröffentlicht wurde und somit lieferbar war [31]:
Abb. 8 Inserat für das Le Livre des Sérénades: dreimal gleichlautend in La Gazzetta Musicale
Mailand, 16., 23. und 30. Dezember 1883, jeweils unten auf der Titelseite (auf vorliegender Webseite wurde das zuerst erschienene Inserat reproduziert)
Dasselbe Inserat wurde auch in der Inserate-Beilage der Mailänder Zeitschrift Il Mondo
Artistico von 1883 abgedruckt, welche im 17. Jg. der Nr. 51–52 vom 29. Dezember 1883 beigelegt wurde. [32] Die zwei unmittelbar vorangehenden Ausgaben der Beilage
(für Nr. 48–49 und Nr. 50 der Zeitschrift) waren in dem Scan jedoch nur zu Beginn lesbar, wodurch nicht unmöglich ist, dass dieses Inserat schon früher erschien. Da die
Ausgaben Nr. 48–49 bzw. Nr. 50 jedoch am 3. bzw. 15. Dezember 1883 veröffentlicht
wurden, ist aufgrund dieser zusätzlichen Bestimmungen keine andere Datierung für das Erscheinen des Livre des Sérénades zu erwarten.
Ausführlicher wird im anschließenden Kapitel 6 ein Brief Franz Liszts behandelt, der sich
für Widmung und Übersendung des Livre des Sérénades am 31. Dezember 1883 bei Giulio Ricordi bedankte. Auch aus diesem Brief lässt sich der Zeitpunkt der Entstehung
des Druckes ersehen.
Jeder Druck des Livre nach dem Dezember 1883 – also nach der Erstausgabe,
die undatiert ist –, in dem sich Besprechungen und Inserate deutlich häuften und zum Teil auf eine Neuerscheinung hinwiesen, könnte dagegen eine revidierte Ausgabe
des Erstdrucks, ein unveränderter Nachdruck oder eine Neuauflage des Livre gewesen
sein, die mir allerdings in dieser Form bibliografisch nicht nachweisbar waren. Die Spielart der stummen Tasten müsste indes ihrer Notation und dem Erstdruck stets vorangegangen
sein. Wahrscheinlich ist auch, dass wenigstens eine der Serenaden Burgmeins am 8. Mai 1885 im Weimarer Kreis und in Anwesenheit von Franz Liszt aufgeführt wurde, worüber
im folgenden Kapitel ebenfalls gesprochen wird.
*
Eine eigene, unsignierte Rezension des Notendrucks erfolgte einen Monat später, am 20. Januar 1884, in der Gazzetta Musicale unter der Überschrift Le Livre des Sérénades.
Nach einer allgemeineren Einführung wurden hier – auf Anfrage von Lesern der Gazzetta Musicale (worauf der Artikel eingangs verweist) – mehrere Bilder von Alfredo Edel und
Gedichte von Paul Solanges reproduziert, wobei man sich auf die Veröffentlichung im Dezember 1883 bezog und auf die Entstehung der Bereiche Musik, Dichtung und
bildende Kunst näher einging. [33]
Eine Rezension, die am 1. März 1884 in der Londoner Zeitschrift The Musical Times and Singing Class Circular veröffentlicht wurde, pries die Schönheit der Noten und
sagte zur Musik des Zyklus unter anderem: „Of the fifteen Serenades […] some are exceedingly good […] although occasionally unduly eccentric […].“ Angesichts des
großen Einflusses der Ausstattung des Bandes fragte sich der ungenannte Rezensent bei aller Wertschätzung, ob die Ausgabe nicht öfters auf dem Tisch des Wohnzimmers
(Salons) als auf dem Pult des Klaviers liegen werde. [33a]
Eine weitere unsignierte Rezension des Livre wurde aus der Gazzetta del Popolo della Domenica in der Gazzetta Musicale (39. Jg., Nr. 10, S. 99) vom 9. März 1884 unter
der Überschrift Bibliografia musicale nachgedruckt, und in demselben Jahrgang der Musikzeitschrift erschien noch dreimal ein gleichlautendes Inserat für drei Bearbeitungen aus dem Livre des Sérénades am 2., 9. und 16. November 1884. Hierbei ging es um
die Sérénade française für Violine und Klavier, die Sérénade napolitaine für Klavier und Violine oder Mandoline und die Sérénade mauresque ebenfalls für Klavier und
Violine oder Mandoline. Die Bearbeitungen dieser drei Serenaden stammten von dem damals berühmten Komponisten F[rancesco] Paolo Frontini (1860–1939). [34] – Zu den Bearbeitungen des Livre ist noch zu ergänzen: Der Ausstellungskatalog von 1892
(siehe hier) zeigt neben Frontinis Arbeiten noch die Serenata francese „(dal libro delle
Serenate)“ in einer Bearbeitung für Klavier am Ende von Burgmeins Werkverzeichnis (S. 168) an, die von dem Komponisten Niccolò van Westerhout (1857–1898) um 1886 stammt (siehe hier). Hinzu kommt noch eine Bearbeitung der Sérénade française für Streicher (Streichorchester), die in demselben Werkverzeichnis auf S. 167 unter
„Istrumenti Diversi“ aufgeführt ist und die, da andere Angaben fehlen, vom Komponisten selbst vorgenommen sein müsste (siehe hier).
Hinzu kommt noch eine Bearbeitung für großes Orchester von Giulio Ricordi (mir nicht
vorliegend), deren Partitur 1898 unter dem Titel Nymphes dans le bois. Nocturne bei Ricordi erschienen zu sein scheint. In diesem Werk, dessen Titel auch für ein Klavierstück
gilt, sind die Sérénade Allemande, Sérénade Espagnole, Sérénade Hongroise und Sérénade Mauresque vereint, wobei der Internet-Katalog den Zusammenhang mit dem Livre des Sérénade versichert und die genaue Orchester-Besetzung angibt. [34a]
Etwas beiläufiger sah ich, dass die Gazzetta Musicale di Milano von 1886 das Livre des Sérénades Burgmeins nochmals erwähnte, wobei gleichzeitig wie auf ein Hauptwerk
des Komponisten aufmerksam gemacht wurde. [35] Eine Besprechung von Burgmeins Livre wurde 1894 auch in Amsterdam veröffentlicht. [36]
Im Jahre 1889–1890 erschienen nochmals fünf Inserate für das Livre des Sérénades,
wobei jeweils auch eines der Bilder von Alfredo Edel reproduziert wurde. Diese Inserate machten im Mai 1889 sowie im Februar und März 1890 gleichfalls in der Gazzetta
Musicale di Milano auf folgende fünf Serenaden aufmerksam: 1.) Sérénade mauresque, 2.) Sérénade française, 3.) Sérénade vénitienne, 4.) Sérénade de
Polichinelle und 5.) Sérénade allemande. Wie schon 1883 wurden in den Jahren
1889/90 alle Inserate auf der Titelseite der Wochenzeitschrift platziert. Doch der Stil hatte sich gewandelt. Nicht wie zuvor (Abb. 8) wurden Umfang, Ausstattung, Verkaufspreise
oder die Widmung an den inzwischen verstorbenen Franz Liszt genannt. Die Texte beschränkten sich auf Details der Komposition, standen zentriert unter der zugehörigen
Abbildung Edels, verwendeten nur kleine Lettern und wirkten daher ebenso als ein Schmuck der Zeitschrift wie sie ihre Aufgabe als kommerzielle Anzeigen erfüllten. [37]
Schließlich fand ich ein Buch, das über Burgmein vergleichsweise ausführlich informiert
und das in gewisser Weise auch zur Datierung des Druckes beitrug, indem die Artikel zum Livre aus der Gazzetta Musicale vom 9. Dezember 1883 bzw. vom 20. Januar
1884 darin nachgedruckt wurden. Es handelte sich hier um Carteggio Verdi - Ricordi. 1882–1885, also die Korrespondenz zwischen Verdi und Ricordi in den Jahren 1882 bis
1885, die als kritische Ausgabe 1994 in Parma erschien und von Franca Cella, Madina Ricordi und Marisa Di Gregorio Casati herausgegeben war (Teilausgabe online: siehe hier
bzw. bibliografischer Zitierlink).
Kapitel 6 Die Widmung des Livre des Sérénades an Franz Liszt
Dass Liszt dem Verlag Ricordi durch seine Verdi-Transkriptionen für Klavier nahestand,
bezeugt unter anderem ein Inserat, das mehrfach in der Mailänder Zeitschrift Il Mondo Artistico zur selben Zeit und auch in derselben Ausgabe wie jenes für das Livre des
Sérénades Burgmeins veröffentlicht wurde. [38] Durch ihre in den Noten erschienene
Widmung an Franz Liszt (1811–1886), die auf Seite (5) aus den Worten „A Franz Liszt“ (Abb. 11) und einem gezeichneten Porträt Liszts (Abb. 10) von dem nicht eigens genannten bildenden Künstler und Fotografen Dante Paolocci (1849–1926) bestand, [39] wurden zwar einige Fragen der Datierung aufgeworfen, die sich jedoch, wie in Kapitel 5 gezeigt, lösen ließen. Ein Exemplar des Livre aus Liszts Besitz bot der Tutzinger Antiquar
Hans Schneider in dem Katalog Musik in Dur und Moll (2007) unter Nr. 44 an, und in einer Bemerkung zu dem Angebot hieß es: „Die Sammlung [der Sérénaden Burgmeins]
ist Franz Liszt gewidmet. Laut einem handschriftlichen Vermerk auf dem Widmungsblatt (Weimar, 17. August 1886; Unterlängen beschnitten) stammt der vorliegende Band aus
dem Nachlaß von Liszt. – Ausgezeichnet erhalten.“ Der Druck der Ausgabe zu vier Händen war, wohl von dem Antiquariat, auf „[1884]“ datiert. [40]
Liszt, der während seines Besuchs der Bayreuther Festspiele am 31. Juli 1886 verstarb,
ließ im Vorjahr zumindest in einem Weimarer Hauskonzert bei sich eine der Serenaden Burgmeins aufführen, wie das 1910 postum veröffentlichte Buch Franz Liszt in Weimar
und seine letzten Lebensjahre von Alexander Wilhelm Gottschalg (1827–1908) belegt.
Gottschalg, weimarischer Kantor und Hoforganist, war mit Liszt befreundet und hielt unter dem 8. Mai 1885 in einer Tagebuchs-Notiz fest:
Abb. 9 Tagebuchs-Notiz von A. W. Gottschalg in seinem postum veröffentlichten Buch
Franz Liszt in Weimar und seine letzten Lebensjahre hg. von C. A. René, Berlin: Glaue, 1910, S. 152
„8/5. [8. Mai 1885] Musikaufführung bei Liszt. Quartett von [Giovanni] Sgambati,
Sonate in A-dur von Sgambati für Violine ([Carl] Halir [Karel Halíř]) und Klavier
(Liszt), Liebesträume von Liszt, Serenade von Burgmein, Pseudonym von dem bekannten Verleger Ricordi in Mailand. Maibowle. Der Großherzog (sehr leutselig) anwesend.“ [41]
Abb. 10 Franz Liszt mit eigenhändiger Unterschrift (spätestens 1883)
Zeichnung von Dante Paolocci Reproduktion aus der Gazzetta Musicale von 1889, vgl. Anm. [39], letzter Absatz
Abb. 11 Jules Burgmein, Le Livre des Sérénades, Widmungsblatt für Franz Liszt
Links oben die Zeichnung von D. Paolocci (siehe Abb. 10), nach dem Exemplar des Verfassers
Die folgenden Absätze dieses Kapitels sind Nachträge von Ende April und Juli 2013. Unter anderem steigt durch sie die Wahrscheinlichkeit, dass im Mai 1885 zumindest ein Teil des Livre des Sérénades „bei Liszt“ (Gottschalg, siehe Anm. [41]) in Weimar zur Aufführung kam, auch falls Liszt dabei nicht selbst Klavier gespielt haben sollte.
In Liszts letztem Briefkonzeptbuch von 1883–1886 ist der Entwurf eines Briefes
an „Ricordi“ (das ist Giulio Ricordi) enthalten, der einigen Aufschluss über die Geschehnisse gibt und in dem das Livre des Sérénades eine zentrale Rolle spielt. [42] Das besitzende Archiv der Klassik Stiftung Weimar ordnete den nicht datierten Entwurf
dem „Dezember 1883“ zu, [43] was gut übereinstimmt mit der Datierung des Druckes in Kapitel 5 und dem versandten Brief (siehe unten). Der auf Französisch handschriftlich ausgefertigte, mit vielen Korrekturen versehene und zum Teil schwer leserliche Entwurf
war entstanden, nachdem Liszt Belegexemplare des Livre des Sérénades erhalten und von dem Werk und seiner Notenausgabe einen Eindruck gewonnen hatte.
Da Liszt sich zunächst erkundigte, ob Ricordi einen Komponisten namens „Burgmein“
kenne, darf man davon ausgehen, dass er entweder nichts von dem Pseudonym Giulio Ricordis wusste oder dazu sagen wollte, um seine Meinung über das Livre vielleicht
offener aussprechen zu können. Er zählte seinen Verfasser indes zur besseren Art von Komponisten und lobte den Zyklus der fünfzehn Serenaden sowie seine Edition
außerordentlich (« quel merveilleux joyau » / „welch wundervolles Schmuckstück“),
wobei er die Dichtungen von Paul Solanges, die Illustrationen von Alfredo Edel und drei Serenaden (Sérénade Egyptienne, Sérénade de Polichinelle und Sérénade Chinoise)
namentlich erwähnte. Insgesamt versichert er im Hinblick auf die Ausgabe: « Rien de
comparable ne s’est montré jusqu’à présent parmi les publications musicales. » / „Nichts
Vergleichbares hat sich bis zur Gegenwart bei den musikalischen Veröffentlichungen sehen lassen.“ Auf die stummen Tasten ging Liszt nirgends näher ein. (Zur Auffindung der
Reinschrift des von Liszt versandten Briefs, nicht seines Entwurfs, siehe den übernächsten Absatz.)
Die Widmung des Werkes war Liszt offenbar sehr lieb, und er gab seiner Zuversicht
Ausdruck, dass man diese Musik bald überall hören werde. Die drei Belegexemplare, die man ihm geschickt hatte, seien, wie er in dem Entwurf des Briefes schreibt,
bei Personen, welche die Serenaden kennenlernen wollten. Vermutlich waren zwei Drucke für ein eingespieltes Klavierduo, der dritte für Liszt persönlich bestimmt. Deutlich
wird, dass Burgmein die Noten seines neuen Werkes Liszt als einem der Ersten schickte und dass Liszt umgehend antwortete. Offenbar wurde ein aus dem Entwurf
hervorgegangenes Schreiben an Giulio Ricordi auch tatsächlich versandt (siehe unten); ob
es heute noch erhalten ist, vermag ich aber nicht zu sagen. Ebenso entziehen sich meiner jetzigen Kenntnis die Fragen, an wen Liszt die Noten des Livre seinerzeit weiterreichte,
welche Sérénade 1885 in Weimar zur Aufführung kam und wer ihre beiden Pianisten waren.
*
Im Juli 2013 fand ich eher zufällig, dass die Reinschrift von Liszts eigentlichem Brief an
Giulio Ricordi (Burgmein) vollständig als Faksimile abgedruckt worden war, und zwar auf Seite 31–33 des deutschsprachigen, 1892 zur „kleinen Weltausstellung“ in Wien
veröffentlichten Kataloges G. RICORDI & Co. (siehe hier). Der Brieftext war nunmehr
sauber ausgeführt und so gut wie ohne Lücken leserlich (wodurch sich manche Stelle des Entwurfs klären ließ). Im Unterschied zu dem Entwurf war dieser Brief am Ende datiert:
„31 Décembre, [18]83 | – Weimar.“, so dass er Burgmein erst zu Beginn 1884 erreicht haben kann. Insgesamt stimmte der Brief mit seinem Entwurf weitgehend überein (auch
hinsichtlich der Wertschätzung des Klavierzyklus), doch beschränkte sich der von Liszt versandte Brief allein auf das Livre des Sérénades und klammerte die Thematik der
Claviharpe ganz aus; vgl. Anm. [42] unter (3). – Etwa zwei Monate später erfuhr ich von
Frau Prof. Mária Eckhardt in Budapest (durch dieselbe E-Mail, die in Anm. [45] angegeben ist), dass der fragliche Liszt-Brief auch 1936 abgedruckt wurde. [43a]
Zwar schloss Liszts Brief an Giulio Ricordi vom 31. Dezember 1883 mit der Bitte,
Exemplare des Notendrucks auch nach Budapest zu schicken, wo er [Liszt] in fünfzehn Tagen (Mitte Januar 1884) sein werde, doch ließ sich seine Anwesenheit erst im Februar
1884 feststellen. [44] Wie mir Frau Prof. Mária Eckhardt (Budapest, Research Director der Liszt Academy) freundlicherweise mitteilte, fuhr Liszt in jener Zeit zwar regelmäßig
Mitte Januar nach Budapest, um dort an der Akademie zu unterrichten, [45] Anfang
1884 gab es jedoch zwei Gründe, diese Reise zu verschieben und knapp drei Wochen später als geplant nach Budapest zu kommen: Zum einen wurde Ende 1883 Liszts
Kammerdiener Achille Colonello, der mit nach Budapest kommen sollte, sterbenskrank [46] und verschied bald darauf am 1. Februar 1884. Diesen betrachtete Liszt, den der
Verlust sehr schmerzte, als den besten Kammerdiener, den er je hatte, besuchte ihn auch im Krankenhaus und bot nach seinem Tod an, von Budapest aus die Rechnungen des
Krankenhauses sowie die Kosten für das Begräbnis und einen Grabstein zu begleichen. [46a] Zum andern fühlte sich Liszt seinerzeit selbst unwohl und war mehrfach gezwungen,
Reisen zu verschieben; [47] da er aber über Pflichtgefühl verfügte und wusste, dass er an
der Budapester Musikakademie erwartet werde, unternahm er schließlich die Reise von Nürnberg aus nach Budapest, wo er am 4. Februar 1884 eintraf. [48]
In der Musik des Livre des Sérénades verweist eine Stelle auch deutlich auf Franz Liszt:
Gemeint ist Liszts Übertragung einer Orgel auf das Klavier, die Burgmein noch verstärkt durch die Vorschrift „religioso“. Die Überschrift dieses Schlussteils der dritten Serenade
lautet: „ORGUE dans l'église: la Sérénade s'éloigne“ / Orgel in der Kirche: die Serenade entfernt sich. [48a] Dies ist neben der Widmung des Zyklus vielleicht der persönlichste
Bezug auf Liszt, der sich in den Noten kundtut. [48b]
Kapitel 7 Schlussbemerkung
Vielleicht sind Burgmeins stumme Tasten – einst ein etwas unverständlicher, „bizarrer“
Fremdkörper, den vor allem sein geografisch und kulturell Abseitiges von der westlichen Welt, seine „Exotik“ rechtfertigte – eine seiner hervorragendsten Entdeckungen und
Bereicherungen gewesen, zumindest aus musikgeschichtlicher Sicht. Er trachtete nämlich einen Klang nachzubilden, den es anderweitig vielleicht bereits gab, der aber nicht auf
dem Klavier vorhanden schien und erst in der Übertragung auf dieses Instrument seine in die Zukunft weisende Bedeutung entfalten sollte. Es lässt sich dabei freilich vielerlei
vermuten, welche Funktion der Klang für Burgmein hatte und warum er gerade ihn in eine „Chinesische Serenade“, als eine Art Chinoiserie, einbezog. Auch wenn Burgmein, trotz
aller Verdienste, zu seiner Zeit kein revolutionärer Avantgardist gewesen sein dürfte und die stummen Tasten sich bei ihm „nur“ einer allgemeinen Anlehnung und möglicherweise
nicht einmal der Nachahmung eines allein in China anzutreffenden wirklichen Klangs oder Instruments verdankten (von Hornbostel bezweifelt eine tiefere Beziehung zu China), hat
seine Entdeckung der stummen Tasten gleichwohl Bestand und war sicherlich ihrer Zeit voraus. Denn erst viel später zog man diese Spielart auch in solchen Kompositionen auf
dem Klavier heran, welche nichts mit dem „Reich der Mitte“, künstlichen Äolsharfen oder der Imitation eines Gongklangs zu tun hatten, die anderen, atonalen, zwölftönigen oder
auch seriellen Gesetzen folgten, den neuen Klang als eigene Farbe werteten und ihn, ohne der Herkunft oder seiner vielleicht bestehenden Ähnlichkeit mit Vorhandenem zu achten,
gleichsam abstrakt und selbständig verwendeten.
Die Kreise, die sich der stummen Tasten nun bedienten, waren eher intellektuell sowie
fortschrittsbewusst und grenzten sich lieber ab, als dass sie unbesehen etwas aufgriffen, beriefen sich im Fall der stummen Tasten aber meines Wissens immer nur auf Arnold
Schönberg. Burgmein und seine Verdienste um diese Entdeckung kamen nirgends zur Sprache, da man, gleich mir, den Namen dieses Komponisten nicht mehr kannte und
von seiner Musik auch nichts mehr wusste. Der „Salonkomponist“ Burgmein, dem Glanz, Gewandheit und Eleganz nicht abzusprechen sind, konnte nicht ahnen, wie fruchtbar sein
Ansatz sein werde und dass seine Entdeckung, die scheinbar noch fehl am Platze war, erst eines zweiten Komponisten bedurfte, bevor sie, unter Auslassung seiner eigenen
Person, Jahrzehnte später in anderem und jetzt modernem Kleid an die Öffentlichkeit treten und erst hierdurch zu einer akzeptablen und öfters gebrauchten Innovation werden
konnte. Diese wurde teilweise gleichsam zu einem Zeichen der radikalsten Moderne und später zu einer fast schon selbstverständlichen und keiner Rechtfertigung mehr bedürftigen
Konvention. Schon aufgrund dieser Entwicklung ist zu begrüßen, dass der Komponist Burgmein die Möglichkeit hatte, seine Ideen in Notenform zu veröffentlichen, und dass
von Hornbostel etwa neun Jahre nach Burgmeins Tod die Gelegenheit ergriff, auf ihn und sein Werk aufmerksam zu machen.
Die Frage, ob und wie sehr Franz Liszt sich der stummen Tasten annahm, kann von mir nicht abschließend beantwortet werden. Zwar brachte er diese instrumentale Errungenschaft in dem Entwurf und dem darauf gründenden Dankesbrief an Ricordi
(Burgmein) nicht zum Ausdruck – wenngleich er in beiden Dokumenten seine hohe Wertschätzung dreier Serenaden, darunter die Sérénade Chinoise, betonte. Soweit ich
dies übersehe, bezog Liszt die stummen Tasten aber nirgendwo in seine eigenen Kompositionen ein, und in späterer Zeit berief sich bei ihrem Gebrauch auch niemand auf
sein Vorbild. Fraglos kannte Liszt durch Burgmeins Serenaden aber diese Spielart des Klaviers.
Hinweisen möchte ich noch darauf, dass sich der in Florenz lebende Komponist
und Pianist Giancarlo Cardini Mitte der 1980er Jahre nachhaltig für Burgmein einsetzte. Zunächst verfasste er den Aufsatz Un musicista ritrovato: Giulio Ricordi, der in der Nuova Rivista Musicale Italiana (18. Jg., Nr. 4, 1984, S. 572–588) erschien, dann
gab er eine Notenausgabe von Jules Burgmeins Klaviermusik heraus (1985), und endlich nahm er als Pianist eine Schallplatte von dieser Klaviermusik auf (1986), wobei sowohl
die Notenausgabe wie die Schallplatte den Titel trugen Il salotto di Giulio Ricordi („Der Salon von Giulio Ricordi“). [49]
Meiner Meinung nach sollte Burgmeins Zyklus Le Livre des Sérénades, der wohl nur
(wenn überhaupt) fragmentarisch eingespielt ist, vollständig auf einem Tonträger verlegt sein, da er deutlich über den Klang der stummen Tasten als bemerkenswerter
Besonderheit hinausgeht und zum Teil wohl auch für die Musikgeschichte mehrerer Länder von Bedeutung ist. Eine farbige Digitalisierung oder ein vergleichbarer Nachdruck
der ursprünglichen vierhändigen Notenausgabe für Klavier seien in diesem Zusammenhang ebenfalls angeregt, da man der schon in den ersten Besprechungen oft
hoch gepriesenen Erstausgabe nur schwer ansichtig werden kann, auch wenn der Druck hinreichend verbreitet zu sein scheint. Die stummen Tasten und die Widmung an Franz
Liszt, Paoloccis Liszt-Zeichnung, die Illustrationen Alfredo Edels oder die Gedichte von Paul Solanges sind jedenfalls nur einige der Elemente, die dieser Partitur auch gegenwärtig
die Aufmerksamkeit eines Publikums sichern, vorausgesetzt man nimmt die Musik, den Kern des Ganzen, als das, was sie ist. Es handelt sich hier um ein Dokument seiner Zeit,
um nicht mehr, aber doch auch nicht um weniger, und es macht keinen Sinn, es nur daran zu messen, was heute gefragt oder üblich ist. Die außergewöhnliche Schönheit und große
Kraft dieser Partitur überschreiten deutlich die Lebensjahre ihres Komponisten, entziehen sich mehr und mehr einer modischen Vorgabe und alltäglichen Bedingtheit, überdauern
die Zeiten und überstrahlen sie beispielhaft.
Dezember 2012 – August 2013, zahlreiche Nachträge
Abb. 12 Jules Burgmein, Le Livre des Sérénades, vorderer Umschlag, außen
Nach dem Exemplar des Verfassers, vgl. Anm. [50]
Abb. 13 Vorspann von J. Burgmeins Le Livre des Sérénades, innen
Herkunft: wie in Anm. [26]
Abb. 14 Jules Burgmein, Le Livre des Sérénades, hinterer Umschlag, außen
Allgemeines und zur Inschrift „ARS ET LABOR“ auf den drei zentralen Ringen vgl. hier Nach dem Exemplar des Verfassers, vgl. Anm. [50]
Anmerkungen
[1] Zur Schreibweise von „Burgmein“ vgl. Anm. [5]; von dem Gebrauch eines Pseudonyms vgl. den folgenden Haupttext mit Anmerkungen. – Erich M[oritz] v[on] Hornbostel (1877–1935), Musikalischer Exotismus, in: Melos. Monatsschrift für Musik, hg. von Fritz Windisch, 2. Jg., Heft 9, Berlin, 1. Juli 1921, S. 175–(182); hier der Download des gesamten Bandes 1921. Die englische Wikipedia zeigt u. a. ein Foto von Hornbostels.
In der italienischen Wikipedia steht hier eine kurze Biografie von Burgmein, wobei (wie in der französischen Wikipedia-Ausgabe) auch sein Bildnis und eine Auswahl aus seiner Werkliste einbezogen wurden. Zu der Werkliste siehe den vorletzten Absatz von Anm. [6]. Eine Fotografie aus späterer Zeit ist hier aufrufbar.
Ein Nachruf auf den Komponisten, Herausgeber und Verleger erschien von Vito Fedeli [1866–1933] in: Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft, 13. Jg., Nr. 10/11,
hg. von Alfred Heuß, Leipzig: Breitkopf & Härtel, [zweites Halbjahr] 1912, S. 375, Notizen, wo es hieß:
„A Milano cessò di vivere improvvisamente, poco più che settantenne, una delle
più interessanti personalità del nostro mondo musicale: Giulio Ricordi, capo della nota ditta editrice. Era una simpatica figura di gentiluomo-industriale, d’artista
eclettico e di scrittore polemista arguto e vivace. Per molti anni diresse la Gazzetta
Musicale di Milano, l’eccellente periodico che molto contribuì a diffondere in Italia
l’interesse e la coltura dell’ arte. Era anche un garbato e delicato compositor.
Sotto lo pseudonimo J. Burgmein pubblicò molti lavori tenui e graziosi per pianoforte a due e a quattro mani e qualche pezzo vocale come il coro a quattro
parti «La vergine di Sunam» che viene eseguito con successo dalle nostre società corali miste. Scrisse recentemente anche un Klavier-Trio un’ operetta
d’ argomento classico letterario italiano: La secchia rapita [Alessandro Tassoni, Der geraubte Eimer, Hamburg 1781 bzw. Leipzig 1842]. Come capo della casa
editrice è ben nota la sua operosità: egli lascia nella musica italiana, particolarmente
nello sviluppo dell’ opera teatrale, un’ « orma profonda e incancellabile ».
Vito Fedeli.“
Vgl. auch: Giovanni Masutto, Maestri di musica italiani del secolo XIX. Notizie biografiche, Terza edizione coretta ed aumentata, Venezia: Prem. Stab. Tipografico
di Giovanni Cecchini, 1884, S. 154, linke Sp., Artikel „RICORDI, GIULIO D[I] TITO“ ohne Erwähnung des Livre des Sérénades. Vorwort des Lexikonverfassers, Seite (3)
datiert: „Venezia, 31 ottobre 1882.“, Appendice S. (203) datiert: „Venezia, 30 marzo 1884.“, ohne Nachtrag zu Giulio Ricordi. Download des Buches hier. – Ferner: Luigi Alberto Villanis, L’arte del Pianoforte in Italia (da Clementi a Sgambati), Torino:
Fratelli Bocca, Editori, 1907, S. 221–222 (Download). Das Livre des Sérénades ist
nur als Titel auf S. 222 (unten) erwähnt.
Eine Übersicht über Burgmeins Werke bieten die Webseiten http://opac.sbn.it
(Catalogo del Servizio Bibliothecario Nazionale, als Suchwort eingeben: „Burgmein“) sowie der Ausstellungskatalog G. RICORDI & C. („Internationale Musik = und = Theater = Ausstellung 1892 – WIEN – 1892“ [7.5. bis 9.10.1892]), Mailand: Drucker
und Verleger G[iovanni] Ricordi & Co., Umfang: 168 Seiten. In diesem großen Katalog, dessen Format DIN A4 etwas überschreitet, ist auch die ausführlichste mir bekannte
Biografie Giulio Ricordis zu finden, welche den Werdegang der Verlagsleiter seit Gründung des Verlags Ricordi bis zur Zeit der Veröffentlichung des Katalogs auf Seite
(6) bis 38 beschreibt. Da Giulio Ricordi, dem im biografischen Teil die Seiten 23–34 gewidmet sind, bei Publikation dieses Wiener Katalogs (1892) auch Direktor von Ricordi
war, kommt den Angaben hier besonderes Gewicht zu. Ein Porträt Giulio Ricordis ist auf S. (22) zu sehen (Abb. 1), und Jana Henck sei gedankt für die fotografische Erfassung
des Bildes. Dem biografischen Teil schließen sich in dem deutschsprachigen Katalog an: je ein Kapitel über den Verlag und seine Werkstätten, eine Reihe von Brief-Faksimiles
zum Teil weltberühmter Komponisten, der Autografenbesitz des Verlags, eine Liste der in Wien im Jahre 1892 ausgestellten Manuskripte (hier auf Seite 139 La Valse des Anglaises von J[ules] Burgmein) sowie auf S. 165 bis 168 das Werkverzeichnis Compositionen von J. Burgmein (nach Besetzungen, undatiert; S. 167: „Le Livre des
Sérénades“). Der Brief Liszts vom 31. Dezember 1883 (siehe oben) steht in dem
biografischen Abschnitt über Giulio Ricordi auf den Seiten 31–33. Durch diesen Brief Liszts stellt der ungenannte Biograf Burgmeins Schaffen ins Licht eines der damals
angesehensten Musiker, streift aber sonst das Livre des Sérénades nur kurz (S. 28, oben). – Zur Wiener Ausstellung vgl. Theophil Antonicek, DIE INTERNATIONALE
AUSSTELLUNG | FÜR MUSIK- UND THEATERWESEN | WIEN 1892, Wien 2013, © 2013 Theophil Antonicek, ISBN 978-3-200-03004-6), Umfang: (370) Seiten; im Internet hier (mit dem freien Download des Buchs).
Vgl. auch den Artikel Ricordi, Giulio, in: Angelo di Gubernatis, Piccolo Dizionario dei
Contemporanei Italiani, Roma: Forzani E. C. Tipografi del Senato, 1895, S. 755 (Download).
Weitere Informationen über Burgmein werden hier angezeigt; siehe auch Anm. [3] zu veröffentlichtem Briefwechsel.
In Deutschland findet sich ein kleiner Artikel und die Auflösung des Pseudonyms in: Paul Frank und Wilhelm Altmann, Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon von 1936 (Neudruck
als 15. Aufl., © 1971), S. 86: „BURGMEIN, J., ps. = RICORDI, Giulio“ sowie auf
Seite 500 unter „RICORDI, Giulio“ (nähere bibliografische Angaben zu diesem Lexikon in Anm. [6], Mitte des dritten Absatzes).
Als in Rollenform existent wurden mir folgende historische Tonaufnahmen (die ich freilich nicht hörte) bekannt: Duo-Art, No. 6905 BURGMEIN (G. RICORDI) - Florinda etc.
„Venetian Carnival“ Robert Armbruster [Piano] sowie Duo-Art, No. 7069 BURGMEIN (G. RICORDI) - Pierrot and Pierette’s Love Story | Harold Bauer &
Myra Hess [Piano] (vgl. Duo-Art Rolls - American Audiographic, No. A-67). – Belegt in: Albert M. Petrak (Hg.), The Reproducing Piano Roll Foundation. Duo-Art
(Catalog), MacMike © 1998, unpaginiert. Download Link: hier. Die mit Myra Hess und
Bauer zwischen 1923 und 1926 entstandene Aufnahme wurde im Oktober 1926
veröffentlicht; beide Datierungen erfolgten im letzten Link durch den Aufsatz Dame Myra Hess von Steve Rattle.
[2] Zur deutschen Herkunft des Namens vgl. auch den letzten Satz von Anm. [25]. Zum gleichzeitigen Gebrauch von Pseudonym und Geburtsnamen vgl. am Ende von Anm. [38].
Die Herkunft des Pseudonyms J. Burgmein ist in oben stehendem Wiener Katalog von 1892 (siehe hier) in der Biographie von Giulio Ricordi (S. 29, untere Hälfte: Signatur
eines Stückes „mit einem deutschen Namen“) ohne weitere Einzelheiten genannt.
[2a] Vgl. etwa die folgende Briefausgabe: Giuseppe Verdi, Briefe, hg. und eingeleitet
von Franz Werfel, übersetzt von Paul Stefan, Berlin – Wien – Leipzig: Paul Zsolnay Verlag, 1926; zu Giulio Ricordi, seinem Vater Tito und dem Großvater Giovanni passim.
– Hier ist auch jene „selbstbiographische Skizze“ über seine „dunkelste Lebenszeit“
abgedruckt, die Verdi 1879 Giulio Ricordi in Sant’Agata diktiert hatte (S. 47–61); download dieser Briefausgabe hier.
Inzwischen erschien: Carteggio Verdi – Ricordi, 1882–1885, Parma: Instituto Nazionale
de Studi Verdiani, 1994, S. 380–384 (Appendice 24), et passim. Vgl. im Haupttext hier.
[3] Viele Schriftstücke Giulio Ricordis sind von der Plattform Internet Culturale als
Faksimile (Copialettere) abrufbar; vgl. den Link in Anm. [29].
[4] Vgl. den Artikel Ricordi, Giovanni (auch zu Tito und Giulio Ricordi), in: Hugo Riemanns Musiklexikon, 11. Auflage, bearbeitet von Alfred Einstein, Bd. 2, Berlin: Max Hesses Verlag, 1929, S. 1513, linke Spalte.
[5] „Burgmein“ wurde sehr selten auch „Bourgmein“ oder „Bürgmein“ geschrieben; siehe
auch Anm. [25].
[6] In einem Lexikon fand sich folgender Artikel: Ricordi, Giulio, in: Musicalisches Conversations-Lexikon, begründet von Hermann Mendel, vollendet von August
Reissmann, Ergänzungsband, Berlin: Verlag von Robert Oppenheim, 1883, S. 392. Hier ist das Geburtsjahr zwar mit „1835“ (anstatt mit 1840) angegeben, doch wurde beim
Erscheinen des Lexikons (1883) bereits gesagt, dass sich Ricordi „durch
gegen 200 Compositionen verschiedenen Genres, darunter Quartette, Trios, Etuden,
und die Musik zu einem Ballet, aufgeführt in Mailand (La Scala) und Clavierkompositionen“ durchaus bekannt gemacht habe. Ferner zeichne er für seine
Verlagswerke eigenhändig „die sehr hübschen Titelblätter“. Ein Pseudonym wird nicht erwähnt. (Download des Lexikons hier).
Als ein Beispiel für Burgmeins musikalischen Stil ließ sich der populäre Tramway. Galop caratteristico finden, den Franco Meoli für YouTube aufnahm. Das Klavier war zwar
ganz im Vordergrund, der Vorschrift gemäß kamen aber Schellen, eine Triangel und ein Signalhorn zum Einsatz, und Bilder aus der Notenausgabe wurden eingeblendet; vgl. hier. Eine Übersicht über Burgmeins Schaffen steht auch in dem Artikel über den Komponisten in der italienischen Wikipedia-Ausgabe (siehe Anm. [1]). Dabei fällt auf, dass Klavierwerke (für 2 oder 4 Hände) einen bedeutenden Teil seines Schaffens ausmachten. Das Livre des Sérénades ist hier nur unter den Werken „Per orchestra“ verzeichnet,
doch könnte es sich um eine Bearbeitung der Klavierfassung handeln. Veröffentlicht
finden sich Klavierfassungen freilich weitaus häufiger als Fassungen für Orchester. – Indes konnte ich folgenden Eintrag nachweisen: [Unsignierte redaktionelle Mitteilung], in: Musikalisches Wochenblatt / Neue Zeitschrift für Musik („Vereinigte Leipziger
musikalische Wochenschriften“), hg. von Carl Kipke, 37. Jg., No. 42, Leipzig, 18. Oktober 1906, S. 739, rechte Spalte unter Lugano am Ende der Rubrik Konzertprogramme; hier die Aufführung der Sérénade Française von „G. Burgmein“
[sic] in einem Konzert des Orchesters du „Château de Trevano“ (L. Lombard) am 15.
April [1907]. Dieser zunächst nicht sehr aufregende Nachweis erhielt jedoch eine gewisse Bedeutung, da hier hinter „L. Lombard“ der in die USA ausgewanderte Komponist und
Dirigent „Louis Lombard“ (1861–1927) stehen muss, der durch seine Heirat ein sehr vermögender und zumindest infolge seiner Bücher damals auch ein bekannter Mann
gewesen zu sein scheint. Lombard kaufte in Trevano ein Schloss und richtete dieses als musikalischen Mittelpunkt ein. (Trevano liegt knapp 30 km südlich von Lugano und nahe
bei Como, und ist etwa 10 km weit entfernt von der Schweizer Grenze.) Lombards Buch, Observations d’un Musicien Américain (Paris: Louis Theuveny, 1905), das er Jules
Massenet (1842 bis 1912) widmete, enthält anfangs eine „Note de l’Éditeur“, die den Lebensweg Lombards beschreibt (Le Chateau de Trèvano). Zudem enthält der aus dem
Englischen übersetzte Band mehrere Fotos des Schlosses. Jules Burgmein oder seine Sérénades kommen darin aber nicht vor. – Über das Orchester heißt es auf S. IX: « Un
orchestre composé exclusivement d’éléments de choix, surtout de professeurs de conservatoires, est dirigé par Louis Lombard luimême, chef d’orchestre plein
d’originalité et de sentiment, d’une précision et d’une rigidité absolue. » Download des gesamten Buches hier. In diesem Buch lässt sich auf der letzten bedruckten Innenseite in einem umfangreichen Verzeichnis Œuvres de LOUIS LOMBARD die Vorform eines Werkverzeichnisses erblicken. Dabei fällt auf, dass einige Werke Lombards bei Ricordi in
Milano verlegt worden waren. – Vgl. auch den Aufsatz von Carlo Piccardi, Percorsi di vita musicale, in: La Musica nella Svizzera Italiana, hg. von Carlo Piccardi, Reihe: Bloc notes 48, giugno 2003, S. 11–100 [Teilausgabe nicht verlinkbar, aber als Datei
abrufbar über Google]; hier besonders S. 13 und 48. Siehe zudem den Text hier mit
lexikalischen Informationen über Louis Lombard. – Vgl. auch die Rezension: von Salvatore Farina, Musica al Castello di Trevano, in: Gazetta Musicale di Milano, hg.
von Giulio Ricordi, 57. Jg., Nr. 18, Milano, 1. Mai 1902, Seite 252–253, am Ende unterschrieben: „Lugano, 27 Aprile 1902“.
Louis Lombard erscheint heute nicht mehr in den Musiklexika, doch einige Angaben konnte ich älteren Nachschlagewerken entnehmen oder solche auch bestätigen: [Artikel] LOMBARD, Louis, in: International Who’s who in Music and Musical
Gazetteer. A Contemporary Biographical Dictionary and a Record of the World’s Musical Activity, hg. von César Searchinger, New York: Current Literature Publishing
Company, 1918, S. 380. Ferner: [Artikel] LOMBARD, Louis, in: Paul Frank und Wilhelm Altmann, Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon, 1. Teil (Neudruck der Ausgabe
von 1936), 15. Aufl., Wilhelmshaven: Heinrichshofen’s Verlag, Copyright 1971, unveränd. Nachdruck 1983, Seite 361. Der hier erschienene Artikel ist die leicht
ausführlichere Fassung des Artikels in dem Kurzgefaßten Tonkünstlerlexikon, 12. Auflage, Leipzig: Merseburger, 1926, S. 228–229. Eine Übersicht über die
Kompositionen oder Veröffentlichungen Lombards war in diesen Artikeln jedoch nicht gegeben, und so bleibt eine Gesamtschau seines Schaffens künftigen Zeiten vorbehalten.
– Über die Geschichte des Schlosses liest man u. a. bei Marcus Bernard Hartmann (Dillingen an der Donau) in den Anmerkungen zu seiner Novelle Vom Buche eines Reisenden; vgl. über das Schloss in Trevano (mit Foto) hier.
Weiterhin ist bemerkenswert, dass Burgmein auch eine Battaglia op. 65 schrieb
(La Battaglia di S. Martino), die mir aber ebenfalls nicht vorlag und die eventuell auf
notierte Klaviercluster zu untersuchen wäre. Auch in der französischen Ausgabe der Wikipedia steht Le Livre des Sérénades gleich zu Anfang des Werkverzeichnisses unter
„Œuvres pour orchestre“, fehlt aber ebenso bei den „Pièces pour piano“. Einzelne Sätze der Sérénades wurden aber zweifellos für Orchester instrumentiert und erschienen kurz
vor der Jahrhundertwende. Andere Stücke aus dem Livre wurden für kammermusikalische Besetzungen bearbeitet (siehe Anm. [34] im Haupttext).
Einige wenige Stücke von Burgmein sind noch auf YouTube zu finden, doch ist die
anzutreffende Auswahl hier wohl nicht repräsentativ genug, um weitere Schlüsse daraus abzuleiten.
[6a] Freundliche Auskunft (E-Mail) von Herrn Andreas Strieder, „Stiftung Deutsches
Rundfunkarchiv“, Frankfurt am Main, am 3. September 2013.
[7] Erst Anfang Februar 2013 erhielt ich einen vollständigen Scan von Burgmeins Sérénade Chinoise durch Herrn Dr. Manfred Kammerer, den Leiter der Bibliothek des
Salzburger Mozarteums, wobei mir Herr Dario Garau Setzu (Cagliari, Sardinien) sehr behilflich war. Im Online-Katalog der Universitätsbibliothek Mozarteum hatte Letzterer den Druck hier gefunden (Titeldaten neu eingeben). – Sowohl Herrn Dr. Kammerer wie
Herrn Garau Setzu sei vielmals gedankt für ihre Unterstützung. Zu einem eigenen Exemplar des Drucks vgl. auch Anm. [50].
[8] Die antiquarischen Angaben stammen aus folgendem Angebot bei „AbeBooks“
(siehe hier).
Zu Paolocci siehe Anm. [39].
Von J. Mascardi wurde auch eine Fassung für Klavier zu 2 Händen angefertigt
(« arrangée pour Piano à deux mains par J. Mascardi »), die spätestens im Jahre 1897 im Druck erschien (Milano: Ricordi). Man hat jedoch zu berücksichtigen, dass die
so bearbeiteten Serenaden Burgmeins nur einzeln und möglicherweise auch nicht vollzählig
verlegt wurden. Der Druck lag mir nicht vor. – Ebenso lag mir nicht die Instrumentierung der Sérénade indienne von Arturo Diana vor, die erst 1914 bei Ricordi veröffentlicht
wurde.
[8a] Eine Anmerkung in der „Table“ am Anfang des Livre des Sérénades mit der
Aufzählung der Serenaden besagt mit Verweis auf die Sérénade mauresque: „La même pour Chant = No. 48409“ (S. 98). Diesem Hinweis nachgehend ließ sich folgende
Ausgabe finden: J. Burgmein (recogidas [Sammlung]), Dos melodias moriscas, canto et piano, testo espanol e italiano [Gesang und Klavier, Text spanisch und italienisch]. Nr.
[lastra (Plattennummer)] 48409. Diese Noten, die mir nicht vorlagen, wären unter Umständen mit der Sérénade Mauresque zu vergleichen.
[8b] Vgl. Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren
seines Lebens, Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1981, Kapitel 298 über den neapolitanischen „Pulcinell“; ebenso Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise,
München: dtv, 1997, Kapitel 85 und 86. – Franz Grillparzer, Tagebuch auf der Reise nach Italien (Mai 1823, Neapel).
[8c] Giulio Ricordi gab in Mailand nach der Jahrhundertwende auch eine Zeitschrift
mit dem Titel Ars et Labor heraus, die den Untertitel hatte Musica e Musicisti. Revista Mensile Illustrata und zum Teil online vorliegt (vgl. hier).
[8d] Horst Seeger, Musiklexikon in zwei Bänden, Zweiter Band, L–Z, Leipzig: VEB
Deutscher Verlag für Musik, 1966, S. 343, rechte Spalte.
[9] Veröffentlicht in Melos (wie Anm. [1], erster Absatz). – Von Hornbostel stellte
in seiner Transkription die beiden Teile der Instrumentalisten („Primo“ und „Secondo“),
welche im Druck wie üblich auf einer linken und einer rechten Seite nebeneinander stehen, in seinem Notenbeispiel übereinander, um die Beziehung der Stimmen und die Ausführung
für 4 Hände vermutlich sinnfälliger zu machen.
[10] Hinsichtlich der manchmal nur in einer Stimme des 4-händigen Satzes zu findenden
Fermaten oder des Ausdrucks „lunga“ scheint es mir angebracht, die Noten von Bass- und Diskant-Spieler genau anzugleichen, so dass beide stets dieselben rhythmischen
Vorschriften zu lesen und auszuführen haben. Dies gilt sowohl für das Notenbeispiel von Hornbostels als auch für Burgmeins Druck.
[11] Bei den Flageoletten für das Klavier, der rautenförmigen Notation und den kleinen,
eingeklammerten Kreisen oberhalb der stummen Anschläge handelt es sich bei Schönberg
eigentlich nicht um echte Flageolette, die sich auf dem Klavier ja durch stumme Berührung einer Saite während ihres Anschlags ausführen lassen. Die Gemeinsamkeit von stummer
Taste und Flageolett ist zwar in beiden Fällen durch die dem Anschlag vorausgehende „Stummheit“ des Tastensenkens oder der Saitenberührung vorhanden, dann auch durch
hörbare Obertöne, die gelegentliche Gleichsetzung von Obertönen mit „Flageolett-Tönen“ und eine vage Ähnlichkeit der entstehenden Klänge. Nicht aber ist diese Gemeinsamkeit
durch eine Spielart bedingt, die das Streicher-Flageolett auf das Klavier überträgt. Das echte Flageolett wird durch Berührung der schwingenden Saite mit einem oder mehreren
Fingern hervorgerufen, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Schwingungen der Saite durch Anstreichen, Anblasen, Anzupfen, Anschlagen oder durch andere
Manipulationen erzeugt werden. Natürlich können auch Obertöne Resonanzen haben, und zur Hörbarmachung von Obertönen können auch stumme Tasten dienen.
Beim Flageolett wird somit im einfachsten Fall nicht mehr als 1 Saite benötigt, bei der Resonanz (stumme Taste) jedoch mindestens 2 Saiten. Und da die Unterscheidbarkeit,
die im Laufe der Zeit mehrfach hervorgehoben wurde, auf verschiedenen akustischen Phänomenen beruht, jeweils anderen Produktionsweisen unterliegt und hörbar ist,
ist die Gleichsetzung oder Vermischung der Begriffe „stumme Taste“, „Oberton“ und
„Flageolett“ nicht zu rechtfertigen. Die Thematik ist, ohne darin die Bemühungen Burgmeins zu erwähnen, auch in meiner Veröffentlichung Klaviercluster (wie Anm. [19], S. 104) angesprochen.
Helmholtz beschrieb das Klavierflageolett übrigens, wie ich finde, sehr deutlich in seinem Buch Die Lehre von den Tonempfindungen (wie Anm. [15], S. 80–81 oder noch
ausführlicher S. 86 bzw. S. 87 oben), wo es ihm zur Auffindung von Knotenpunkten auf einer schwingenden Saite und damit zur Darstellung von Obertönen diente. Diese auf den
Knotenpunkten hervorrufbaren Töne bezeichnete er ausdrücklich als Flageolettöne, die
er als „rein und laut“ charakterisierte (S. 81 oben). Helmholtz’ akustische Definition passt
indes nicht zu den stummen Tasten, wobei bei Burgmein im Extremfall nahezu alle Tonhöhen der sich anschließenden diatonischen Glissandi stärker oder schwächer als
Obertöne mitschwingen können, aber ursprünglich nicht auf derselben Saite erzeugt sind. Es entsteht jedoch immer ein Resonanzklang, der indes weder „rein“ noch „laut“ ist und
damit nicht der Helmholtzschen Beschreibung des Flageoletts entspricht.
Man müsste wie bei den stummen Tasten auch erforschen, wer zuerst ein echtes
Flageolett auf dem Klavier kompositorisch verwendete, und prüfen, ob es eine Art von Tradition gibt, die sich von diesem Gebrauch ableitet. Unter dem Stichwort „Flageolett“
und den genannten Beispielen kämen freilich weder Burgmein noch Schönberg in die engere Wahl, auch wenn Schönberg (von Haus aus Cellist) die Form der Noten wohl von
den Streichinstrumenten in seinen Klaviersatz übernahm. Stattdessen müssten aber die Versuche von Helmholtz mit den stummen Tasten und den sich von diesen gut
unterscheidenden Flageoletts zumindest angesprochen werden, wenn sie letztlich auch anderen Zielen dienten. Gleichwohl handelt es sich um einen identischen Klang und eine
Übereinstimmung in seiner Produktion, die man kaum außer Acht lassen kann; denn sie prägten das Material, bevor es kompositorisch Verwendung in Musikstücken fand.
Andererseits scheint mir ein eigenes Symbol für stumme Tasten in der Notation sinnvoll, um Eindeutigkeit zu erreichen und keine Verwechslung mit echten Flageoletts entstehen zu
lassen. Burgmeins dreieckige Noten (Abb. 6) – die nicht als „Vorform“ der bei
Schönberg verwendeten Aufzeichnung misszuverstehen sind, deren Suche mir aber bei Burgmein im Grunde richtig erscheint – genügen noch nicht sämtlichen Anforderungen
und leiden etwa darunter, zu klein und somit nicht schnell genug lesbar zu sein oder die Grundlinien ihrer Dreiecke zu eng an den parallelen Notenlinien zu haben, was bei einer
Verkleinerung schnell zur Unklarheit führen kann. Ein weiterer Mangel wären zu kleine und nicht mehr hinreichend genau erkennbare Dreiecksfelder, sobald Notenköpfe auf (nicht zwischen) Noten- oder Hilfslinien stehen und hierdurch in zwei ungleiche Flächen-Hälften geteilt werden; beispielsweise beim eingestrichenen c oder g.
[12] Die Vorschrift, die stummen Tasten „bien“ oder „gut“ zu senken, rührt daher, dass
die Tastenbewegungen sowohl dem (hier zu vermeidenden) Anschlag wie der Dämpfung gelten. Bei einer zu schnellen Senkung würde einerseits ein Anschlag der Saiten erfolgen,
andererseits könnten bei einer zu vorsichtigen und daher unvollständigen Senkung die an die Tastenmechanik gekoppelten Dämpferfilze die Saiten noch berühren und den
beabsichtigten Klang negativ beeinflussen. – Ein Instrument mit Tonhaltepedal (3. Pedal) wäre deshalb in der Lage, die stummen Basstasten des Notenbeispiels nach ihrem
Absenken bis zum Tastenboden in dieses Pedal mit dem linken Fuß zu übernehmen und dann das folgende Glissando, auch ohne einen zweiten Spieler, unter leichter
Zuhilfenahme des rechten Pedals auszuführen. Auf jeden Fall könnte man sich so Burgmeins stumme Tasten während des Übens auch alleine zu Gehör bringen.
Im Druck heißt es S. 164 ausführlicher in der Fußnote – das Verweiszeichen ist hier mitabgebildet zwischen den beiden Systemen des ersten Taktes der Seite,
„SECONDO“: « Chaque foi que l’on trouve les notes triangulaires, il faut bien enfoncer
les touches sans resonner les cordes: après les gammes glissées on entendra ressorti les
accords. Il ne faut pas mettre les Pédales. » („Jedesmal, wenn man auf dreieckige Noten trifft, muss man die Tasten gut niederdrücken, ohne die Saiten zum Anschlag zu
bringen: Nach den Glissando-Tonleitern wird man hören, wie sich die Akkorde hervorheben. Dabei müssen die Pedale nicht getreten werden.“)
Die Transkription der verbalen handschriftlichen Anweisungen von Hornbostels (siehe Abb. 5) ist unvergrößert etwas schwierig zu lesen; man erkennt daher nicht sofort, dass
ein am Wortende stehendes „s“, das im Französischen häufiger auftritt, mit einem kleinen Bogen am Ende des Buchstabens ausgestattet ist – was zunächst irritierend wirken kann.
[13] Siehe Anm. [29], S. 443, linke Spalte. Ursprünglich in der Mailänder Zeitung La Perseveranza, signiert: „Filippi.“ – Bei dem genannten Kritiker sollte es sich um den
Musikkritiker und Komponisten Filippo Filippi handeln, der eine engere Beziehung zur Gazzetta Musicale di Milano hatte (siehe den nächsten Absatz). Filippi galt zu seiner Zeit als Kritiker von großem Einfluss (Porträt-Abbildung) und hatte unter anderem ein
Buch über Richard Wagner, den er sehr verehrte, veröffentlicht (Richard Wagner. Eine musikalische Reise in das Reich der Zukunft, aus dem Italienischen übersetzt
von F[riedrich] Furchheim, Autorisierte Uebersetzung, Leipzig: H. Hartung & Sohn, 1876; Download hier).
Einen ausführlichen Nachruf brachte die Gazzetta Musicale di Milano (im 42. Jg. in
Nummer 27 vom 3. Juli 1887, S. 208–209), wobei Giulio Ricordi den ersten Artikel namentlich auf S. 209 unterzeichnete. Die Zusammenarbeit Filippis mit der Gazzetta Musicale wird hier erwähnt. Ein weiterer Bezug auf Filippi erschien im selben Jahrgang
der Zeitschrift auf S. 236.
Ein Aufruf zum „secondo anniversario“ (zweiten Jahrestag) des Todes von Filippi erschien in der Gazzetta Musicale di Milano vom 30. Juni 1889 (im 44. Jg. in Nr. 26) auf S.
420 f. (In memoria di Filippo Filippi), nachdem hier die geplanten Feierlichkeiten
in einem kurzen Artikel mitgeteilt worden waren (44. Jg., Nr. 25, linke Spalte, unter der Überschrift In memoria Dr. Filippo Filippi, 23. Juni 1889, S. 399).
Von Filippi wurde auch ein längerer Artikel aus der Zeitung La Perseveranza in der Gazzetta Musicale über Burgmeins Il Natale [Die Weihnachtsgeschichte] für Klavier zu vier Händen im Jahr vor den Sérénades unter der Überschrift Il Natale abgedruckt (37.
Jg., Nr. 1 vom 1. Januar 1882, S. 3–4). Auch diese Ausgabe ist mit farbigen Bildern, Musik und Gedichten reich geschmückt (Übersetzung in verschiedene Sprachen), und an
dieser Edition hatte Alfredo Edel ebenfalls mitgearbeitet (siehe mit farbigen Bildern aus dem Band [die Webseite war am 14.2.2016 nicht mehr aufrufbar]).
Die rautenförmige Aufzeichnung stummer Noten hat sich gegenüber einer dreieckigen Form historisch allerdings „durchgesetzt“, so dass die stummen Noten heute dieselbe
Form haben wie die Flageolett-Noten der Streicher, auch wenn es sich um zwei verschiedene Dinge handelt und diese trotzdem in der Notation wie eines und dasselbe
behandelt werden. Die Notation suggerierte damit etwas, das es in Wirklichkeit zwar auch gab, das hier aber nicht gemeint war. Daher findet man heute in Partituren dasselbe
Symbol für zwei verschiedene Dinge: Flageolett-Noten und Resonanzen, die beim Klavier im ersten Fall von den Saiten, im zweiten Fall von den Tasten ausgehen. Mehr zum
Flageolett in Anm. [11].
Ein Brief von Franz Liszt an Filippo Filippi, Mailand, ist abgedruckt in: Franz Liszts Briefe. Gesammelt und herausgegeben von La Mara [das ist Ida Marie Lipsius
(1837–1927)], Achter Band: 1823–1886 (Neue Folge zu Band I und II), Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, Nr. 365, S. 360–361 (1 Janvier 1880). Download im Internet
Archive hier.
[14] Nur kurz angesprochen werden hier die „silent chords“ in dem Buch von W[illiam]
S[mythe] B[abcock] Mathews (1837–1912), School of the Piano Pedal, Boston: O.
Ditson Company / Chicago: Lyon & Healy, Copyright MCMVI [1906], Umfang: VIII + 83 Seiten, S. 79–81, Chapter Twelve | Curious and Unsual Pedal Effects (Download der Ausgabe). Als wichtigstes Beispiel wird auf Seite 79 unter anderem T. 30 aus
Ferruccio Busonis Bearbeitung von J. S. Bachs Chromatischer Fantasie zitiert (Beispiel
No. 53), doch gilt für diese Stelle das im nachstehenden Absatz Gesagte gleichermaßen. Auf Seite 80–81 des Druckes folgen: First [bzw. Second] Pedal Study with Silent
Chords (Beispiele No. 54 und No. 55).
In dieser Schrift wird zwar auch auf stumme Akkorde eingegangen, doch zeigen sowohl
die Stelle aus Bach/Busoni wie die anschließenden Studien, dass sie mit den bei Burgmein oder Schönberg erzeugten Klängen im Grunde nicht vergleichbar sind. Es werden nämlich
keine Obertöne oder Resonanzen zum Weiterklingen gebracht, sondern ein tonhafter Anschlag, der im ff erfolgt, wird unter Zuhilfenahme des Fortepedals stumm
wiederaufgegriffen. Auch in den „Studies“ mag der schnelle, im ff auszuführende Klang,
der dem stummen Anschlag jedesmal vorangeht, zwar in seiner Bewegung freier gespielt werden, da sich die Finger durch die Wirkung des Fortepedals hierbei von den Tasten
lösen können (dieser Umstand allein würde freilich schon die anschließenden stummen Tasten rechtfertigen), doch bleiben mehrere Fragen offen. Als seine Quelle verweist
Mathews zu Beginn von S. 81 auf Folgendes: „This study is meant to illustrate a pedal effect which Dr. [William] Mason [1829–1908] has been the first to explain.“ (Eine
diesbezügliche Arbeit Masons lag mir nicht vor.)
[15] Dass vor Burgmeins Sérénade Chinoise die stummen Tasten bereits in der Literatur auftraten, belegen mehrere Versuche von Hermann Helmholtz
(1821–1894) in seinem Buch Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik (zuerst Braunschweig: Vieweg, 1863). Eine
der Anleitungen, die das Klavier heranziehen und es als eine Art selbstverständlichen
Mittels zur Untersuchung des „Mittönens“ oder „Mitschwingens“ (Resonanz) gebrauchen, beginnt beispielsweise mit den Worten: „Man drücke auf die Taste einer Saite des
Claviers, um sie von ihrem Dämpfer zu befreien.“ (S. 91; zitiert wird hier nach der dritten Ausgabe, Braunschweig: Friedrich Vieweg und Sohn, 1870, Vorwort: „Heidelberg, im
Mai 1870.“; Download dieser „Dritten umgearbeiteten Ausgabe“). Aus dem
anschließenden Versuch erkennt man zweifelsfrei, dass es sich um eine „stumme Taste“ handeln muss, deren Senkung ohne Anschlag erfolgt und die dem von Helmholtz
beschriebenen Zweck dient. Dabei bleibt jedoch ungeklärt (selbst die Frage ist hier nicht berührt), ob Helmholtz als Erster diese Methode der Untersuchung bei physikalischen und
physiologischen Versuchen heranzog. – Die erste Auflage von Helmholtz’ Buch (Download hier) aus dem Jahre 1863 (Vorrede auf S. VI datiert: „Heidelberg, im
October 1862“), konnte inzwischen mit der dritten Auflage verglichen werden. Zwar handelt es sich um einen Neusatz des Textes, doch dieser hat sich in dem fraglichen
Abschnitt nur so unwesentlich verschoben, dass die Seitengaben für beide Auflagen hier dieselben geblieben sind (die Angaben „oben“ oder „unten“ wie in Anm. [11] sind jedoch
stets auf die 3. Auflage zu beziehen, sofern nichts anderes erwähnt ist). Allein die Rechtschreibung wurde gelegentlich modernisiert. Daher lässt sich auch verbindlich sagen,
dass die stummen Tasten mindestens schon zwanzig Jahre vor Burgmein im Rahmen akustischer Untersuchungen über das „Mittönen“ in Gebrauch waren.
So heißt es ähnlich auf S. 65: „Man hebe leise und ohne die Saite anzuschlagen eine Taste
eines Claviers, so dass die betreffende Saite nur von ihrem Dämpfer befreit ist, […].“
Helmholtz spricht hier zwar von einer „Hebung“ (nicht einer Senkung) der Taste, doch hat man zu bedenken, dass der hölzerne Balken, aus dem die Taste besteht (ein
„Waagebalken“), gelagert ist und bei einer Senkung in Richtung Tastenboden zu einer entsprechenden Hebung in Richtung auf die Saite des Flügels hin führen muss. Senkung
und Hebung der Taste sind starr miteinander verbunden, finden stets gleichzeitig statt und gehorchen einer physikalischen Notwendigkeit, durch die sich bei der Flügelmechanik
auch ein Dämpfer hebt, sobald man seine Taste durch Fingerdruck senkt. Ich nehme an, dass sich die Undeutlichkeit bei Helmholtz aus diesem Umstand erklärt, zumal ja beim
Heben einer Taste im bespielten Abschnitt kein Anschlag erfolgen kann, was Helmholtz sicherlich auch wusste. Da derselbe Wortgebrauch, jedoch in umgekehrter Richtung zu
beobachten ist (S. 86, zweiter Absatz), könnte es sich um eine Eigenheit des Autors
handeln, die heute insofern missverständlich ist, als auch das Gegenteil des Geschriebenen
gesagt zu sein scheint. Das Notenbeispiel (S. 85), auf das sich Helmholtz bezieht, muss jedoch mit c beginnen (was wohl ebenso als ein Druckfehler zu betrachten ist wie der zu
tief gesetzte Bass-Schlüssel).
Im selben Buch schreibt Helmholtz schließlich auf S. 80: „Um Versuche am Klavier über
das Mitschwingen der Saiten anzustellen, hebe man den Deckel des Instruments, so dass die Saiten freiliegen, drücke dann die Taste der Saite, welche mitschwingen soll, etwa c’, langsam herab, ohne den Hammer zum Anschlag zu bringen, [etc.].“ Hier hat man eine
vollkommene, auch heute leicht verständliche Beschreibung der stummen Taste, die gesenkt wird, um auf ihrer zugehörigen Saite ein Mitschwingen, eine Resonanz, etwa
durch andere, stimmhaft anzuschlagende Saiten zu ermöglichen.
Auch sonst (wie auf S. 90) zieht Helmholtz immer wieder stumme Tasten für seine
Experimente heran, doch genügen die im Grunde gleichbleibenden Beispiele wohl, um zu zeigen, dass er sich dieser Methode gerne zur Untersuchung und Demonstration der
Resonanzen bediente. Man darf jedoch annehmen, dass die ästhetische Kraft stummer Tasten für ihn weitgehend im Hintergrund stand, da es ihm nicht um die Auffindung
kompositorischer Qualitäten, sondern die Erklärung akustischer Wahrnehmungen ging.
[16] Vgl. Anm. [12].
[17] Zum Tonhaltepedal vgl. auch Anm. [12], erster Absatz. – Neutraler sind die
französische Bezeichnung Pédale de prolongement (Verlängerungspedal) oder das englische Sostenuto pedal bzw. Tone-sustaining Pedal, doch ist auch im Deutschen der Gebrauch des Begriffes „Sostenuto-Pedal“ nicht unüblich.
[17a] Darüber sei nicht vergessen, dass sämtliche verfügbaren Resonanzen eine Rolle
spielen könnten, sowohl Resonanzen auf den Bestandteilen des Instruments wie solche des Raumes und seines Inhalts. Letztlich kann alles Umgebende Resonanzen erzeugen,
mögen diese im einen Fall auch deutlich hörbar, im anderen unhörbar sein. Die Unhörbarkeit wäre indes kein Merkmal dafür, dass sie gar nicht vorhanden sind, denn
man kann auch andere Naturerscheinungen wie Elektrizität, Wärme und Kälte, Radioaktivität oder Entfernungen aus der Menge des Messbaren nennen, die dem
Menschen auf direktem Wege erst ab einer bestimmten Größe und auch dann sehr unterschiedlich zugänglich sind, die hier gleichwohl von Belang sein und bei dem Auftreten
von Resonanzen hörbar werden könnten. Genau dieselben Bedingungen für Resonanzen zu schaffen, scheint jedoch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
[18] Vgl. hierzu Anm. [15].
[19] Vgl. Herbert Henck, Klaviercluster. Geschichte, Theorie und Praxis einer Klanggestalt, Münster: Lit Verlag, 2004 (Reihe: Signale aus Köln. Musik der Zeit, hg.
von Christoph von Blumröder, Bd. 9); vgl. hier. In diesem Buch findet sich der Abschnitt III. Stumme Tasten (S. 83–115), wo auf Schönbergs Technik des stummen Anschlags
(S. 91 ff.) hingewiesen wird. In diesen Zusammenhang wären auch Burgmeins stumme
Tasten aufzunehmen und chronologisch mit Helmholtz (siehe Anmerkung [15]) an den Beginn zu setzen.
[20] So die Nummerierung von Hornbostels. Das Notenbeispiel, auf das er zu Anfang
verweist, siehe Abb. 5 (die „4“ steht als Nummerierung des Notenbeispiels groß zu Beginn).
[21] Von Hornbostel (wie Anm. [1]), S. 176, erster Absatz. – Zur Äolsharfe, die oft
auch bedeutende Dichter und Musiker inspirierte, vgl. hier.
[22] Diese Dinge sind in dem Buch (siehe Anm. [19]) hinsichtlich der Cluster weiter
ausgeführt. – Die Beziehungen des Glissandos sind in dem Aufsatz Klavierglissandi beschrieben; siehe Teil II des Buches Experimentelle Pianistik (1994), S. 70–98.
Das Inhaltsverzeichnis befindet sich unterhalb des im letzten Link gezeigten Bildes.
[23] Henry Cowell wurde in Berlin 1931 Schüler von Hornbostels, doch liegt das
Klavierstück The Aeolian Harp (ca. 1923) um Jahre vor Cowells Berliner Unterricht.
[24] Vgl. die Ausführung von Cowells Aeolian Harp hier bei YouTube. – Hier sind
sowohl die stummen Griffe der linken Hand auf den Tasten und der dadurch bewirkte
Effekt auf den Dämpfern bzw. Hämmern wie auch die Aktion der rechten Hand auf den Saiten (Glissandi) und die Bewegung des nicht sichtbaren rechten Fußes (Fortepedal)
durch das gleichzeitige Abheben aller Dämpfer im Bild festgehalten. Wie man sieht, benutzt die Pianistin auch stumme Tasten zur Orientierung, um bei bereits gesenktem
Fortepedal über die Position der Hämmer die richtigen Saiten für ein Pizzicato zu finden.
[25] Vorstehendes Zitat erschien unter der Überschrift [Heft Nr.] „XII“ Le livre des
Sérénades; le Roman de Pierrot et de Pierret; par J. Bürgmein [„Chez Ricordi, à Milan; à Paris, chez Durdilly“], in: L’Année musicale, hg. von Camille Bellaigue, Vol.
1, (Octobre 1886 à Octobre 1887), Paris: Librairie Charles Delagrave, 1888 [= der ganze Jahrgang], S. (251)–256, hier S. 254 (Online-Ausgabe hier). Die Rezension ist auf
die Zeit zwischen August und Oktober 1887 anzusetzen, da nur die Teile X (unpaginierte
Seite 227) und XIV (unpaginierte Seite 267) der Zeitschrift, im Unterschied zu anderen Teilen des Jahrgangs, genauer datiert sind. Der ungenannte französische Rezensent löst
bereits auf der ersten Seite (unpaginierte S. 251) das Pseudonym Burgmeins auf und spricht von einem deutschen Namen, wobei er auch „Bürgmein“ schreibt.
[26] Die Beispiele in Abb. 2, 3, 6, 7 und 13 sind übernommen aus der in Milano bei
Ricordi (1883) erschienenen Erstausgabe, die mir die Universitätsbibliothek Mozarteum, Salzburg (Herr Dr. M. Kammerer), freundlicherweise als Scan zur Verfügung gestellt hat.
Siehe auch zur Anordnung der Seiten Anm. [50]. – In Takt 3 von Abb. 7 (oben) ist ein
Versehen im Druck zu bemerken, da in dem Glissando des ersten Spielers („Primo“) 18, nicht 16 Töne auftreten.
[27] Die bibliografischen Informationen über den Corriere della Sera, die nicht in der Gazzetta Musicale vom 9. Dezember 1883 stehen, habe ich dem Buch Carteggio
Verdi – Ricordi, 1882–1885, S. 382 entnommen, das hier genauer benannt ist.
[28] In Il Mondo Artistico, 17. Jg., Nr. 50, hg. von Alessandro Fano, Milano,
15. Dezember 1883, S. 2, Sp. [1]–[2] unter der Überschrift (S. [1]): Cose Musicali Milanesi.
[29] Vgl. Gazzetta Musicale di Milano vom 9. Dezember 1883 auf S. 441–443 unter
der Überschrift Bibliografia Musicale; Download der Gazzetta Musicale von Internet
Culturale – Cataloghi e Collezioni digitali delle biblioteche italiane. (Um weiter auf
die Entstehungsgeschichte des Druckes einzugehen, müsste man die noch undatierten Rezensionen datieren, und dann aus der frühesten ersehen können, in welchem Monat
der Druck des Livre vermutlich erschien.) Gleichwohl erhält man durch das Erscheinen
der Inserate in diesem Fall wohl hinreichende Anhaltspunkte für eine Datierung. Vgl. auch die Datierung auf Dezember 1883 in Anm. [39], Mitte des ersten Absatzes sowie das
Inserat in Il Mondo Artistico am 29. Dezember 1883 (siehe den von Anm. [32] belegten
ersten Absatz des Haupttextes).
[30] Gazzetta Musicale, 38. Jg., Nr. 50, direttore: Giulio Ricordi, vom 16. Dezember 1883; Nr. 51 vom 23. Dezember 1883 und Nr. 52 vom 30. Dezember 1883, jeweils
unten auf der unpagnierten Titelseite der Zeitschrift. Die Inserate fügen sich damit zeitlich
unmittelbar dem Abdruck der Rezensionen am 9. Dezember 1883 in derselben Zeitschrift an.
[31] Inserate, sofern sie nicht nur auf eine planbar bevorstehende Neuerscheinung
aufmerksam machen, erscheinen gewöhnlich erst, sobald die Herstellung eines Produktes fertig ist und es erhältlich vorliegt, da sonst unter Umständen Rückfragen beim Verlag
stattfinden würden, Zweifel an der Lieferbarkeit der Neuerscheinung aufkommen und letztlich Bedenken an der Seriosität eines Unternehmens entstehen könnten. Aber es gibt
natürlich keine Garantie, und Ausnahmen sind möglich, die freilich oft ein Zeichen neuer und unerfahrenerer Firmen sind. Insofern lassen die frühesten Inserate auch mit größerer
Sicherheit auf die Fertigstellung von Produkten oder ihr Erscheinen schließen als Rezensionen, die manchmal erst mit großer Verzögerung veröffentlicht werden.
[32] Il Mondo Artistico. Giornale de Musica, 17. Jg., Nr. 51–52, hg. von Alessandro
Fano, Milano, 29. Dezember 1883, hier das Inserat auf der Rückseite des Titels in der Beilage. Zu lesen ist das Inserat nur in der Vergrößerung vollständig; ansonsten war
zu Beginn der Ausgabe der Text des Scans unter der bibliografischen Angabe abgeschnitten.
[33] Vgl. Gazzetta Musicale, 39. Jg., Nr. 3, direttore: Giulio Ricordi, vom 20. Januar
1884, S. 22–23 unter der Überschrift: „Le Livre des Sérénades“. Hier sind fünf Bilder
(Strichzeichnungen) von Alfredo Edel und die zugehörigen Gedichte von Paul Solanges zu finden, von denen 3, gleich den Rezensionen von 1883, auch in nachstehende Ausgabe Verdis aufgenommen wurden; vgl. Briefwechsel Verdis (hier), Appendice 24 in der durch den Zitierlink genannten Ausgabe.
[33a] Vgl. die anonyme Besprechung Reviews, in: The Musical Times and
Singing-Class Circular, Vol. 25. No. 493, London/New York: Novello, Ewer & Co., March 1, 1884, p. 165, linke Spalte (über den ersten Link in Anm. [29] auf Seite 34
erhältlich). – Da in dem Jahrgang 1884 auch ein vierteiliger übersetzter Aufsatz von Filippo Filippi mit dem Titel La Scala in Milan (S. 74–75, 141–143, 199–201,
263–265) abgedruckt ist, liegt die Beziehung zu dem rezensierten Klavierzyklus Burgmeins recht nahe, auch wenn Filippi nicht auf Burgmein oder Ricordi einging. Siehe
über Filippi Anm. [13].
Eine etwas zurückhaltende Rezension erschien 1884 in folgender Zeitschrift: W. C. [Rezension von Burgmeins Serenaden-Band], in: BIBLIOTHÉQUE UNIVERSELLE ET
REVUE SUISSE, 89. Jg. – Troisième Période, tome 24 [Octobre-Décembre 1884, No.
70-72 (siehe S. 669)], Lausanne: Bureaux de la Bibliothèque universelle, (Paris, Londres, Bale et Leipzig) 1884, S. 448 (im Register S. 672). Link zur Seite der Rezension: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k454253k/f447.image.
[34] Vgl. La Gazzetta Musicale di Milano, 39. Jg., Nr. 44, 45 und 46, direttore: Giulio
Ricordi, vom 2., 9. und 16. November 1884, jeweils auf der unpaginierten Titelseite. Die
Überschriften sind dieselben wie oben und beginnen mit „NUOVE PUBBLICAZIONI DEL R[EGIO] STABILIMENTO RICORDI“ (siehe im Haupttext hier). – Vgl. auch die hier genannten Bearbeitungen des Livre. – G. P. Frontinis Bearbeitungen sind in der Liste Compositionen von J. Burgmein auf S. 168 verzeichnet (vgl. hier).
[34a] Zunächst den Link von Anm. [29] anklicken, Text des Suchfelds löschen und
einstellen: Cataloghi. Dann ins Suchfeld eintragen: Burgmein Sérénades Nymphes 1898, OK und auf der Ergebnisseite Vedi wählen. Schließlich Le Livre des Sérénades über
den Link anwählen.
[35] Gazzetta Musicale di Milano, 41. Jg., Nr. 1, direttore: Giulio Ricordi, Milano,
3. Jan. 1886, S. 4, linke Sp. (Unterschrift eine Sp. später), wo es heißt: „Composizioni di
Burgmein, edizioni Ricordi: ce n’era abbastanza per solleticare la curiosità di tutti i salotti
in cui si ama la buona musica, la musica originale, fine, aristocratica, come quella che sa fare l’autore del Natale, del Pierrot et Pierette e sopratutto del Livre des Sérénades.“(Nachdruck ohne genauere Datierung aus: Gazzetta del Popolo della Domenica,
signiert: „Basso-ostinato.“).
[36] Henri [Anastase] Viotta (1848–1933) [unter der Überschrift] Musikaal overzicht, in: De Gids, 58. Jg., Amsterdam 1894, hier S. 396–398. – Von dem Verfasser erschien
in Amsterdam u. a. das dreibändige Lexicon der Toonkunst, Amsterdam 1881, 1883 und 1885. Giulio Ricordi wurde nur kurz im dritten Band im Artikel Ricordi erwähnt (Seite 237–238). Download hier.
[37] Die Inserate finden sich in La Gazzetta Musicale di Milano, und zwar a) 44. Jg., Nr. 21 (26. Mai 1889). – 45. Jg.: b) Nr. 5 (2. Februar 1890), c) Nr. 9 (2. März 1890), d) Nr. 10 (9. März 1890) und e) Nr. 11 (16. März 1890).
[38] Vgl. Il Mondo Artistico. Giornale de Musica dei Teatri et delle belle arti, hg.
von Alessandro Fano, 17. Jg., Nr. 51–52 vom 29. Dezember 1883, Milano [Beilage;
im Scan des 17. Jahrgangs stehen die Beilagen ganz zuletzt hinter den Ausgaben der Zeitschrift, auf die sie durch ihre Nummerierung verweisen]; hier das Inserat, unten,
auf der dritten Seite nach dem Stück-Titel bzw. auf der Seite nach dem Inserat für Burgmeins Serenaden-Zyklus: „Trascrizioni per Pianoforte su Opere di VERDI | PER [sic
] | FRANZ LISZT | Il Trovatore - Ernani - Rigoletto - Don Carlos | Aida -
Boccanegra - Messa da Requiem - Jérusalem. | Elegante volume con ritratto dell’autore.
Fr. 20.– “ Das Liszt-Inserat erschien mehrfach unter Neuerscheinungen des Verlags,
wobei in der Beilage zu Nr. 45 (vom 10. November 1883) auf derselben Seite zu Beginn zwei Inserate für „Giulio Ricordi“ abgedruckt wurden (für die Chorkompositionen A. B. C. D. bzw. La Vergine di Sunam). Sein Geburtsname sowie sein Pseudonym wurden
in dieser Zeit offenbar gleichzeitig verwendet. Dass es sich hierbei um kein Versehen handelte, zeigen zwei Auszeichnungen Giulio Ricordis in Turin (1880 u. 1883), die beide
Inserate erwähnen. – Zum Inserat von Burgmeins Sérénades vgl. im Haupttext hier.
[39] Artikel im Corriere della Sera (siehe oben). – Ein 2011 veröffentlichter Katalog,
der zum Teil mit farbigen Bildern über Paolocci geschmückt ist, ist als pdf-Download erhältlich (http://www.ghaleb.it/pdf/Dante Paolocci in mostra.pdf), wobei auch auf diese Arbeit über Franz Liszt hingewiesen wird und der Druck des Livre des Sérénades bei Ricordi zugleich auf Dezember 1883 datiert ist (S. 3, Spalte ganz rechts). Vgl. auch Giornata in ricordo di Enrico Guidoni. In mostra fino al 4 dicembre [2011] Dante
Paolocci (Civitavecchia 1849 – Roma 1926). Illustratore e Fotografo. Mostra documentaria monografica a cura di Giovanna Caterina de Feo. Museo della Città e
del Territorio, Via di Porta Marchetta 2, Vetralla auf der Webseite des Meums. Beide
genannten Publikationen beruhen offenbar auf den Arbeiten des Verlegers Davide Ghaleb.
Das Liszt-Porträt von Paolocci (siehe Abb. 10) wurde auch 1884 in der Gazzetta Musicale im Rahmen eines unsignierten Artikels Franz Liszt reproduziert (39. Jg., Nr. 6
vom 10. Februar 1884, S. 54). – In derselben Musikzeitschrift kam Paoloccis Bild von
Liszt am 23. Juni 1889 nochmals zum Abdruck (44. Jg., Nr. 25, ungezählte Titelseite vor S. 395 [pdf-Seite 502]). Vgl. den Link zum download in Anm. [29].
[40] Katalog Nr. 426, © 2007 by Hans Schneider, D-82323 Tutzing, S. 15, Nr. 44.
Siehe auch Cameron McGraw, Piano Duet Repertoire – Music Originally Written for One Piano, Four Hands, Bloomington: Indiana University Press, © 1981 by
Cameron McGraw, © 2001 by Indiana University Press, hier S. 231: Ricordi, Giulio.
[41] A[lexander] W[ilhelm] Gottschalg, Franz Liszt in Weimar und seine letzten
Lebensjahre. Erinnerungen und Tagebuchnotizen […] nebst Briefen des Meisters, hg. von C. A. René, Berlin: Verlag Arthur Glaue, 1910, S. 152 (Aus den Tagebuchs-
Notizen über Franz Liszts letzte Lebensjahre [1880–1886]); mit Foto von Gottschalg
nach S. VIII (Porträt) und auf S. 129 („Franz Liszt im Kreise seiner Schüler, 1884“). Download des Buches hier. – Liszt wohnte (von 1869 bis zu seinem Tod 1886) in dem ehemaligen Haus des Hofgärtners in Weimar, vgl. hier.
Bei dem am Ende genannten „Großherzog“ handelte es sich um den Großherzog
von Sachsen-Weimar-Eisenach Carl Alexander (1818–1901), der mit Liszt befreundet
war, diesen vielfach förderte und nach dem die nicht abgeschlossene Gesamtausgabe der Werke Liszts benannt ist. Weiteres ist zu finden unter „Projektinformationen“
der Bayerischen Staatsbibliothek München bzw. dem Download der 35 Bände.
G. Sgambati (1841–1914), C. Halir [K. Halíř] (1859–1909).
[42] Eine Fotokopie des Dokuments aus Liszts Briefkonzeptbuch (vier Seiten) erhielt
ich am 23. April 2013 von der Klassik Stiftung Weimar. Vgl. die Archivdatenbank http://ora-web.swkk.de/archiv_online/gsa.entry?u_id=1018925&b=59&source=gsa.
bestaende2; hier unter „Verzeichnungseinheiten“ die Signatur GSA 59/55, erster Eintrag;
dann (unter „mehr“) weitere Einzelheiten zu: „Bl 31 Rs – 32 Rs + 33 Vs(2)“. In dieser
Beschreibung des Dokuments (online) ist auch seine Datierung zu finden; eine Änderung des Namens „Burgmeier“ zu „Burgmein“ wurde mir für die nächste Online-Übertragung
des Katalogs (Anfang 2014) in Aussicht gestellt (vgl. Anm. [43]).
Etwas ungewöhnlich ist die Anordnung von Liszts Entwurf auf die oben genannten
Buchseiten. Der Übersichtlichkeit halber sei diese für die vier Seiten deshalb nochmals zusammengestellt:
(1) Der Beginn des von Liszt geplanten Briefes steht, gekennzeichnet durch
die Anrede des Briefempfängers, auf S. 32 Vs [= Vorderseite] (S. 62 in Liszts Briefkonzeptbuch).
(2) Nach dieser Seite kommt S. 31 Rs [= Rückseite] (S. 61) [sic], die am
Ende die Unterschrift „FL.“, für Franz Liszt, trägt (vgl. diese Unterschrift mit dem bei Gottschalg, Anm. [41], reproduzierten Frontispiz [Weimar, 27. Januar 1884],
das Liszt handschriftlich unterschrieben hatte). Hier und auf der unter (1) genannten Seite ist ausschließlich vom Livre des Sérénades die Rede, wenn auch diese zwei
Seiten, gegenüber dem üblichen Ablauf, in umgekehrter Reihenfolge erscheinen.
(3) Hierauf folgen in dem Briefentwurf etwa drei Viertel der Seite 32 Rs (Seite 63) über die „Claviharpe“ – ein zweites Thema dieses Entwurfs, das Liszt bereits
in einem Brief an Ricordi im „Sommer 1883“ angesprochen hatte –, während das restliche Viertel der Seite die Verteilung der drei Belegexemplare des Livre des
Sérénades betrifft und damit eine Art Nachtrag dieses Briefentwurfs darstellt.
(4) Schließlich endet der Briefentwurf auf S. 33 Vs (S. 64). Auf der oberen Hälfte
steht ein Briefkonzept Liszts an [Otto] Lessmann (1844–1918) auf Deutsch, das
dem in Frage stehenden Konzept nicht zugeordnet werden kann. Die untere Hälfte der Seite enthält indes thematisch die Fortsetzung der vorangehenden Seite, wobei
hier allein von der Claviharpe die Rede ist.
Das Livre des Sérénades und die Claviharpe sind somit – neben einem Satz Liszts über das „pédale du tremolo“ – die zwei wesentlichen Themen dieses auf vier Seiten verteilten
Briefkonzepts. Die Aufteilung des Briefentwurfs wurde, wie mir Frau Liepsch, welche die Konzeptbücher Liszts vor wenigen Jahren erschloss, mitteilte, sowohl von ihr selbst so
gesehen als auch von La Mara in dieser Anordnung transkribiert (E-Mail am 25.4.2013). La Maras Transkription lag mir nicht vor.
Zum Tremolopedal kann ich einstweilen nur als weitere Information nennen den
Begleittext zu Verdis Oper Jérusalem von Leslie Howard, in dem es heißt: „Wie die Neuauflage der Transkription des Agnus Dei aus Verdis Requiem beinhaltet auch die
zweite Version des Salve Maria […] alternative Passagen für den Einsatz von Ricordis piano avec la pédale à vibrations prolongées (Klavier mit Tremolopedal) mit einer
Vorrichtung, durch die alle ausgehaltenen Töne automatisch mittels einer Drehtrommel, die alle gehobenen Hämmer reaktiviert, wiederholt werden. Dieses Instrument wurde
von Liszt mit Vorbehalt empfohlen.“ Zitiert bei Leslie Howard © 1996, dt. Übers. von Manuela Hübner (Franz Liszt, Sämtliche Werke für Klavier solo, Vol. 42 u. 43, Liszt
an der Oper IV, Leslie Howard, Klavier, 2 Compact Discs, erschienen bei Hyperion, London, England, im Februar 2011, linke Seite; weitere Einzelheiten hier.
Die Claviharpe (Klavierharfe) war ein Instrument, das eine Harfe und ein Klavier verband
und von jedem Klavierspieler gespielt werden konnte. Erdacht und gebaut wurde sie von Johann(-)Christian Dietz [Vater] (ca. 1773–1849), der sie um 1814 in Paris vorstellte.
Liszt hatte sich im Sommer 1883 in einem Brief an Giulio Ricordi sehr für die Verwendung der Claviharpe ausgesprochen und bezog sich in seinem Entwurf unter
anderem auf den früher geschriebenen Brief; vgl. den Abdruck dieses Briefes vom Sommer 1883 in: Franz Liszts Briefe. Gesammelt und herausgegeben von La Mara,
Achter Band: 1823–1886 (Neue Folge zu Band I und II), Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, Brief Nr. 436 von Liszt auf Seite 407 f.; Download des Bandes hier. Abbildung und Beschreibung der Claviharpe hier. Vgl. zu La Mara auch hier. (Auf vorstehenden
Brief und seine Publikation machte mich Frau Evelyn Liepsch, Weimar, freundlicherweise aufmerksam.) – Vgl. auch Oskar Fleischer, Führer durch die Sammlung alter
Musik-Instrumente, Berlin 1892, S. 124, Nr. 1202: Harfenklavier (Claviharpe) von Johann Christian Dietz in Paris 1815.
Vgl. die Seitenverweise auf Dietz (Vater, Sohn und Enkel) im Namenregister von Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Katalog von Georg Kinsky,
herausgegeben von Wilhelm Heyer, Bd. 1, Cöln: Kommission von Breitkopf & Härtel in Leipzig, 1910, auf S. 458. Auf S. 207 und S. 208 finden sich auch ganzseitige
Abbildungen der Claviharpe aus der Werkstatt von Dietz. – In Bd. 2 (derselbe Haupttitel), Cöln: ebd., 1912, im Teil Erganzungen und Berichtigungen zum ersten Bande des
Katalogs. (Tasteninstrumente.), S. 660 die Ergänzung zu S. 205–206 im ersten Band, unter dem Verweis auf La Maras Brief-Ausgabe von Franz Liszt (Bd. 8, 1905 [siehe den
Absatz zuvor]) mit Abdruck eines längeren Liszt-Zitats aus einem Brief vom „Sommer 1883“ an Giulio Ricordi. Siehe im selben Nachtrag auch S. 663 (Ergänzung zu S. 223).
Download beider Katalog-Bde. im „Internet Archive“.
In dem tatsächlich an Giulio Ricordi versandten Brief Liszts ist, im Gegensatz zu seinem
Entwurf, keine Rede mehr von der Claviharpe (vgl. den Nachtrag oben).
[43] Diese Datierung geht auf La Mara zurück, von der sich im Archiv der Klassik
Stiftung Weimar eine Transkription von Liszts Briefkonzept befindet (Signatur: GSA 59/455,5). Vgl. auch Anm. [42]. Einer E-Mail (25.4.2013) von Frau Evelyn Liepsch
zufolge ist diese Datierung La Maras „in der Folge der anderen Konzepte schlüssig“. Zur damit übereinstimmenden Datierung des von Liszt abgesandten Briefes vgl. hier.
[43a] Mary Tibaldi Chiesa, Franz Liszt in Italia, in: Nuova Antologia, Ottava Serie,
Luglio–Agosto 1936 - XIV, Volume della Raccolta: CCCLXXXVI, Roma: Societá anonima « La Nuova Antologia », S. (142)–154. Der französische Brief Liszts vom 31.
Dezember 1883 ist in untranskribierter Form abgedruckt; siehe Seite 145. (Freundlicher Hinweis von Frau Prof. Mária Eckhardt, Budapest.) Das Postscriptum, das die
Verschickung der Neuerscheinung der Sérénades nach Budapest betrifft, ist ausgelassen.
[44] Dankenswerte Auskunft von Frau Dr. Zsuzsanna Domokos, Liszt Academy, Museum Director, Budapest, welche mich zugleich auf die guten Kenntnisse der im Folgenden genannten Frau Prof. Mária Eckhardt aufmerksam machte (27. August 2013).
[45] E-Mail am 29. August 2013 nach der Konsultierung des Buchs von Dezsö Legány, Liszt and his country 1874–1886, Budapest: Occidental Press, 1992, S. 234. – Diese
Anmerkung und die folgenden ([46], [47] und [48]) gehen einschließlich der
Literaturverweise auf Informationen von Frau Prof. Mária Eckhardt, Budapest, zurück.
[46] Liszts Korrespondenz mit der Fürstin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein [1819–1887]:
Br. VII, Nr. 386 und 387.
[46a] Siehe auch den eigenhändigen Brief Liszts (an einen in der Quelle nicht näher
bezeichneten Freund) aus Nürnberg vom 2. Februar 1884, Original-Angebot im Katalog des Antiquars Eberhard Köstler (Katalog Nr. 61): Dem Andenken edler Freunde gewidmet. Autographen und Bücher, Tutzing 2009, Seite 17 (Nr. 57) mit bibliografischem Hinweis auf Alan Walker, Franz Liszt, Bd. III, S. 5, 6, 411,
besonders aber Seite 462. Zum selben Autografen (mit verkürztem Zitat) hier
(Versteigerung am 20. Juni 2007 in Wien).
Es handelt sich wohl um einen Brief an den Jenaer Geh. Hofrath Dr. jur. Carl Gille
(1813–1899), welcher in folgendem Band abgedruckt ist: [Franz Liszt und Carl Gille], Franz Liszts Briefe an Carl Gille, mit einer biographischen Einleitung von Adolf Stern,
Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1903, S. 73, Brief Nr. 65, „2ten Februar [18]84 –
Nürnberg“. Liszts briefliche Angabe, er treffe in Budapest am „nächsten Dienstag“ (5. Februar 1884) ein, weicht leicht ab von der in mehreren Quellen zu findenden Angabe,
die seine Ankunft auf den 4. Februar 1884, einen Montag, datiert. – Im selben Buch
befindet sich unmittelbar vorausgehend auf S. 72 (Nr. 64) ein Brief Liszts, der datiert ist
„29.12.[18]83 (Weimar)“. Hier schreibt Liszt in einem Postkriptum: „Die schwere, langwierige Krankheit Achille’s dauert an. Wahrscheinlich wird er in das Krankenhaus
Weimar’s oder Jena’s müssen.“ (Weimar und Jena sind nur etwa 22 km voneinander
entfernt.) Zur Beerdigung von Achille Colonello vgl. den Anfang des undatierten Briefes Nr. 66 (Seite 73–74). – Download des Briefbandes hier. In diesem Buch ist auch ein
Brief vom 29. Oktober 1879 an Gille enthalten, in dem es u. a. heißt: „in Nürnberg
[verkehre ich] nur mit Fräulein Lina Ramann [Dürer-Platz] – mein zukünftiger Biograph.“ (S. 64, Brief Nr. 52). – Zu Gille siehe auch die Anm. [47].
Der Todestag Colonellos ist durch folgendes Buch belegbar: Alan Walker, Franz Liszt,
vol. 2–3, New York: Cornell Paperbacks (Knopff), 1997, S. 462. – Der am 12. Mai 1846 geborene Achille Colonnello (der Eintrag im Weimarer Sterberegister, das sich
heute im Stadtarchiv von Weimar befindet, ist durchgängig mit doppeltem „n“ geschrieben), wurde (laut der Sterbefallanzeige zu 29/1884) 37 Jahre und 8 Monate alt
und stammte aus „Selmona“ in Italien. Er starb am 1. Februar 1884, morgens um 6.30 Uhr in einem Weimarer Krankenhaus an „Erschöpfung“. Sein Vater hieß Ruggiero
Colonnello, seine Mutter war eine geborene Ferenti (ihr Vorname ist wie „Antoine“ geschrieben, was jedoch eher ein männlicher Vorname ist). Achille Colonnello war
katholisch, unverheiratet und wohnte in der Marienstraße 17 in Weimar (vermutlich im heutigen Liszt-Haus). – Weiteres ist den Sterbeurkunden zu entnehmen (27 2/3
Sterberegister Weimar, 29/1884 sowie 27 415 Sterbefallanzeige zu 29/1884). Auch Colonellos Todestag lässt sich für den 1. Februar 1884 belegen. (Nach Fotokopien der
genannten Quellen, die mir Herr Dr. Jens Riederer, Stadtarchiv Weimar, freundlicherweise Ende April 2015 postalisch zugänglich machte.) – Siehe auch hier.
[47] Lina Ramann [1833–1912], Lisztiana, Mainz: Schott, 1983, S. 221. – Die
Eintragungen in Ramanns Tagebuch am 1. Februar 1884 ergänzen und bestätigen das Geschehen, das zum Teil auch dem zweiten in Anm. [46] genannten Brief zu entnehmen
ist. Ramann hielt in ihrem Tagebuch u. a. ein Telegramm von Dr. jur. Gille in Jena fest, in dem jener sie bat, Liszt von dem Hinscheiden Colonellos in Kenntnis zu setzen.
[48] Informationen von Frau Prof. Mária Eckhardt, Budapest.
[48a] Die Überschrift des Stückes ist Sérénade Havanaise; die „Orgue“ steht auf S. 36
und 37, jeweils im 3. und 4. System.
[48b] Vgl. Franz Liszt, Unstern! Sinistre (1881), in: ders., LATE PIANO WORKS,
London: Schott & Co. Ltd. (S. & Co. Ltd. 5585), LISZT SOCIETY PUBLICATIONS, Volume One, o. J., S. 41–44; hier die erste Zeile („quasi Organo“) auf S. 44.
[49] Giancarlo Cardinis Aufsatz: siehe im Haupttext. Notenausgabe: Il salotto di Giulio
Ricordi. 16 pezzi per pianoforte, Milano: Ricordi (1985). Unter demselben Titel mit
Cardini als Pianist der Werke Burgmeins: 1 LP (1. registrazione assoluta), 33 UpM,
Stereo, 30 cm, Sipario Dischi CS 14 (1986). (Cardinis Werke lagen mir nicht vor.)
Auf Burgmein und Westerhout (vgl. im Haupttext nach Anm. [34]) verweist zudem
ein Artikel von Anna Tedesco (dt. Übers.: Peter Schleunig, © 2011 Freia Hoffmann)
in der Datenbank des „Sophie Drinker Instituts“, der auf das Repertoire der italienischen Pianistin Luisa Cognetti, verh[eiratete] Michon (1857–1952) eingeht, ohne dass einzelne
Stücke in diesem Fall genannt werden. Deutlich ist aber, dass Luisa Cognetti eine der Schülerinnen von Franz Liszt war.
Einzelheiten, welche Stücke Burgmein Cognetti widmete und welche sie in Konzerten spielte, gehen aus einem Aufsatz Anna Tedescos hervor, den sie einer E-Mail-Antwort im
August 2013 dankenswerterweise beifügte: vgl. Anna Tedesco, Une élève napolitaine. Luisa Cognetti (1857–1952), aus dem Italienischen von Anne Clémence de Grolée,
revue de Cécil Reynaud, in: Quaderni dell’Istituto Liszt, [Nr.] 10, diretta de Rossana
Dalmonte, Milano: Ruggenti Editore, Copyright 2011, S. (246)–269; hier S. 254–255,
Anm. 15. Dieser Aufsatz ging hervor aus einem mit der „Fondazione Istituto Liszt“
(Bologna) durchgeführten Kolloquium („Les élèves de Liszt : figures connue et inconnue“,
Angers [Frankreich], 19.–21. Juni 2008). Dem Aufsatz Tedescos ist zu entnehmen, dass Burgmein drei um 1885 veröffentlichte Klavierwerke Cognetti widmete. Das Livre des Sérénades kam hierbei aber nicht zur Sprache, weder als Empfehlung Liszts noch als im
Repertoire der Pianistin befindliches Werk. (Die Ausgabe der Mémoires von Cognetti ist noch in Vorbereitung, doch zu den angeschnittenen Fragen ist aus dieser Quelle wohl
keine abweichende Antwort zu erwarten, da Tedesco sie bereits auswertete und in oben genanntem Aufsatz zitierte.)
[50] Nicht ganz klar wurde mir Anzahl und Abfolge der ungezählten Seiten zu Beginn
der Notenausgabe. Hier standen mir ein Scan der Bibliothek des Mozarteums sowie ein eigener, im November 2013 käuflich ersteigerter Originaldruck zur Verfügung.
In Letzterem fehlten indes in diesem Abschnitt zwei Seiten, die in dem Salzburger Exemplar vorhanden waren, wobei ich die recto-Seite in Abb. 13 bereits als Scan
einbezogen hatte (auf der verso-Seite standen verschiedene Städte aufgelistet, in denen Ricordi Vertretungen hatte). Hinzu kam, dass in dem selbst erworbenen Druck anfangs
einige Blätter vertauscht sein könnten, da ich als vorderen Umschlag (Einband) nun das in Abb. 12 wiedergebene Bild vorfand. Dagegen zeigte das Angebot eines britischen
Antiquars als Einband einen dunkelbraunen Leinenband, der zentriert mit Kapitälchen den folgenden Aufdruck trug: „RICORDI'S EDITIONS | PIANOFORTE DUET | LE
LIVRE DES SÉRÉNADES | BY | J. BURGMEIN“ (siehe hier), wobei der Text „RICORDI'S EDITIONS“ alles Weitere bogenförmig überwölbte. Diese philologischen
Komplikationen konnte ich nicht vorhersehen, und sie würden eine ausgedehnte Korrespondenz über den Abgleich der in Frage stehenden Ausgaben voraussetzen, zu
der ich aber derzeit nicht fähig bin. – Da ich in meiner eigenen Ausgabe jedoch eine
vergleichsweise starke Pappe als Rückseite vorfand, deren Stärke alle anderen Seiten des Bandes übertraf (Abb. 14), gehe ich, vielleicht irrtümlich, davon aus, dass sich die
bedruckten Seiten aus dem Einband meiner Ausgabe lösten und, unter Verlust eines Blattes am Anfang (2 Seiten), wieder zusammengeklebt wurden. Ein papierner
Klebestreifen, der dem Braun der Umrandung durch seine vertikale Musterung angepasst ist, ist in Abb. 12 am linken Rand, über die gesamte Höhe des Bandes, noch erkennbar;
das ursprünglich vollständige Sternchen in der linken unteren Ecke ist zum Teil überklebt und daher hier unvollständiger als in der diagonal gegenüberliegenden Ecke.
Dank
Für Engagement, Entgegenkommen und einige Übersetzungshilfen danke ich herzlich
Herrn Dario Garau Setzu, Cagliari, Sardinien, und Herrn Dr. Manfred Kammerer, Leiter der Mozarteums-Bibliothek in Salzburg, Universität. Für ihre Unterstützung und Beratung
ist Frau Evelyn Liepsch, Weimar, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Musikwissenschaft, Abt. Medienbearbeitung und -nutzung (Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und
Schiller-Archiv) ebenso herzlich zu danken. Zu danken ist auch Frau Dra. Anna Tedesco (Universitá degli studi di Palermo), die mir mehrere Fragen im Hinblick auf Luisa Cognetti
und Franz Liszt beantwortete, sowie besonders Frau Prof. Mária Eckhardt (Budapest, Liszt Academy), die mir einen detailreichen Überblick über Liszt in den Jahren 1883/84
verschaffte.
Erste Eingabe ins Internet: Donnerstag, 21. Februar 2013. Diverse Nachträge.
Letzte Ãnderung: Montag, 26. September 2016
© 2014–2016 by Herbert Henck
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