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Else Thalheimer
Ein Lebensweg von Köln nach Tel Aviv
Teil 2
von Herbert Henck
Teil 1
Einleitung
Kap. 1 Herkunft und Familienverhältnisse
Else Thalheimer Salo B. Lewertoff Kap. 2 Gymnasium. Studien in Bonn, München und Köln Kap. 3 Die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ Anmerkungen zu Teil 1
Teil 2
Kap. 4 Das Buch VON NEUER MUSIK
Die Entstehung des Buchs Zur Geschichte und Arbeit des Marcan-Verlags
Die drei Herausgeber und der Verleger
Der Briefwechsel mit Ferruccio Busoni
Die Veröffentlichung, ein Verlagskatalog und ein Inserat
Kap. 5 Fritz Jacob Marcan Anmerkungen zu Teil 2
Teil 3
Kap. 6 „Jüdischer Kulturbund Rhein-Ruhr“ und „Jüdische Kunstgemeinschaft“
Paul Hindemith Kap. 7 Auswanderung, Leben in Palästina, Israel und den USA
Emigration. Hubermans „Palestine Symphony Orchestra“ Europareise Amerika, erster Aufenthalt Ein letzter Besuch in Köln Rückkehr nach Israel Amerika, zweiter Aufenthalt Letzte Jahre in Israel Kap. 8 Else Thalheimers Publikationen Kap. 9 Chronologie Else Thalheimer (Else Lewertoff)
Kap.10 Chronologie Fritz Jacob Marcan
Anmerkungen zu Teil 3
Abbildungen
Abb. 1 Else Thalheimer Abb. 2 Shlomo Baruch Lewertoff Abb. 3 Aus dem Katalog des Verlags von F. J. Marcan
Abb. 4 Inserat des Buches VON NEUER MUSIK Abb. 5 VON NEUER MUSIK (Köln 1925). Äußeres des Buchs
Abb. 6 Inserat des Porzellangeschäftes von Jacob Marcan
Ausführlichere Informationen über einzelne Personen
Busoni, Ferruccio (Briefwechsel 1924 mit Marcan-Verlag)
Grues, Heinrich Franz Hindemith, Paul Kruttge, Franz Erich Gerhard Eigel
Lemacher, Heinrich, passim
Lewertoff, Gad Menahem Leyendecker, Herbert Wilhelm Georg
Schönberg, Arnold (Briefwechsel mit Marcan-Verlag)
Wedig, Hans Josef
Dank
Bibliografischer Nachtrag April 2015
Kapitel 4 Das Buch VON NEUER MUSIK
Die Entstehung des Buchs
Die Entstehung des äußerlich ansprechenden wie inhaltlich anspruchsvollen Buchs VON NEUER MUSIK, das den Untertitel führt Beiträge zur Erkenntnis der neuzeitlichen Tonkunst und
Ende Januar des Jahres 1925 in Köln erschien, wurde mir im Wesentlichen aus drei Quellen ersichtlich: den Erinnerungen von Else Lewertoff, geborene Thalheimer, [118] dem Aufsatz Überblick von Heinrich Lemacher [119] sowie dem Briefwechsel des Marcan-Verlags mit Arnold Schönberg und Ferruccio Busoni [120]. Verbreitet, bekannt und nicht selten zitiert wurde das Buch aber weniger durch Schönbergs hier nachgedruckten Text Musik von 1919, [121] sondern vor allem durch die Studie Neue Formprinzipien von Erwin Stein, die unter einem etwas neutralen Titel Schönbergs zwölftöniges Komponieren erstmals in
autorisierter Weise beschrieb. [122] Zwar war Steins Text einige Monate zuvor zu Schönbergs fünfzigstem Geburtstag in den Wiener Musikblättern des Anbruch schon
veröffentlicht worden, doch wurde hierbei auf den „Vorabdruck“ aus dem in Köln anstehenden Buch VON NEUER MUSIK hingewiesen. [123]
Wie aus den Erinnerungen (ca. 1968–1979) von Else Lewertoff hervorgeht, entwickelte sich der Gedanke zu einer jährlichen Publikation über
zeitgenössische Musik im Laufe ihres Studiums an der Bonner Universität. Unmittelbar nach jenem Passus, der noch zitiert wird (siehe unten), schreibt Else Lewertoff zu diesem Thema:
„Zwei meiner Kollegen, Heinrich Grues und Eigel Kruttge, kamen gemeinsam mit mir auf die Idee, ein ,Jahrbuch von Neuer Musik‘ [123a] herauszugeben. Dies war nach dem Kriege einer der ersten Versuche, in der Erfassung neuer musikalischer Phänomene über die nationalen Grenzen hinauszugehen. Wir begannen eine
Korrespondenz mit den massgebenden Musikgrössen des In- und Auslands, und, wenn möglich, kamen wir in persönlichen Kontakt mit ihnen. Gemeinsam übersetzten wir alle nicht auf Deutsch geschriebenen Artikel, und
bald stellten wir fest, dass wir mehr auf uns genommen hatten, als wir je vermutet hätten. Jedoch wir wurden für unsere Bemühungen reichlich belohnt. Erstens lernten wir viele ungewöhnliche
Persönlichkeiten kennen, und, als unser Buch herauskam, war es ein voller Erfolg. Es wurde als ein Standard-Werk beurteilt, und die Wiener Universal Edition zögerte nicht, ein Jahr später, einen
Band herauszubringen, der in seiner Anlage eine genaue Kopie unseres Versuches war. [124] Dass wir selbst nicht an
eine Fortsetzung unseres Unternehmens denken konnten, lag an zwei Gründen. Der künstlerische Erfolg war leider nicht von einem finanziellen begleitet, und dann machte sich allmählich, aber deutlich die Ungunst
der Zeiten bemerkbar.“ [125]
Heinrich Lemacher dagegen übergeht diese Bonner Entstehungsgeschichte freilich und sieht das Buch VON NEUER MUSIK allein in Verbindung mit der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“, wobei ihm Thalheimers und Grues’ Arbeit in der Gesellschaft sowie zwei Vorträge Kruttges teilweise Recht geben. Lemacher, der einer der Gründer und von 1921 bis zu seinem Rücktritt im „Oktober 1925“ [126] künstlerischer Leiter dieser Gesellschaft war, verweist durch seine Datierungen zumindest indirekt darauf, dass das Buch VON NEUER MUSIK – wie er selbst sagt: ein „Standardwerk“ – während seiner Amtszeit nicht nur geplant worden war, sondern auch als eine Art Resümee der ersten vier Jahre zu verstehen sei. So heißt es als Abschluss seines erst 1956 publizierten Überblicks über die Anfänge der „Gesellschaft für neue Musik“:
„Als literarische Frucht der praktischen Bestrebungen der Gesellschaft für neue Musik erschien 1925 in [im] F. J. Marcan=Verlag das von
Heinrich Grues, Eigel Kruttge und Else Thalheimer herausgegebene Standardwerk ,Von neuer Musik‘.“ [127]
Da Lemacher, gleich Thalheimer und Kruttge, in Bonn bis hin zu seiner Promotion Musikwissenschaft bei Ludwig Schiedermair studiert hatte und er somit über
die Möglichkeit verfügte, sich aus erster Hand zu informieren, dürfte ihm der Zusammenhang des Buchs VON NEUER MUSIK mit der Bonner Universität eigentlich nicht unbekannt geblieben sein. Auf Lemachers Darstellung wird deshalb noch etwas näher eingegangen. Hierbei seien die Verdienste, welche die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ und damit auch Lemacher an dem Buch hatten, keineswegs bestritten, gemindert oder vernachlässigt; ebenso wenig sei aber jener Ursprung des Buchs in Bonner Studentenkreisen übersehen, der in Else Thalheimers Erinnerungen deutlich zur Sprache kommt. Gestützt werden die Worte Thalheimers insbesondere durch die mit Arnold Schönberg und Ferruccio Busoni gewechselten Briefe des Marcan-Verlags, welche der Vorbereitung des Buchs dienten. Denn in diesen Briefen aus den Jahren 1923/1924 werden nicht ein einziges Mal Konzerte, Aufführungen oder sonstige Dinge berührt, die man als „praktische Bestrebungen der Gesellschaft für neue Musik“ bezeichnen könnte, und ebenso wenig werden die „Gesellschaft für neue Musik“ oder Heinrich Lemacher in der Korrespondenz des Verlags oder dem Buch selbst angesprochen.
In Lemachers Formulierung schwingt neben seinem geschichtlichen Wissen vielleicht noch etwas anderes mit, da er sich als Komponist, zumal eines schon
seinerzeit umfangreichen Werkes, in einem Dilemma befand. [128] Dieses Dilemma, unter dem zahlreiche Komponisten einst wie heute leiden, besteht in dem Umstand, dass die Eigenschaften eines Komponisten in einem bestimmten Punkt nur schwer vereinbar sind mit den Funktionen des Gründers, künstlerischen Leiters oder Veranstalters einer Konzertreihe mit zeitgenössischer Musik. Die übernommenen Verantwortungen und obliegenden Pflichten behindern nämlich vielfach die Aufführung eigener Werke, da man andernfalls sofort behaupten könnte, die inhaltliche Ausrichtung der Konzerte diene nicht nur gemeinnützigen und förderungswürdigen, sondern zugleich persönlichen und privaten Zwecken.
Zwar lehnte, laut Lemacher, die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ in ihren Konzerten eine Berücksichtigung einheimischer Komponisten ab, denn diese
würden ja bereits von dem Kölner Tonkünstlerverein „aufs beste vertreten“ [129]. Ein Sammelband über neue Musik aber, in dem Lemachers kompositorische Arbeit nicht
einmal ansatzweise in Erscheinung trat, geschweige denn porträtiert oder sogar analysiert wurde, ließ ihn wohl oder übel hinter anderen Komponisten zurückstehen. Diesem Mangel konnte man in gewisser Weise begegnen,
indem man darauf verwies, dass das Buch VON NEUER MUSIK eben allein die Tätigkeit der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ spiegele, welche die Werke einheimischer Komponisten bewusst nicht aufführe. Ein Beitrag über den seit Jahren in Köln ansässigen Komponisten Heinrich Lemacher wäre unter dieser Voraussetzung in dem Buch gar nicht möglich gewesen. [130]
Dies sind allerdings nur unbelegte und vielleicht sogar etwas überzogene Mutmaßungen, die jedoch teilweise von einer Situation des Komponisten
ausgehen, wie sie sich im Laufe der Musikgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts mehrfach wiederholt hat. In A. Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“, an dessen strengen
pädagogischen Zielen sich die Kölner „Gesellschaft“ ausrichtete, wurde diese Spannung zwischen Gestaltung des Programms und der Begünstigung eigener Werke offenbar ähnlich empfunden, so dass man nach
der Gründung des Wiener Vereins (1918) zunächst davon absah, hier eine Komposition Arnold Schönbergs zu spielen. [131] Andere Beispiele lassen sich mutatis mutandis unschwer finden.
Der Sicht Lemachers wäre indes zu entgegnen, dass sich der internationale Ansatz des Jahrbuchs VON NEUER MUSIK nur schlecht mit dem Vorsatz verträgt, Kölner Komponisten aus den Veranstaltungen der „Gesellschaft für neue Musik“ auszuklammern – nicht in jedem Fall, aber doch sofern sie von dem Kölner „Tonkünstlerverein“ bereits vertreten wurden. Hätte man das Jahrbuch unter dieser Prämisse nämlich weitergeführt, hätte es einer internationalen Leserschaft auch bald auffallen müssen, dass kaum einer der hier behandelten Komponisten aus Köln komme – was zu der fatalen Annahme hätte verleiten können, dass es in dieser Stadt eben keinen Komponisten von Rang und Namen gäbe. Hätten Schönberg oder Hindemith damals in Köln gelebt und wären ihre Werke von dem Kölner „Tonkünstlerverein“ bereits aufgeführt worden, hätten sie unter Umständen in der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ nicht mehr berücksichtigt werden können; und folglich wäre auch ihr Erscheinen in dem Jahrbuch VON NEUER MUSIK nicht möglich gewesen, sobald sich dieses Buch, wie Lemacher behauptete, an dem Tun der „Gesellschaft für neue Musik“ orientierte. Die Internationalität, um die es den drei Gründern des Buchs doch ging, fand so eine merkliche Beschränkung in der Rücksicht auf den Kölner „Tonkünstlerverein“. Und nahm man die Aussagen Lemachers wörtlich, geriet man hier wie dort, bei der „Gesellschaft für neue Musik“ wie bei dem Buch, in Abhängigkeit von den Vorgaben des „Tonkünstlervereins“. Diese Spannungen waren allerdings wie bei fast jedem Kunstverein vorherzusehen und lagen bei einer Entscheidung zwischen Gleichberechtigung und künstlerischer Originalität auf der Hand. Die Wirklichkeit dürfte freilich etwas pragmatischer ausgesehen haben [131a]; und die Frage stellt sich, was genau man damals unter einer „Orientierung“ verstanden hatte.
Ob und wie viel Geld aus der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“, die nach Else Lewertoffs Worten „ohne finanzielle Mittel arbeitend, stets auf den
Idealismus ihrer Mitwirkenden angewiesen war“ [132], in das Buch VON NEUER MUSIK einfloss, entzieht sich meiner Kenntnis, und ebenso kann ich mir kein sicheres Urteil darüber erlauben, ob eine Nennung der „Gesellschaft für neue Musik“ (und unter Umständen auch Lemachers oder Leyendeckers) in der Publikation erforderlich oder angebracht gewesen wäre. [133] Gleichviel war die Absicht, das Verständnis zeitgenössischer Musik zu fördern durch ein die Konzerte begleitendes Buch und die Vertiefung des Hörbaren durch Sichtbares, gewiss sinnvoll. Eine offizielle materielle und organisatorische Förderung oder eine deutliche inhaltliche Bezugnahme, Anlehnung oder gar Abhängigkeit hätten freilich durch einen Hinweis in dem Buch selbst kenntlich gemacht werden müssen, wofür sich das Vorwort oder
die Rückseite des Titelblatts anboten. Da solches jedoch nicht geschah, war eine explizite Zusammengehörigkeit von Buch und „Gesellschaft für neue Musik“ kaum außerhalb Kölns begreiflich und blieb auf einer
unverbindlichen, formlosen Ebene, denn sie war nur mittelbar aus den Namen der Herausgeber zu ersehen, setzte Hintergründe voraus und verlangte ein Vorwissen um das Nebeneinander, wenn nicht die
Übereinstimmung der Bemühungen.
Der Briefwechsel des Marcan-Verlags mit Schönberg und Busoni, Else Lewertoffs Erinnerungen und auch andere Quellen lassen unzweideutig erkennen, dass VON NEUER MUSIK anfangs als ein „Jahrbuch“ und damit als Beginn einer Reihe entworfen wurde. Dennoch ließen sich außer dem einen Band von 1925 keine weiteren auffinden oder bibliografisch nachweisen. [134] Selbst das Vorwort nannte noch eine geplante „jährliche“ Erscheinungsweise, [135] zugleich versah der Verlag das Buch aber nicht mit einer bei Jahrbüchern üblichen Zählung oder sonstigen Nummerierung, aus welcher die Folge ihres Erscheinens hervorgegangen wäre. Ebenso erwähnte der Verlags-Katalog von Marcan für den „Winter 1924/25“, der die Neuerscheinung ganzseitig annoncierte, nichts von der Fortsetzung eines ersten Bandes, einem Dauerbezug oder einer Subskriptionsmöglichkeit (siehe Abb. 3). Dieses wiederholte sich in den kurz nach Erscheinen des Buchs veröffentlichten Inseraten (siehe unten oder Abb. 4).
Man kann daraus schließen, dass der Verlag den finanziellen Misserfolg des Buchs vorhersah oder aber die Begrenztheit der eigenen Mittel erkannte, denn die Beschränkung des Jahrbuchs auf einen Band allein
erfolgte noch vor seiner Veröffentlichung und war, wie man sehen kann, nicht erst eine Reaktion auf die Anzahl zu weniger Bestellungen. [136] Sofern nicht triftige Gründe vorlagen, dürfte dieser Zwiespalt zwischen dem, was man ankündigte, und dem, was man tat, nicht nur auf Verständnis und Zustimmung gestoßen sein, zumal die Entscheidung, es bei einem einzigen Band zu belassen, so kurz vor dem Druck gefallen sein müsste, dass sich die Herausgeber in ihrem ohnehin knappen Vorwort nicht mehr auf die veränderte Lage beziehen konnten und den Lesern gleich zu Beginn Überholtes mitteilten. [137] Else Lewertoff benannte später auch zwei Gründe (Finanzen und „Ungunst der Zeiten“), die der Fortsetzung des Jahrbuch-Unternehmens im Wege standen, doch die wichtige Rolle des Verlags kam hierbei nirgends zur Sprache. [137a]
Zur Geschichte und Arbeit des Marcan-Verlags
Um den Hintergrund des Buchs VON NEUER MUSIK noch besser zu verstehen, seien einige Bemerkungen über den Kölner Marcan-Verlag eingeflochten,
dessen Veröffentlichungen sämtlich in die zwanziger Jahre oder genauer: in die sechs Jahre von 1922 bis 1927 fielen. [138]
Die Publikationen begannen 1922 mit drei an der Kölner Universität bei einer Gedenkfeier für den ermordeten Reichsaußenminister Walther Rathenau gehaltenen
Reden, [139] während die letzten drei erschienenen Drucke Teilveröffentlichungen kunstgeschichtlicher Kölner Dissertationen waren. [140] Da das erste und einzige Buch, das 1922 meines Wissens vom Marcan-Block-Verlag verlegt wurde, ganz im Zeichen des Attentats auf Rathenau am 24. Juni 1922 stand und nicht wie andere Bücher planbar war, gewinnt man den Eindruck, dass die Verlagsgründung auf diesen äußeren und unvorhersehbaren Anlass zurückging. Vorbereitungen waren wohl trotzdem getroffen, denn die Buchproduktion erreichte in den Jahren 1923/24 bereits ihren Höhepunkt. Danach war diese so rückläufig, dass sich für 1926 überhaupt kein neuer Titel mehr nachweisen ließ, und 1927 erschienen als letzte belegbare Veröffentlichungen allein die schon genannten Dissertations-Teildrucke im Umfang von je 31 Seiten. [141] Dass unter solchen Voraussetzungen kein neues Verzeichnis der Publikationen des Marcan-Verlag nach 1925 mehr erschien, scheint verständlich. Frühere Kataloge, die etwa die Buchproduktion von 1923 oder 1924 betreffen, sind mir aber nicht bekannt geworden.
In diesem Rückgang der Produktion mag man nach steilem Aufstieg einen ebenso steilen Abstieg des Verlags erblicken, der mit international angesehenen, zum
Teil auch radikalen, kontrovers diskutierten Autoren und Universitätsdozenten einsetzte und mit Kurzfassungen von Doktorarbeiten aus der lokalen Studentenschaft endete. Gleichzeitig wurde keines der bei
Marcan erschienenen Periodika hier fortgesetzt, weder die Deutschen Beiträge zur Kunstwissenschaft (von denen überhaupt nur zwei Bände, 1924 und 1925, erschienen) noch das bis heute fortbestehende Wallraf-Richartz-Jahrbuch (nur Band 1 von 1924 bei Marcan, danach Wechsel des Verlags) oder der anfangs als Jahrbuch konzipierte Band VON NEUER MUSIK (1925). [142] Auch die luxuriöse Reihe Die Drucke der Kölner Presse (siehe unten), von welcher der Katalog des Verlags
noch vier Bände pro Jahr vorgesehen hatte, wurde nach zwei Bänden (beide 1924) wieder eingestellt.
Ob diese Entwicklung allein wirtschaftliche Ursachen hatte und welche Rolle hierbei die Auswirkungen der sich bis zum November 1923 ständig steigernden
Inflation spielten (zuletzt lag der Wechselkurs von 1 US-Dollar bei 4,2 Billionen Mark), vermag ich nicht zu sagen. [143] Die Abgabe der Manuskripte für das Buch VON NEUER MUSIK war vom Verlag jedoch ursprünglich für „Anfang November 1923“ erbeten worden, [144] und somit hat man Grund für die Annahme, dass die Herstellung und Veröffentlichung des Buchs sich durch mindestens zwei Umstände verzögerte: einerseits durch die immer abstrusere Geldentwertung und die damit einhergehende Unkalkulierbarkeit der Preise, andererseits durch das Ausbleiben von Busonis Beitrag infolge seiner Krankheit und schließlich seines Todes am 27. Juli 1924 (siehe hierzu den Abschnitt Der Briefwechsel mit Ferruccio Busoni). [145]
Beruhen vorstehende Aussagen nur auf einer gewissen Wahrscheinlichkeit, so gibt es in den Briefen des Verlags an Arnold Schönberg vielleicht doch
noch einen konkreteren Hinweis. Der vorgedruckte Briefkopf der ersten beiden Briefe vom 5. Juni und 1. August 1923 zeigte nämlich unter der Überschrift „MARCAN, BLOCK-VERLAG“ [146] zusätzlich eine „G. M. B. H.“ (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) an. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass aus den eingesehenen Quellen nirgends hervorging, ob es sich bei „Block“ [146a] um eine sonst nicht in Erscheinung getretene Person gehandelt hatte, oder ob mit dieser Bezeichnung der Zusammenschluss mit einem oder mehreren anderen Verlagen unter Leitung des Marcan-Verlags gemeint war. Auch die Sparten Kunst, Literatur, Philosophie, Religion und Musik, ja selbst familiäre Zusammengehörigkeit wären als „Block“ denkbar. Dabei ist aber ersichtlich, dass die ersten Bücher des Marcan-Block-Verlages 1922 und hauptsächlich im Jahre 1923 erschienen, dass sich der Verlagsname in dem Jahre 1924 aber zu „F. J. Marcan-Verlag“ veränderte. [147] In dem Briefkopf des letzten Briefs (Unterschrift von dem „Prokuristen Manschmidt“) an Schönberg (6. November 1924) entfiel nun auch die G. M. B. H., und der Verlagsname wandelte sich zugleich in „F. J. MARCAN-VERLAG“, wie es denn auch 1925 in dem Buch VON NEUER MUSIK stand.
Dieser Vorgang wiederholte sich in den Stempeln des Verlags, welche die Unterschriften am Ende der Briefe begleiteten. [147a]
Die Frage erhebt sich daher, ob sich ein Teilhaber aus dem Verlagsgeschäft wieder zurückzog und seine Teilhaberschaft kündigte, wodurch sich in der Folge
nicht nur die juristische Form, sondern auch der Firmenname des Verlags änderten. Der Rückzug eines Teilhabers, über dessen Name und Gründe mir nichts Zuverlässiges bekannt ist, könnte infolge der nun ausbleibenden
Mittel für das Ende des Verlags mitverantwortlich gewesen sein, denn die Buchproduktion war, nach Fertigstellung oder Begrenzung des Begonnenen, so stark rückläufig, dass bald überhaupt keine selbständigen Projekte
mehr in Angriff genommen wurden. Diese Zusammenhänge, welche angesichts des um sich greifenden Antisemitismus und der damit einhergehenden „Ungunst der Zeiten“ (Else Lewertoff) nur eine Teilwahrheit sein
dürften, ließen sich freilich nicht durch Einträge im Handelsregister des Kölner Amtsgerichts oder im Gewerberegister des Ordnungsamtes der Stadt Köln bestätigen und sind daher als spekulativ zu betrachten.
Denn in den überlieferten Dokumenten dieser beiden Ämter ist lediglich das Porzellangeschäft von Jacob Marcan erfasst, und von einer Verlagstätigkeit gleich welcher Art ist hier wie dort keine Rede. [148]
Verleger, auf den im folgenden Kapitel 5 noch näher eingegangen wird, war jedenfalls der gebürtige Kölner Fritz Jacob Marcan (1898–1972). [149] Marcan hatte für den zweiten Band des Wallraf-Richartz-Jahrbuchs einen kunstgeschichtlichen Beitrag über Johann Anton Ramboux (geb. 1790 in Trier, gest. 1866 in Köln) geschrieben, wobei auffällt, dass keine anderen Aufsätze Marcans auffindbar waren und sich seine nachweisbaren Veröffentlichungen später ganz auf das Verlegen von Drucken beschränkt zu haben scheinen. [150]
Dass sich der Verlag mit einem Buch vorstellte, in welchem, neben zwei weiteren Verfassern, der in München geborene Philosoph Max Scheler (1874–1928) über Walther Rathenau schrieb, war indes mehr als eine Äußerlichkeit oder ein Zufall, denn Scheler, der kurz vor der Jahrhundertwende von der jüdischen Religion zum Katholizismus konvertiert war, war auch Autor des Nachwortes zu den Gesprächen
und Briefen Walther Rathenaus. Letzteres Buch erschien etwa 1925 und stammte von dem schwedischen Maler und Schriftsteller Ernst Norlind (1877–1952), der seine Bekanntschaft mit Rathenau dem Philosophen, Literaten und Theoretiker Gustav Landauer (1870–1919) verdankte. [151] Laut einer Fußnote war Schelers Nachwort in Norlinds Buch der Abdruck eben jener Rede, die Scheler am 16. Juli 1922, etwa drei Wochen nach Rathenaus Tod, anlässlich einer Gedenkfeier an der Kölner Universität gehalten hatte und die zunächst in dem genannten ersten Buch des Marcan-Verlags 1922 erschienen war. [152] Damit wird verständlich, dass dieses Nachwort eher einem Nachruf gleicht. Von Gustav Landauer [153] wiederum verlegte Marcan gleich sechs Titel, deutlich mehr als von jedem anderen Autor des Verlagsprogramms, [154] ebenso jedoch zwei Bücher von Leo Schestow (Lev Chestov, ursprünglich: Jehuda Leib Schwarzmann), der wiederum mit Edmund Husserl, dem Begründer der Phänomenologie, sowie dem Phänomenologen Max Scheler in Verbindung stand.
Andererseits hatte der Phänomenologe Herbert Leyendecker die Entstehung der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ betrieben, [155] und Leyendecker gilt heute als Schelers Schüler, dem zahlreiche Aufzeichnungen über seinen Lehrer sowie Mitschriften seiner Vorlesungen zu danken sind. [156] Schließlich fällt auf, dass Else Thalheimer den phänomenologisch orientierten Philosophen Moritz Geiger (Universität München) als den „most impressive
teacher“ ihres gesamten Studiums hervorhob, [157] so dass sich in den Veröffentlichungen des Marcan-Verlags eine gewisse Nähe und Vertrautheit mit dem Kreis und den Lehren der „Münchener Phänomenologen“ abzeichnet.
Ohne entsprechende Quellen und ohne diesen Punkt überbetonen zu wollen, wäre es meiner Ansicht nach aber verfehlt, diesen Einfluss Else Thalheimer
zuzuschreiben; ebenso wäre das Umgekehrte möglich, da Marcan, wie im Folgenden gezeigt, die Münchener Verhältnisse bereits seit 1916 aus eigener Anschauung kannte und er seinerseits Else Thalheimer zu einem
Studium in München angeregt haben mag. Dass Max Scheler nach der Berufung an die Kölner Universität (1921/22) hier nicht nur eine Professur für Philosophie innehatte, sondern er auch Direktor der
Abteilung Soziologie am 1919 gegründeten „Forschungsinstitut für Sozialwissenschaften“ war, sei in diesem Zusammenhang nicht vergessen, zumal Marcan für seinen Verlag Personen und Themen in die engere
Wahl zog, die mit Köln oder dem Rheinland in Beziehung standen (Köln gehörte nach Berlin als zweitwichtigste Stadt in Preußen damals zur sogenannten Rheinprovinz). Mit Scheler war somit einer der herausragenden
Repräsentanten der „Münchener Phänomenologen“ seit den frühen zwanziger Jahren in Köln tätig und arbeitete hier nach seiner Berufung durch Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer. [158]
Zu berücksichtigen ist, wie angedeutet, der Umstand, dass Fritz (Jakob) Marcan zwischen 1916 und 1922 in München unter
vier verschiedenen Adressen gemeldet war: vom 24. April bis zum 19. November 1916 (etwa sieben Monate), vom 1. Juli 1919 bis zum 5. September 1920 (etwa vierzehn Monate unter zwei nahen Adressen
in derselben Straße) und vom 5. April bis zum 1. Mai 1922 (knapp einen Monat). Damit verbrachte Marcan zwischen 1916 und 1922 insgesamt etwa 1 Jahr und 10 Monate in München. [159] Diesen amtlichen Aufzeichnungen zufolge war Marcan im Frühjahr 1919, während der Ereignisse um die „Räterepublik“, in München jedoch nicht gemeldet.
Weiteren Aufschluss erbrachte eine Anfrage beim Archiv der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität, von dem mir Dr. Claudius Stein drei Fotokopien aus der
„Stud. Kartei I (Marcan, Fritz)“ schickte. Diesen Dokumenten waren nicht allein Marcans Studien und Adressen in München zu entnehmen, sondern zugleich auch die eingestempelten Zeiten (nicht die Orte)
seines Heeresdienstes. Ferner gab es auf der ersten der bei Marcans Immatrikulation am 1. Mai 1916 (Nr. 106) angelegten Karteiseiten ein passbildartiges Foto, das Marcan vermutlich im Jahre 1916 zeigt. [160] In der Rubrik der dem Studium vorausgehenden Schulbildung wurde „R“ für Realgymnasium unterstrichen, [161] als Religionszugehörigkeit ist „isr[aelitisch]“ angegeben.
Den Dokumenten zufolge begann Marcan sein Universitäts-Studium in München im Sommersemester 1916 mit „Rechte, Philo[sophie] (Gesch[ichte])“ als
Fächern. [162] Eine Unterbrechung des Studiums durch den Heeresdienst fand vom „13. Januar 1917“ bis zum „26. November 1918“ (Kriegsende)
statt, so dass Marcan fast zwei Jahre lang als Soldat eingezogen war. [163] Am 4. Juli 1919 immatrikulierte er sich erneut an der Münchener Universität (Nr. 465), wobei für das Sommersemester 1919 als Studienfach nunmehr „Philol[ogie]“ angegeben ist. Die Exmatrikulation erfolgte am 27. bzw. 31. Juli 1920. [164] Die angegebenen Adressen in der Ainmiller- und der Kaulbachstraße stimmen mit den behördlichen Meldungen überein. Marcans dritter Aufenthalt in München, der nur etwa einen Monate dauerte, diente offenbar einem anderen Zweck als seinem Studium, denn im Unterschied zu den Meldeunterlagen wurde er in den Universitätsakten nicht vermerkt.
Dass Marcan vor der in Köln erfolgten Gründung seines Verlags in München in Kontakt gekommen sein könnte mit den „Münchener Phänomenologen“, den
Ideen der „Räterepublik“ oder dem Personenkreis um Gustav Landauer, der als Autor später im Verlagsprogramm Marcans eine wichtige Rolle spielte, scheint mir indes vorstellbar, in gewisser Weise sogar
wahrscheinlich und daher weiterer Forschung bedürftig. Und da Else Thalheimer im Sommersemester 1920 in München studierte (vgl. Kapitel 2), wäre eine Begegnung mit Marcan in dieser Zeit grundsätzlich möglich gewesen. Waren Marcan und Thalheimer, wie die Meldebogen und die
Studentenkartei der Universität zeigen, aber auch zur selben Zeit in München, so ist eine Bekanntschaft zu diesem Zeitpunkt bislang nicht gesichert, auch wenn zu beobachten ist, dass sie beide sich an zwei
aufeinanderfolgenden oder sehr nahe gelegenen Tagen an der Münchener Universität exmatrikulierten. Dies könnte freilich auch ein Zufall sein. [165]
Neben Werken zur Kunst, unter denen die rheinische und speziell die Kölner Kunst einen Schwerpunkt bildeten, verlegte Marcan ansonsten einzelne Werke von
Johann Wolfgang von Goethe, Novalis, Blaise Pascal [166], Leo Schestow [167], Friedrich von Schlegel [168] und Fjodor Dostojewski [169], besonders aber, wie gesagt, von Gustav Landauer.
Insgesamt ging es dem Verlag um ausgewählte, bisweilen theoretisch ausgerichtete, essayistische Arbeiten aus einem einflussreichen Gesamtschaffen, nicht um wissenschaftliche Ausgaben, die auf Vollständigkeit,
Überblick oder Textkritik bedacht waren. So flossen in das Programm die Neigungen des Verlegers ein, was nichts Ungewöhnliches wäre und wogegen grundsätzlich auch nichts einzuwenden ist, denn Marcan trug
letztlich alle Verantwortung, stellte seinen Namen und Ruf als Verleger eines eigenen Verlags aufs Spiel, machte sich Gedanken über seine rechtliche Struktur oder sorgte für die Finanzierung des Unternehmens.
Dass Bücher über Anarchie oder Sozialismus dabei eine Art von bildungsbürgerlicher Ausstattung erfuhren, die sie in eine Reihe mit klassischen Autoren stellte, gehört eher zur Unausgewogenheit eines
Verlags, dem man vielleicht die Jugend, die fehlende Familientradition und letztlich die verzeihlich mangelnde Erfahrung seines Verlegers zugutehalten und das notwendige Verständnis entgegenbringen muss. Leichte
Verkäuflichkeit und materieller Gewinn standen nicht als Gebot über allem, und Vielseitigkeit, Internationalität, Einsatz und Wagemut für das, was man liebte, als wichtig und wertvoll erachtete, entschädigten
reichlich für manche Bedenken.
Nicht zu übersehen ist die innige Verflechtung mit jüdischer Kultur, und das gut überschaubare Verlagsprogramm Marcans
ist von dieser Tendenz ebenso durchdrungen wie der Band VON NEUER MUSIK selbst – Umstände, die einen Fortbestand des Verlags, Werbung für seine Titel oder eine Verbreitung der Drucke nach 1933 als Unmöglichkeit erscheinen lassen. Waren bereits Rathenau, Landauer oder Schestow, mehrere Herausgeber wie Martin Buber und Paul Frankl oder der Übersetzer Alexander Eliasberg jüdischer Abstammung, so stehen in dem Band VON NEUER MUSIK neben
einleitenden Essays von Adolf Weißmann oder dem Philosophen Ernst Bloch [170] Beiträge von Arnold Schönberg, Erwin Stein, Hugo Leichtentritt, Egon Wellesz oder Wilhelm Altmann, die 1940 in Theo Stengels und Herbert Gerigks Lexikon der Juden in der Musik oder anderen antisemitischen Lexika nachschlagbar waren. [171] Erik Satie, über den Charles Koechlin in VON NEUER MUSIK schrieb, wurde spätestens in Ernst Bückens Wörterbuch der Musik von 1940 oder in Hans Joachim Mosers Musiklexikon von 1943 als Jude benannt, [172] und schließlich wurden die Lehren des jüdischen Theoretikers und Komponisten Heinrich Schenker in einem großen Aufsatz von Otto Vrieslander über Carl Philipp Emanuel Bach so häufig einbezogen, dass im Register des Bandes Schenkers Nennungen den Seitenverweisen auf Arnold Schönberg mengenmäßig gleichkamen. [173] Selbst Ferruccio Busoni, auf den sich das Buch VON NEUER MUSIK in mehrerlei Hinsicht bezog, wurde 1932 von Walter Trienes als „Halbjude“ bezeichnet. [174] Sowohl der Verleger Fritz Jacob Marcan wie auch die Mitherausgeberin Else Thalheimer waren jüdischer Herkunft, und beide emigrierten unter Hitler noch rechtzeitig aus Deutschland, worauf an späterer Stelle eingegangen wird. [175]
Größter Wert wurde auf die Gestaltung der Bücher und ihre handwerkliche, teilweise kunsthandwerkliche Anfertigung gelegt. Mehrere Ausgaben des
Marcan-Verlags erschienen in limitierten und nummerierten Auflagen, konnten in Ganzleder oder sogar Ganzpergament bezogen werden, waren in einer eigenen Kassette geschützt, und auf Wunsch wurden die Namen der Käufer
auch eingedruckt. Allerhöchste Maßstäbe wurden jedoch angelegt, um den Bänden der Reihe „Die Drucke der Kölner Presse“ Unverwechselbarkeit, Würde und Schönheit
zu verleihen, doch wurden, wenngleich der Verlagskatalog 1924/25 auf jährlich „etwa vier Bände“ hinwies, überhaupt nur zwei Titel im Jahre 1924 verlegt: Goethes Schrift Winckelmann und Friedrich von Schlegels Gespräch über die Poesie.
Der Verlagskatalog oder die Beschreibung von Antiquaren sprechen bei diesen „Vorzugs-Ausgaben“ unter anderem von Drucktypen aus dem 18. Jahrhundert, die bei der angesehenen Schriftgießerei Ludwig & Mayer in Frankfurt am Main neugegossen waren, von der Herstellung in einer Handpresse, bei Johann Wilhelm Zanders in Bergisch Gladbach geschöpftem Büttenpapier und besonderem Wasserzeichen oder von der Kölner Offizin Paul Gehly. Der Verlagskatalog sagte: „Die gesamte Druckleitung sowie der Entwurf der in Holz geschnittenen Titel, Initialen, Eigenzeichen und Einbände wurde dem Buchkünstler Jakob Erbar [1878–1935] von der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule der Stadt Köln übertragen.“ [176] So verwundert es nicht, dass man zumindest einem Buch des Marcan-Verlags in der Stuttgarter Einbandsammlung von Max Hettler begegnet, das die aus Köln stammende Künstlerin Marta Worringer illustrierte. [177]
Solche ungewöhnlich hohen Ansprüche, die ihresgleichen suchen, schlugen sich selbstverständlich in den Umsätzen nieder, so dass es sich hier nicht um Volks-
oder Studienausgaben, sondern um kostbare, bibliophile Schmuckstücke für Sammler und Liebhaber handelte, die noch heute antiquarischen Wert besitzen. Der Druck des Bandes VON NEUER MUSIK wurde vom Bibliographischen Institut in Leipzig ausgeführt, während der genannte Katalog des Marcan-Verlags (1924/25) von der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig hergestellt wurde, beides Firmen, die im neunzehnten Jahrhundert gegründet waren, über lange Erfahrung verfügten und Gediegenheit verbürgten. [178] Ein Buch über Musik jedoch, zumal über zeitgenössische Musik war die Ausnahme, und andere nur auf Musik bezogene Veröffentlichungen, die bei Marcan erschienen, sind mir nicht bekannt. [179] Gewiss war der Marcan-Verlag kein großer und mächtiger, sondern ein eher zögerlicher, zurückhaltender und exklusiver Verlag, denn sein Katalog für den Winter 1924/25 verzeichnete nicht mehr als neunzehn Titel für eine mehr oder weniger intellektuelle und wohlhabende Leserschaft, die gut wusste, wofür sie ihr Geld verwendete. Dagegen war der Verlag recht fein, finanzkräftig, eigenwillig, und außerordentlich anspruchsvoll und qualitätsbewusst bei seinen Produkten. Kleine und kleinste Auflagen waren die Regel, aber die Preise der Bücher berücksichtigten dieses natürlich.
Die drei Herausgeber und der Verleger
Einiges sei noch über die Herausgeber des Buchs VON NEUER MUSIK gesagt; Weiteres findet sich im Anmerkungsteil zusammengestellt. In alphabetischer Folge waren rückseitig auf dem Titelblatt genannt: „H. Grues“ (das ist Heinrich Grues, 1896–1969) [180], „E. Kruttge“ (das ist Eigel Kruttge, 1899–1979) [181] und „E. Thalheimer“ (das ist Else Thalheimer, 1898–1987). – Auffällt, dass keiner der Herausgeber (abgesehen von dem kurzen Vorwort auf S. [III]) schrieb, so dass man die Veröffentlichung nicht als Vorwand begreifen konnte, selbst schreibend tätig zu werden. Die Beschäftigung von gleich drei Herausgebern an einem einzigen Buch, die nicht unbedingt für einen Verlag wirbt, mag noch von dem Gedanken an ein Jahrbuch, einer Erweiterung des ästhetischen Spektrums oder des Beginns einer längerwährenden Verbreitung bestimmt gewesen sein, doch vielleicht auch von der Überlegung, dass es ratsam sei, die ursprünglichen Bindungen, die zur Entstehung des Buchs geführt hatten, nicht aufzulösen. Gleichzeitig ließ sich der Bezug zu der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“, die nicht in dem Buch genannt wurde, zumindest indirekt an der Herausgeberschaft kenntlich machen. [182] Immerhin waren in diesem Kölner Kreis viele der an „neuzeitlicher Tonkunst" Interessierten vereint, und sicherlich waren, aus kaufmännischer Sicht, mehrere dazu in der Lage, sich das Buch zu leisten. Es handelte sich hier schließlich auch um Kundschaft des Marcan-Verlags.
Zum andern besteht die Möglichkeit, wenn nicht gar Wahrscheinlichkeit, dass Grues, Kruttge, Thalheimer und Marcan während ihres Studiums in Bonn einander
bereits begegnet waren und zumindest so etwas wie einen mehr oder weniger lockeren Bund gebildet hatten, welcher unter anderem die Entwicklung der zeitgenössischen Musik verfolgte. Denn sie alle vier, die auch in
ähnlichem Alter standen, studierten an der Bonner Universität zu Beginn der zwanziger Jahre. Kruttge, Marcan und Thalheimer hatten unter anderem Philosophie belegt, [183] doch während nur Eigel Kruttge und Else Thalheimer beide am 1. März 1924 in Musikwissenschaft promoviert wurden, studierte Grues ab 1915 Neuere Philologie, Marcan ab 1918 Geschichte, ab 1921 Philosophie. Marcan war zwar noch bis 1930 in Bonn immatrikuliert, doch ob er in dieser Zeit tatsächlich Vorlesungen besuchte oder an Seminaren teilnahm, ist ungewiss. [184] Marcan mag Thalheimer auch im Jahre 1920 in München begegnet sein, wovon oben bereits die Rede war. Sicher ist jedoch, dass weder Grues noch Marcan promoviert wurden. Der Ausdruck „Kollegen“, den Thalheimer für Grues und Kruttge bei der Entstehung des Buchs VON NEUER MUSIK verwendete, ist auf jeden Fall gerechtfertigt, da es sich um Kommilitonen von ihr handelte. [185]
Ein gewisser Zweifel bleibt bestehen, ob Fritz Jacob Marcan schon damals in Bonn zum engeren Kreis von Thalheimer, Kruttge und Grues gehörte, da Else
Lewertoff in ihren Erinnerungen nur von ihren zwei späteren Mitherausgebern, aber überraschenderweise nirgends von Fritz Jacob Marcan oder seinem Verlag spricht. Gleichwohl hatte sie, zusammen mit ihrem Mann und Sohn, Marcan nach dem Zweiten Weltkrieg in Amsterdam besucht, als sie 1948 dort auf einer Vortragsreise Station machte. [186]
Der Einbezug aktueller Strömungen und somit die ästhetische Offenheit und Liberalität der Musikwissenschaft an der Bonner Universität mögen ebenso gute
Vorbedingungen geschaffen haben wie die Teilnahme mancher Studenten an Festivals und anderen Veranstaltungen mit zeitgenössischer Musik. [187] Insgesamt ist erkennbar, dass Marcan bereit war, die Einheit, die durch die Entstehung des Buchs VON
NEUER MUSIK in Bonn geschaffen war, auch ohne Bezug auf die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ anzuerkennen und als vorgegebene Herausgeberschaft in dem von ihm verlegten Druck zu wahren. Die allen
Beteiligten gemeinsame akademische Bildung, die Kenntnis derselben Personen und das Bewusstsein ähnlicher Erfahrungen dürften ebenfalls von Nutzen gewesen sein.
Mit dem erforderlichen Vorbehalt seien noch einige andere Gründe genannt, warum die drei Genannten zu Herausgebern einer Publikation über zeitgenössische
Musik wurden, auch wenn sie sich zuvor auf ihre Begabung für diese Aufgabe nicht eigens hatten vorbereiten können:
Else Thalheimer war durch ihre Tätigkeit in der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ wahrscheinlich am ehesten mit der Thematik vertraut und besonders
durch ihr Engagement wie ihre der Information und dem Austausch dienenden Reisen auch in der Lage, das Buch in den interessierten Kreisen bekannt zu machen. Selbst wenn Heinrich Lemacher erst im Oktober 1925
zurücktrat, mag diese Absicht schon eine Weile bestanden haben, publik geworden sein und die Überlegungen für seine Nachfolge in Gang gesetzt haben. [188] Da Musik der Gegenwart aber dem Verleger Fritz Jacob Marcan vergleichsweise fernlag und auch keine weitere Rolle in seinem Verlagsprogramm spielte, könnte die Anregung zum Verlegen eines Jahrbuchs über zeitgenössische Musik gar von Thalheimer ausgegangen sein. Heinrich Lemacher besagt zwar eindeutig, dass das Buch VON NEUER MUSIK auf die Arbeit der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ zurückgehe, [189] doch mochte dies im vorliegenden Fall identisch gewesen sein, da Thalheimer in jener Zeit den Vorsitz dieser Gesellschaft übernahm oder bereits innehatte und sich die Interessen der „Gesellschaft für neue Musik“ mit persönlichen Vorlieben oder Abneigungen oft unauflöslich verbanden.
Eigel Kruttge, gleich Thalheimer promovierter Musikologe seit dem März 1924, vermochte nicht nur die Verbindung zu Otto Klemperer und dem Kölner Opernhaus
herzustellen [189a], sondern erfreute sich auch der persönlichen Bekanntschaft Leo Kestenbergs. [190] Zudem wusste er, wie die Briefe an Schönberg und Busoni erkennen lassen, seine musikalisch-fachlichen Kenntnisse mit geschäftlichen Aufgaben in Einklang zu bringen. Wie Thalheimer und Grues stand auch Kruttge der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ nahe, was durch seinen dortigen Vortrag über Mussorgskis Oper Boris Godunow,
die Klemperer seinerzeit als Kölner Erstaufführung dirigierte, und seinen Beitrag zu einem Gedenkabend nach Busonis Tod bezeugt ist. [191]
Heinrich Grues hatte nicht nur, gleich Thalheimer und Kruttge, an der Entstehung des Buchs VON NEUER MUSIK mitgewirkt, sondern gehörte auch der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ von Anbeginn an und wurde in ihrem Vorstand tätig. [192] Bei ihm mögen seine an der Bonner Universität studierten Kenntnisse von Fremdsprachen, seine buchhändlerische Ausbildung und seine in Köln-Mülheim befindliche „Bücherstube auf dem Wall“ dem Marcan-Verlag von Vorteil erschienen sein. [193] Zu musikalischen Themen scheint Grues nicht im Besonderen Stellung genommen zu haben, doch ist wenigstens ein Aufsatz von ihm über Clara Schumann im Jahre 1921 nachweisbar. [194] – Darüber hinaus ist bei allen drei Herausgebern denkbar, dass Fritz Jacob Marcan die Beschäftigung nur ihm persönlich bekannter, ortsansässiger, leicht erreichbarer und gut abkömmlicher Mitarbeiter in Betracht zog. Dies alles sind aber nur Überlegungen allgemeiner Natur, die zwar nicht ohne Grund ausgesprochen werden, die im Einzelfall aber auch nebensächlich gewesen sein mögen.
Die Herausgeber, deren Vornamen wie jene des Verlegers in dem Band VON NEUER MUSIK unterschiedslos abgekürzt wurden (was bewirkte, dass nicht erkennbar werden konnte, ob es sich um Männer oder Frauen handelte), trugen damals wie heute keine weithin bekannten Namen, wurden in dem Buch nicht vorgestellt und auch sonst nirgends erwähnt. In dem Vorwort (S. [III]), das sich ästhetisch nicht festlegte und nur mit „Die Herausgeber“ unterzeichnet ist, äußerten sie sich lediglich kollektiv. Dieses Vorwort schließt mit dem Bezug auf den Komponisten, Pianisten und Theoretiker Ferruccio Busoni, dessen Foto das Buch als Frontispiz eröffnet hatte und dessen am 3. August 1909 „so empfundene“ Worte An die Jugend (S. [VII]) den Textbeiträgen mottoartig vorangingen. Ein weiterer Bezug auf sein Schaffen, neben eher beiläufigen Nennungen in den Aufsätzen, war der Abschnitt Ferruccio Busoni † in Wilhelm Altmanns Versuch einer Bibliographie über Neue Musik am Ende des Bandes. [195]
Der Briefwechsel mit Ferruccio Busoni
Wie aus den zwei überlieferten Briefen von Eigel Kruttge an Ferruccio Busoni vom 14. Januar und 16. März 1924
hervorgeht, hatte er Busoni in seiner Berliner Wohnung aufgesucht. [196] Busoni hatte seine Mitarbeit am ersten Band des „Jahrbuchs“ VON
NEUER MUSIK zugesagt und versprochen, einen Text beizusteuern. Da er jedoch schon krank war und sein erwarteter Beitrag ausblieb, schrieb ihm Kruttge im Januar 1924 verabredungsgemäß und machte ihn höflich darauf aufmerksam, dass der „Endtermin“ für noch ausstehende Manuskripte der 15. Februar (1924) sei. Bei dieser Gelegenheit bedankte er sich nochmals für die „Verstreuten Aufzeichnungen“, die ihm Busoni geschenkt hatte. [197]
Ohne hierfür Belege zu haben, könnte die Beziehung zu Busoni auf Leo Kestenberg zurückgehen, welcher Kruttge ja auch auf die Bedeutung von Arnold Schönberg
und dessen Aufsatz Musik hingewiesen hatte. Kestenberg kannte Busoni recht gut, hatte nicht nur in Berlin nach der Jahrhundertwende seine pianistische Ausbildung von ihm erhalten, sondern auch Busonis Berufung an die „Akademie der Künste zu Berlin“ im Jahre 1920 bewirkt. Nach Ferruccio Busonis Tod wurde Schönberg 1925 sein Nachfolger – erneut auf Veranlassung von Leo Kestenberg. [198]
Der zweite Brief Kruttges vom 16. März 1924 bezieht sich zunächst auf die private Mitteilung Otto Klemperers, dass sich Busonis Befinden „immer noch nicht
im erhofften Maße gebessert“ habe. In diesem Umstand erblickte Kruttge die Ursache für das weitere Ausbleiben von Busonis Beitrag. Vor Abschluss des ersten Bandes [!] VON NEUER MUSIK wolle er jedoch Gewissheit haben, ob man „auf irgendeinen Beitrag“ Busonis ganz verzichten müsse, und er schlägt den Abdruck einer früheren Arbeit oder einer kleinen Komposition Busonis vor. Als Buchschmuck wünsche man sich ein „markantes Portrait“, wie etwa das von Boccioni. [199] Falls Busoni nicht selbst zu antworten in der Lage sei, bittet Kruttge um baldige Nachricht durch Busonis Sohn. Ob Busoni selbst oder einer seiner zwei Söhne, Raffaelo und Benvenuto, Kruttge antworteten, ist mir unbekannt.
Der Tod Ferruccio Busonis am 27. Juli 1924 machte jedenfalls alle weiteren Hoffnungen zunichte, von ihm einen Beitrag für das Buch VON NEUER MUSIK zu erhalten. Dies mag erklären, dass man hier weder einem Aufsatz noch Noten von Busoni begegnet und seine Musik nicht so behandelt wird, wie man es im Anschluss an das vielversprechende Frontispiz und Geleitwort des Bandes eigentlich erwartet hätte. Die Erweiterung von Altmanns Versuch einer Bibliographie über Neue Musik durch Abschnitte über Schreker und Strawinsky könnte zugleich von dem Gedanken ausgegangen sein, die für Busonis Beitrag eingeplanten, nun aber überzähligen Seiten für anderes zu nutzen. [200] Auch wollte der Verleger vielleicht etwas Abstand wahren und den Zeitpunkt des Erscheinens auf den Beginn eines neuen Jahres verschieben, damit die Publikation nicht als Erinnerungs- oder Gedenkband für Busoni missverstanden werde und die nicht unwichtigen Beiträge von und über Schönberg, das große Hindemith-Kapitel oder sonstige Arbeiten des Buchs in den Hintergrund gerieten. [201]
Abb. 3 Schöne Literatur und Philosophie Bücher über Kunst und Musik, Die Drucke der Kölner Presse F. J. Marcan Verlag / Köln am Rhein, Winter 1924/25 Aus dem zwölfseitigen Verlags-Katalog, Seite [9]. Weitere Einzelheiten in Anm. [202]
Die Veröffentlichung, ein Verlagskatalog und ein Inserat
Die Titel der Textbeiträge des Buchs VON NEUER MUSIK und damit sein geistiger
und ästhetischer Horizont gehen sowohl aus der vorstehenden Abbildung einer Seite des Marcan-Katalogs (Abb. 3), aus einem Inserat (siehe unten) wie auch aus der
Bibliografie zu Else Thalheimer unter 1925 hervor; an letzterer Stelle sind auch weitere
buchtechnische Merkmale verzeichnet wie die Bebilderung und die Reproduktionen von Handschriften. Geringe Unterschiede zwischen Katalog und Buch sind im zweiten Absatz von Anm. [202] erwähnt, wobei man davon ausgehen darf, dass der Katalog
zuerst erschien, also noch 1924, um ihn den Auslieferungen des Verlags fristgerecht beilegen zu können, auf anstehende Titel hinzuweisen [203] oder, wie im Falle des Buchs VON NEUER MUSIK, geplanten Seitenumfang und Verkaufspreis mitzuteilen.
An die Öffentlichkeit gelangte das Buch VON NEUER MUSIK im Januar 1925, wie
neben anderen Quellen aus einer Besprechung von Paul Amadeus Pisk (1893–1990) im Januar-Heft 1925 der Wiener Musikblätter des Anbruch und aus der Erfassung des Buchs in der Februar-Ausgabe von Hofmeisters Musikalisch-literarischem
Monatsbericht hervorgeht. [204] Ferner ist der Zeitpunkt des Erscheinens und damit
der Lieferbarkeit und Erhältlichkeit des Buchs einem Inserat in der der Zentrumspartei nahestehenden Zeitung Rheinische Volkswacht vom Samstag, dem 31. Januar 1925
zu entnehmen, denn dieses Inserat beginnt mit der versalen Überschrift: „Soeben erschien im F. J. Marcan-Verlag, Köln“. [205]
Bei diesem Inserat sei noch kurz verweilt, da hier einige Dinge zur Sprache gebracht
werden, die meines Wissens anderswo nicht erwähnt sind. Besonders betont ist, dass der Band bis zum 15. Februar 1925 an Mitglieder der „Gesellschaft für Neue
Musik“ zu einem Vorzugspreis abgegeben werde (geheftete Ausgabe: anstatt 12 Rm [Reichsmark] für 11 Rm; in Halbleinen: anstatt 14 Rm für 12,50 Rm). [206] Für
Bestellungen wurde in erster Linie auf die Köln-Mülheimer „Bücherstube auf dem Wall“ (Wallstraße 105) des Mitherausgebers Heinrich Grues aufmerksam gemacht.
Der Seitenumfang wurde gegenüber den vorläufigen Angaben im Katalog nun korrekt mitgeteilt, und man konnte der Anzeige zusätzlich entnehmen, dass das Buch „auf
bestem, holzfreien Papier in der Bodoni=Antiqua“ vom Bibliographischen Institut in Leipzig gedruckt worden sei. Der Einbandentwurf stamme von Prof. Walt(h)er Tiemann. [207] War auch in dem Inserat nichts von einem „Jahrbuch“ oder einer jährlichen Fortsetzung zu lesen, so wurden doch alle Beiträge genannt, und über das
Anliegen der Veröffentlichung hieß es:
„Dieser Auslese von Beiträgen zur Neuen Musik liegt der Gedanke zugrunde, eine Einsicht in die Erscheinungsformen des gegenwärtigen musikalischen
Schaffens in den verschiedenen Ländern zu bieten, und so dem Gelehrten wie dem Musikfreunde neue Wege zur Erklärung und zum Verständnis der Neuen Musik zu geben.“
Diese Absichten stimmen mit Else Lewertoffs späteren Worten überein, dass mit
der Veröffentlichung der Versuch unternommen werde, „über die nationalen Grenzen hinauszugehen“. Fritz Jacob Marcan teilte diese Auffassung, und in seinem ersten
Brief an Arnold Schönberg (5. Juni 1923), der eine Art von Plädoyer für die Konzeption des Buchs ist, spricht er noch von dem (später geänderten) Titel Internationales Jahrbuch für neue Musik. [208] – Ein anderes Inserat (siehe Abb. 4) über das Buch, in dem auf die Wendung „in den verschiedenen Ländern“ verzichtet
wurde, das aber zugleich den Zeitpunkt der Veröffentlichung bestätigt, erschien in der von der Wiener Universal-Edition herausgegebenen Zeitschrift Pult und Taktstock in
zwei aufeinander folgenden Heften. Ebenso wurde hier nichts vom Beginn eines Jahrbuchs oder der Fortsetzung einer Reihe gesagt. [208a]
Abb. 4 Inserat des Buchs in der Zeitschrift Pult und Taktstock Wien – New-York A. G.: Universal-Edition, Januar 1925. Einzelheiten in Anm. [208a]
Ein Exemplar des Buchs VON NEUER MUSIK, vermutlich ein Belegexemplar, [209] befindet sich heute in Arnold Schönbergs Nachlassbibliothek in Wien, [210] ein anderes Exemplar in Else Lewertoff-Thalheimers Teilnachlass an der Yale University in New Haven, USA (vgl. das Suchergebnis des Orbis-Catalogs in Anm. [1]). Ansonsten ist der Band in zahlreichen Bibliotheken verfügbar (vgl. die Auswahl für Deutschland; zunächst unter Umständen erneut suchen, dann weitere Informationen abrufen).
Abb. 5 VON NEUER MUSIK, Köln am Rhein: F. J. Marcan, 1925 Äußeres des Buchs
Kapitel 5 Fritz Jacob Marcan
Zusammenhänge zwischen dem Verlag „F. J. Marcan“ und dem in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen Geschäft von „Jacob Marcan“ [211], dem, wie es in der Werbung hieß, „ältesten Fachgeschäft Kölns für Porzellan, Glas, Kristall und Kunstgewerbe“,
waren zunächst nicht nachweisbar, wenn auch sehr wohl in Betracht zu ziehen, denn es fällt schwer, sich eine so gewinnbringende Verkäuflichkeit der Bücher des
Marcan-Verlags vorzustellen, dass selbst bei einer Subventionierung einiger Titel die hohen Herstellungskosten rentabel gewesen wären und ein Verlag davon hätte
existieren können. Als Adresse war in der Korrespondenz mit Schönberg stets die „Schildergasse 84a“ angegeben, während das Porzellangeschäft in seinen Inseraten
die gute Zugänglichkeit in der „Schildergasse · Ecke Kreuzgasse“ hervorhob. [212]
Da sich jedoch durch einen Eintrag im Kölner Adressbuch (1930) feststellen ließ, dass die Hausnummer 84 A eindeutig auch für das Porzellanwarengeschäft galt, darf man
von einer Übereinstimmung der Nummer für Verlag und Geschäft wohl ausgehen, wenngleich zum Zeitpunkt dieses Adressbuchs von 1930 kein Verlag mehr unter der Adresse angegeben war. [212a] Im Kölner Adressbuch von 1895 ist ebenfalls die „Schildergasse 84 A“ verzeichnet, und somit bestätigt sich der langjährige Gebrauch dieser Hausnummer. [212b] Auf jeden Fall handelt es sich hier um eine noch heute hervorragende Geschäftslage in einer der wichtigsten Einkaufsstraßen und
Fußgängerzonen im Zentrum Kölns.
Dass der Verleger „F. J. Marcan“ mit dem jetzigen Leiter des Fachgeschäftes für
Porzellan „Jacob Marcan“ zumindest verwandt oder sie gar ein und dieselbe Person seien, deutete sich somit durch die im Folgenden angeführten Hinweise in
zunehmendem Maße an und ließ sich schließlich durch einen Brief von Gad Lewertoff, Tel Aviv, vollends bestätigen; vgl. Anm. [222].
Gleichwohl hatte Marcan Vorbereitungen zur Emigration nach England getroffen, und einer der spärlichen Funde ist eine Kleinanzeige im Kölner Jüdischen Gemeindeblatt
in der Rubrik Vermischtes, die bereits darauf hinweist; denn an dieser Stelle heißt es zu Ende Mai 1937:
„Für 2-Personenhaushalt in London wird tüchtiges, erfahrenes Fräulein gesucht,
welches perfekt in allen Hausarbeiten ist u. gut kochen kann. Meldungen an Marcan, Schildergasse 84a.“ [212c]
Da mir weitere Quellen über die Beteiligten fehlen, ist jedoch gleichermaßen vorstellbar,
dass das gesuchte „Fräulein“ F. J. Marcan und seine Frau oder seine Eltern betreuen sollte.
*
Einbezogen seien auch zwei Inserate im Jüdischen Gemeindeblatt vom November
1937, in denen F. J. Marcan für sein Porzellangeschäft vor dem anstehenden Chanukkah-Fest (siehe in Teil 3 die Anm. [236]) warb.
Erstes Chanukkah-Inserat (November 1937):
in: Jüdisches Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, Jg. 7., veranwortlich für
für den Inhalt: Dr. Fritz Becker, Nr. 40, Köln, 12. November 1937, S. 363, Sp. [1]–[2], zuunterst.
Unterstrichenes ist im Original etwas größer und mehr wie eine Handschrift etwas kursiv. „Jacob Marcan“ mit derselben Unterschrift (wie hier). Der Text ist in beiden
Inseraten zusätzlich in ein schwarzes Rechteck eingerahmt. Da die Hefte nur weitgehend, aber nicht ganz vollständig sind, kann anhand des Gefundenen nicht gesagt
werden, wie viele Inserate Marcan einst genau veröffentlichte.
Ihren Kindern, Freunden und Verwandten in Palästina, Europa und Übersee können Sie Freude zu Chanukkah durch ein Geschenk von Marcan machen.
Ich versende Päckchen und Pakete nach fast allen Teilen der Welt. Für rechtzeitige Ankunft bitte ich umgehende Bestellung.
Jacob Marcan Schildergasse Porzellan Glas Kristall Ecke Kreuzgasse
Zweites Chanukkah-Inserat (November 1937):
in: Jüdisches Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, Jg. 7, Nr. 42, Köln,
26. November 1937, S. 382, Sp. [1]–[2], zweites Inserat von oben:
Die Schrift ist hier einheitlicher als in dem ersten Inserat, nur die Überschrift ragt durch
größere Typen hervor. Der Name des Geschäfts „Jacob Marcan“ ist jedoch wie in der ersten Anzeige geschrieben.
*
Drei Inserate fanden sich noch im Jg. 8 (1938) des Jüdischen Gemeindeblattes für Rheinland und Westfalen, doch sind auch diese Inserate für den Verkauf von Glas,
Porzellan und Steingut bestimmt, und sie könnten gleichermaßen von Fritz Jacob Marcan wie seinem Vater Julius Marcan aufgegeben worden sein. – Alle Anzeigen sind von einem kräftigen schwarzen Rechteck umgeben.
Inserat 1 (Januar 1838):
Bei Marcan Winter=Schluß=Verkauf! Die kluge Hausfrau freut sich drauf, Weil Gläser, Steingut, Porzellan Man jetzt sehr billig kaufen kann.
Marcan Schildergasse, Ecke Kreuzgasse
Text-Anzeige, in: Jüdisches Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, Jg. 8, Nr. 4, Köln,
29. Januar 1938, S. 37, links. Unterstreichung wie im Original.
Inserat 2 (April 1938):
Text-Anzeige, in: Jüdisches Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, Jg. 8, Nr. 14, Köln, 8. April 1938, S. 135, links zuunterst.
Inserat 3 (Juli 1938): Text gleichlautend wie in Inserat 2
Text-Anzeige, in: Jüdisches Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, Jg. 8, Nr. 29, Köln,
23. Juli 1938, S. 286, links. (Erschienen zum Sommer-Schluß-Verkauf)
*
Nachgetragen seien noch drei Marcan-Inserate, die sich in den erhaltenen Ausgaben von 1936 auffinden ließen.
1. Inserat (20. März 1936):
„Einfaches Tafelgeschirr | Service von bleibendem Wert | immer besonders preiswert | Marcan | Schildergasse Ecke Kreuzgasse | Versand-, bruch- u. portofrei“, in: Gemeindeblatt für die jüdischen Gemeinden in Rheinland und Westfalen.
Jüdische unabhängige Zeitung für Westdeutschland, Schriftleitung: Fritz Neulaender, 6. Jg., Nr. 12, Köln, 20. März 1936, S. 96, linke Seite, linke Spalte
2. Inserat (13. November 1936):
„Bei Marcan gibt's immer was Neues! |Kommen Sie und sehen sich's an! | Marcan | Schildergasse Ecke Kreuzgasse“, in: Gemeindeblatt die jüdischen Gemeinden in
Rheinland und Westfalen. Jüdische unabhängige Zeitung für Westdeutschland, Jg. 6, Nr. 46, Köln, 13. November 1936, S. 362, linke Seite, rechte Spalte
3. Inserat (4. Dezember 1936): „Etwas von Marcan .. | das macht Freude | zu Chanukkah! | Thermosflaschen -
Drehplatten | Servierwagen | als Helfer der Hausfrau | Herrendiener | Ziehzünder für den Herrn | Viele andere schöne und prakt. Dinge aus | Porzellan, Glas, Kristall,
Keramik | Aparte Chanukka-Leuchter | Jacob Marcan | Schildergasse Ecke Kreuzgasse | Versand unter Garantie bruchfreier Ankunft“, in: Gemeindeblatt für die
jüdischen Gemeinden in Rheinland und Westfalen. Jüdische unabhängige Zeitung für Westdeutschland, Jg. 6, Nr. 49, Köln, 4. Dezember 1936, S. 390, linke Seite, mittlere Spalte
*
Eine besondere Rolle spielte zunächst der Text Einige Erlebnisse der Familie Fritz Jacob Marcan. [213] Aus diesem Bericht, der zur Sammlung der Testaments to the Holocaust (Wiener Library, London) gehört und vor allem in Berichten von
Augenzeugen die Judenverfolgung des Zeitraums von 1938 bis 1943 festhält, geht gleich zu Beginn hervor, dass Marcan in Köln „ein sehr gut gehendes
Porzellanwaren[-]Geschäft“ mit Erdgeschoss und zwei weiteren Etagen besaß (S. 1 f.). Ferner ist aus Inseraten ersichtlich (ein Beispiel in Abb. 6), dass das Geschäft über
„7 Schaufenster“ verfügte, was ebenfalls eine Vorstellung von der Größe der Räumlichkeiten erlaubt. [214] Diese gewerbliche Betätigung Marcans als Kaufmann
und Händler könnte somit die materielle Grundlage seines Verlags (mit)geschaffen haben, der, wie im Abschnitt Zur Geschichte und Arbeit des Marcan-Verlags gezeigt,
ohnehin nur in den Jahren von 1922 bis 1927 Bestand hatte und der die in diesem Zeitraum gedruckten Publikationen allenfalls bis zu Hitlers „Machtergreifung“ anbieten
konnte, jedoch keine Neuerscheinungen mehr nach 1927 hervorbrachte.
Ausführlicher geht der Bericht Einige Erlebnisse der Familie Fritz Jacob Marcan auf die Zerstörung der Geschäftsräume Marcans in der Schildergasse und der
Räume seines Privathauses in Köln-Braunsfeld (Pauliplatz 11) [214a] durch die SA in der sogenannten Reichskristallnacht (November 1938) ein, auf den materiellen
Schaden (Waren: 65.000 RM, Inventar: 25.000 RM – Lloyd, bei der das Geschäft versichert war, durfte die Schäden jedoch nicht erstatten), die Emigration von Marcan
und seiner Familie aus Köln nach den Niederlanden und die dort erlebten und erlittenen Repressalien durch die von der deutschen Besatzung nun auch hier betriebene Judenverfolgung. [215] Selbst wenn Marcan damals im „Judenrat Amsterdam“
(„Joodsche Raad voor Amsterdam“) arbeitete, schützte ihn dies nicht, und er, seine Frau und seine zwei Söhne hatten ständig zu befürchten, getrennt und in
ein Konzentrationslager deportiert zu werden – was wohl einem Todesurteil gleichgekommen wäre. Marcans Eltern wanderten bald nach den Erlebnissen nach England aus. [216] Zwar wird eine Verlagstätigkeit in dem Bericht Einige Erlebnisse der Familie Fritz Jacob Marcan nirgendwo erwähnt, doch wiederholt geht daraus
hervor, dass der nach Holland ausgewanderte jüdische Inhaber des Kölner Porzellangeschäfts mit vollem Namen „Fritz Jacob Marcan“ hieß, womit sich zumindest
die abgekürzten Vornamen des Verlags „F. J. Marcan“ auflösen lassen. [217]
Nicht nur die namentlichen Übereinstimmungen, die Wohlhabenheit und die überaus
große räumliche Nähe von Porzellangeschäft und Verlag waren auffällig. Neben den schon erwähnten Publikationen zahlreicher jüdischer Autoren und Herausgeber (siehe oben) veröffentlichte der Marcan-Verlag zumindest ein Buch über die Geschichte des
Porzellans, so dass sich auch hier die unterschiedlichen Bereiche berührten. [218] In
praktischer Hinsicht konnte der Verlag aus den Erfahrungen des Postversands kleiner, wertvoller und empfindlicher Güter Nutzen ziehen, und man konnte in der Werbung des
Porzellangeschäfts schreiben: „Versand nach auswärts bruch- und portofrei“ (siehe in Abb. 6 den Text links unten). Schließlich ließen sich in dem Zeitraum zwischen März
1934 und Juni 1938 immerhin fünfundzwanzig Inserate des Porzellangeschäfts in den Mitteilungen des „Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr“ feststellen, was nicht nur auf
die unmittelbare Betroffenheit und die Finanzkraft, sondern auch auf das Solidaritätsgefühl des Kaufmanns und Unternehmers Fritz Jacob Marcan schließen lässt. [219] Über diese Anzeigen hinaus warb Marcan auch im Gemeindeblatt der Synagogischen Gemeinde Köln am Rhein, wie ein zufällig mitkopiertes Inserat belegt. [220]
Abb. 6 Inserat des Porzellangeschäftes von Jacob Marcan, erschienen in Köln im Juni 1934 in den Mitteilungen des „Jüdischen Kulturbunds Rhein-Ruhr“ [221]
Eindeutig wurde die Zusammengehörigkeit von Porzellangeschäft und Verlag durch einen Brief von Gad Lewertoff vom 14. Oktober 2009, denn nachdem ich ihm von
meinen Vermutungen über den Verleger Marcan geschrieben hatte, antwortete er: „Fritz Marcan habe ich 1948 in Amsterdam mit meinen Eltern besucht. Soviel ich mich
erinnern kann, war es sogar in seinem Porzellanwaren-Geschäft.“ [222]
Schließlich sei über das Ende des Marcan-Geschäfts noch Folgendes erwähnt. Von Herrn Dr. Christian Hillen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, wurde mir mir brieflich und fernmündlich
freundlicherweise mitgeteilt, dass es zur Firma Jacob Marcan nur eine wenige Seiten umfassende Firmenakte gebe. Aus dieser gehe aber hervor, dass das Unternehmen [am
25. Juni] 1965 [sic] erloschen sei und „erstmalig [am 26. Mai] 1862 in das Handelsregister eingetragen“ wurde, [223] vermutlich aber schon früher bestanden
habe. Die Firma wurde am 3. Juni 1940 von Amts wegen gelöscht, wozu es einen Brief von Fritz Marcan aus Naarden in Holland gebe. [224] Diese Angaben ließen sich
durch einen Handelsregisterauszug (HR A 5209) des Amtsgerichts Köln im November 2009 zusätzlich belegen und ergänzen. [225] – Aus dem „Stadsarchief“ [Stadtarchiv]
von Amsterdam war noch zu erfahren, dass dort eine Karteikarte über „Jacob Fritz Marcan“ [sic] existiere, die bestätigte, dass er am 14. März 1898 in Köln geboren
wurde und dass die Familie am 7. Juni 1946 nach Naarden ging. Eine neue Meldung in Amsterdam ließ sich nicht nachweisen. [226]
*
Ob der Porzellanwarenhändler und Verleger Fritz Jacob Marcan identisch ist mit jenem „Fritz Marcan“, der in der März-Ausgabe 1920 von Der Ararat, einer in München
erscheinenden Kunstzeitschrift, genannt wurde, vermag ich nicht zu sagen, doch spricht manches dafür, besonders die Umstände, dass Marcan zwischen 1916 und 1920 in München studiert hatte (siehe oben) und, wie sein späterer Verlag zeigt, an bildender Kunst wie Literatur gleichermaßen interessiert war. In der Zeitschrift Ararat wurde
ein „Fritz Marcan“ zum Kreis derer gezählt, welche ihre Mitarbeit an der Münchener Vereinigung Der Morgen. Gruppe für jüngste Dichtung und Kunst zugesagt hatten. [227]
Ebenso kann ich nicht sagen, ob ein Zusammenhang besteht mit einem
„Verlagsbuchhändler“ namens „Fritz Marcan“, der 1923 unter „Köln“ in dem „Verzeichnis der Vorausbesteller“ eines kunstwissenschaftlichen Buchs namhaft gemacht wurde. [228] Die Vermutung (mehr kann es im Augenblick auch hier nicht sein) liegt aber umso näher, als Marcan seine beiden Briefe an Schönberg von 1923 (vgl. Anm. [120], Teil I, Briefe Nr. 1 und Nr. 2) ebenfalls nur mit „Fritz Marcan“, und
nicht mit beiden Vornamen oder ihren Abkürzungen, signierte und er ebenso die am 6. Mai 1916 angelegte Münchener Meldekarte als „FritzMarcan“ unterzeichnete, wobei er Vor- und Familiennamen wie ein Wort zusammenschrieb. Auch die Karten der
Münchener Universität wurden 1916 nur auf einen „Marcan Fritz“ ausgestellt. Zumindest besteht eine Gleichheit der Namen und Anschriften, vielleicht auch eine der
Berufsbezeichnung, während es für zwei verschiedene Personen desselben Namens gegenwärtig keinen Anhaltspunkt gibt.
*
Auf die Möglichkeit sei noch hingewiesen, dass es sich bei „Julius Marcan“, dem Vater
von Fritz Jacob Marcan, um eben jenen Kaufmann aus Köln gehandelt haben könnte, der die Philosophin und Phänomenologin Edith Stein (1891–1942) in dem
niederländischen NS-Durchgangslager Westerbork kurz vor ihrer Deportation nach
Auschwitz und dortigen Ermordung sah und dessen Beobachtungen später schriftlich festgehalten wurden. [229] Edith Stein, 1987 bereits seliggesprochen, war die erste
heiliggesprochene Märtyrin jüdischer Herkunft (1998). Nach ihrer Arbeit als Assistentin von Edmund Husserl promovierte sie bei diesem mit „summa cum laude“,
konvertierte Anfang der zwanziger Jahre zum Katholizismus und wurde 1933 in den Kölner Karmeliterorden aufgenommen.
Julius Marcan, der 1868 in Köln geboren wurde, verstarb, meinen Informationen zufolge, um 1953 im Alter von vierundachtzig Jahren, und bei den vorliegenden
Untersuchungen ist mir nur wenig über seine Person bekannt geworden. [230] Gleichwohl sind die Namen- und Berufsgleichheit, die Herkunft aus Köln
und der Zeitpunkt des Geschehens ebenso auffällig wie der Umstand, dass es sich bei Julius Marcan um einen Überlebenden der nationalsozialistischen Judenverfolgung handelte. [231]
Mehrere Quellen über „Marcan“ findet man auf der Internetseite Archive in Nordrhein-Westfalen, wo eine Suche mit dem Stichwort „Marcan“ weitere Informationen liefert. Das Ergebnis dieser Suche bezieht sich infolge seiner
Adressangabe (Köln, Schildergasse 84 a) zweifellos auf Julius Marcan, den Vater von Fritz Jacob Marcan.
Zurück zu Teil 1 Fortsetzung in Teil 3
Anmerkungen zu Teil 2
[118] Zu dem Typoskript der Erinnerungen vgl. Anm. [2].
[119] Paul Mies [und] Heinrich Lemacher, Die Gesellschaft für neue Musik in Köln
(Die Anfangsjahre ihrer Geschichte) [Obertitel], in: Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte, hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte,
Bd. 20, Kassel: Merseburger, 1956, S. 69–76. Die zwei aneinanderschließenden Beiträge haben verschiedene Verfasser, nämlich Teil 1: Paul Mies, Die Gründung
und die ersten fünfundzwanzig Vortragsabende (S. 59–73) und Teil 2: Heinrich Lemacher, Ein Überblick über die Jahre 1922/25 (S. 73–76).
Heinrich Lemacher verweist in seinem Aufsatz von 1956 (S. 74) auf einen eigenen Artikel in der Kölnischen Rundschau vom „30.2.1951“, doch erhielt ich im Juli 2010
denselben zusammen mit der korrigierenden Bemerkung der besitzenden Bibliothek (Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Mikrofilm Ztg Fol 701), dass der Artikel
in der Ausgabe vom 13. Februar 1951 auf S. 37 stünde. Es handelt sich hierbei um: hl [Signatur Heinrich Lemacher], 30 Jahre neue Musik in Köln, in: Kölnische Rundschau, Ausgabe K, Köln: Heinen, 13. Februar 1951, S. 37, Sp. [1]-[2]. Dieser
Artikel nennt zwar Namen und einige Werke der aufgeführten Komponisten sowie deren Interpreten, kommt aber nicht auf die Gründer oder Vorsitzenden zu sprechen.
Die Namen von Lemacher oder Leyendecker fallen daher ebenso wenig wie die von Thalheimer oder Lewertoff.
[120] Die folgenden Ausführungen betreffen das Buch VON NEUER MUSIK.
Beiträge zur Erkenntnis der neuzeitlichen Tonkunst, herausgegeben von H[einrich] Grues, E[igel] Kruttge und E[lse] Thalheimer, Köln am Rhein: F[ritz] J[acob]
Marcan-Verlag, 1925, [VIII] + 320 S.; zu weiteren Details vgl. in der Thalheimer-Bibliografie das Jahr 1925, wo auch eine Erfassung der einzelnen Text-, Bild- und
autografen Notenbeiträge zu finden ist.
Der Titel des Buchs ist im Druck in Versalien gesetzt, so dass der Begriff „NEUE
MUSIK“ einmal als „neue Musik“, ein andermal als „Neue Musik“ gelesen werden kann – Schreibweisen, die selbst bei den Herausgebern und dem Verleger nicht
einheitlich sind. In vorliegendem Aufsatz wird sich aber nur an dem orientiert, was im Buch gedruckt wurde, sofern es sich nicht um die Rechtschreibung erhaltende Zitate handelt. Im Kapitel über Paul Hindemith (Erinnerungen, S. 77) formuliert Else
Lewertoff unter Bezug auf die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg:
„Und die sogenannte ,Neue Musik‘, ein Schlagwort, das in jenen Tagen aufkam
zur Bezeichnung einer stürmisch nach unbekannten Zielen strebenden Bewegung, wurde eins der stärksten Symbole für die künstlerischen Bedürfnisse der ewig Wagemutigen und unentwegt Hoffenden.“
Zum Begriff Neue Musik, der auf Paul Bekker (1919) zurückgeführt wird, vgl. auch
Anm. [106].
I. Der Briefwechsel mit Arnold Schönberg (1923–1924)
Erhalten haben sich aus den Jahren 1923 und 1924 vier Briefe des Kölner Marcan-Verlags an Arnold Schönberg sowie ein Antwortschreiben Schönbergs, insgesamt
also fünf Briefe. Da das Arnold Schönberg Center in Wien diese Briefe sämtlich ins Internet stellte (vgl. unter http://www.schoenberg.at/letters/search_ extended.php),
lassen sie sich als Dateien der Originale online aufrufen (Links im Folgenden).
Alle Briefe sind maschinenschriftlich ausgefertigt sowie handschriftlich korrigiert und
signiert, wobei die ersten Briefseiten, außer bei den Briefen von Eigel Kruttge, vorgedruckte Briefbogen des „MARCAN, BLOCK-VERLAG G. M. B. H.“
(Briefe Nr. 1 und Nr. 2) bzw. des „F. J. Marcan-Verlag“ (Brief Nr. 5) verwenden.
Brief Nr. 1: Köln, 5. Juni 1923 (Faksimile: Seite 1, Seite 2): Brief von Fritz
Marcan (Verleger) an Arnold Schönberg.
Brief Nr. 2: Köln, 1. August 1923 (Faksimile: Blatt 1, Blatt 2 – Anlage): Brief
von Fritz Marcan an Arnold Schönberg; 1 Blatt; die Anlage (ein weiteres Blatt, nummeriert als „II“) ist überschrieben „Jahrbuch für Neue Musik“ und enthält
Informationen, die sonst nirgendwo überliefert scheinen: Details zur Zusammenstellung des Bandes, Namen der zur Mitarbeit aufgeforderten Autoren
und deren zum Teil bereits vorliegende Zusagen, Umfang, Höhe der Auflage (1000 Exemplare), Ablieferungstermin der Manuskripte und Honorierung der
Beiträge. Angeschrieben und zur Mitarbeit in Betracht gezogen wurden folgende Autoren (die unterstrichenen Autoren hatten ihre Mitarbeit bereits zugesagt;
Vervollständigungen und Berichtigung der Nachnamen sind hier stillschweigend vorgenommen): Prof. Oscar Bie, Berlin; Dr. Ernst Bloch, Berlin; Dr. Ernst Lert,
Frankfurt [am Main]; Prof. Ernst Kurth, Bern; Romain Rolland; Arnold Schönberg, Wien; Geheimrat Dr. Carl Hagemann, Wiesbaden; Kurt Atterberg, Stockholm; Dr. Hermann Scherchen, Berlin; Prof. Adolf Weißmann,
Berlin; Hugo Leichtentritt, Berlin; Dr. Otto Vrieslander, Ebersberg; Prof. Ferruccio Busoni, Berlin; Prof. Dr. Arnold Schering, Halle; Alfredo Casella [ohne Ortsangabe]; Paul Collaer, Mecheln; Josef Matthias Hauer, Wien; Dr. Erich Steinhard, Prag; Paul Bekker, Frankfurt [am Main]; Guido Maggiorino
(Guido Maria) Gatti, Turin; Edward Joseph Dent, London; Alban Berg, Wien; Egon Wellesz, Wien.
Brief Nr. 3: Köln, 3. Januar 1924 (Faksimile: Seite 1, Seite 2): Brief von
Dr. E[igel] Kruttge (Mitherausgeber) an Schönberg. Kruttge verwendet hier als seine Absenderadresse maschinenschriftlich jene des Marcan-Verlags, nämlich
„Schildergasse 84A“. Der Inhalt des Briefes betrifft eine erneute Bitte um einen Textbeitrag sowie das Ersuchen um „baldige Entscheidung“ unter Verweis auf
den „bevorstehenden Abschluss“ des „ersten Jahresbandes“.
Brief Nr. 4: (ohne Ortsangabe), 11. Januar 1924 (Faksimile): Brief Schönbergs an Kruttge (Antwort auf den Brief vom 3. Januar 1924, siehe Brief Nr. 3). Der nicht unterschriebene Durchschlag macht an einigen Stellen handschriftliche
Korrekturen sichtbar.
Brief Nr. 5: Köln, 6. November 1924 (Faksimile): Brief an Arnold Schönberg, unterschrieben ppa. [per procura] Manschmidt [beides hier kursiv
wiedergegebene Handschriftliche ist nicht zweifelsfrei leserlich]; 1 Seite. Inhalt: Bitte um Rücksendung der „druckfertigen“ Korrekturen bis spätestens zum 11.
Dezember 1924. Nach diesem Datum müsse man Schönbergs Einverständnis mit der ihm zugesandten Fassung annehmen. Schönberg hatte offenbar auf die
ihm mit Postkarte des Verlags vom „2. Oktober cr.“ [cr. = anni currentis (laufenden Jahres), also 1924] übersandten Korrekturen nicht geantwortet (die
Postkarte scheint nicht erhalten zu sein). – Der Ausdruck „Jahrbuch“ fällt in diesem Brief nicht, sondern die Rede ist nur von einem „Sammelwerk“. Damit
liegt hier ein Anzeichen vor, dass zum Zeitpunkt vorliegenden Briefes auf Verlagsseite der Plan des Jahrbuchs vielleicht bereits aufgegeben war und
Schönberg gegenüber mit Bedacht eine allgemeinere, ein Jahrbuch aber nicht ausschließende Formulierung gewählt wurde, welche auf die getroffene Entscheidung nicht einging.
II. Der Briefwechsel mit Ferruccio Busoni (1924)
Die beiden Briefe von Eigel Kruttge vom 14. Januar bzw. 16. März 1924, die dieser in seiner Funktion als einer der Mitherausgeber des Buchs VON NEUER MUSIK
an Busoni richtete, befinden sich heute in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, unter der Signatur Mus.Nachl.
F. Busoni B II, 2668 und 2669; sie wurden mir in fotokopierter Form zugänglich. Beide Briefe sowie ihre noch erhaltenen Umschläge sind handschriftlich ausgefertigt,
und es gibt keinerlei Vordruck. Als Absender nannte Eigel Kruttge nur seine private Anschrift im Zentrum von Köln (Apostelnkloster 87I), während beide Briefe an Herrn
Prof. F. Busoni (Berlin W 30 [Schöneberg], Viktoria-Luise-Platz 11) gerichtet waren. Inhaltliche Einzelheiten gehen aus dem Abschnitt Der Briefwechsel mit Ferruccio Busoni hervor.
[121] In dem Buch auf S. (31)–34; Nachdruck eines Textes aus dem Jahre 1919,
den Schönberg nun mit einer auf „Jänner 1924“ datierten Vorbemerkung versah. (Schönberg erlaubte den Wiederabdruck in Köln mit den schließenden Worten:
„Kein vernünftiger Phantast kann eine höhere Erfüllung seiner Träume erhoffen, als den Wiederabdruck seines Artikels, der darum somit gestattet sei.“) – Auf den
ursprünglichen Text von 1919 wurde Kruttge bei einem Besuch in Berlin von Leo Kestenberg (1882–1962) hingewiesen, wie aus seinem Brief an Schönberg vom
3. Januar 1924 hervorgeht (vgl. Anm. [120], Brief Nr. 3, Seite 1). – Schönberg
beantwortete den Brief Kruttges am 11. Januar 1924 (vgl. Anm. [120], Brief Nr. 4, Faksimile), erwähnte weitere Einzelheiten und gab unter bestimmten, freilich zum Teil
nicht erfüllten Bedingungen seine Zustimmung zu dem Wiederabdruck. Eine der Bedingungen Schönbergs lautete etwa, dass der Wiederabdruck unter dem Titel SEKTION MUSIK stattfinden müsse.
[122] Eine Webseite des „Arnold Schönberg Center“ schreibt zu Anfang: „Die erste
öffentliche Proklamation seiner »Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen« vertraute Schönberg seinem Schüler Erwin Stein an, der knapp
drei Jahre nach der ersten kompositorischen Realisierung im Präludium der Klaviersuite op. 25 (Juli 1921) den Aufsatz »Neue Formprinzipien« in einer Festschrift zum 50.
Geburtstag seines Lehrers publizierte.“ Zur Erstveröffentlichung von Steins Aufsatz siehe den folgenden Haupttext vor Anm. [123]. Vgl. auch Anm. [154], vorletzter
Absatz, mit den abfälligen Äußerungen von Klaus Pringsheim.
[123] In dem Buch VON NEUER MUSIK (wie Anm. [120], zu Beginn) steht Steins
Aufsatz S. 59–77; zuerst in Musikblätter des Anbruch („Arnold Schönberg zum fünfzigsten Geburtstage | 13. September 1924“), 6. Jg., H. 7–8, Wien: Universal-
Edition, August–September 1924, S. 286–303; eine Fußnote auf S. 286 sagt: „Vorabdruck aus dem demnächst erscheinenden Sammelband ,Von neuer Musik‘, F. J. Marcan-Verlag, Köln.“
[123a] Ein Jahrbuch ist laut Duden (Wörterbuch, online, „Bedeutungsübersicht“ (15.
August 2016), ein „jährlich erscheinender Band mit Beiträgen zu einem bestimmten Fachgebiet“.
[124] Hier dürfte der Jubiläumsband zum 25jährigen Bestehen der 1901 gegründeten
Wiener Universal-Edition gemeint sein; vgl. Hans Heinsheimer und Paul Stefan (Hg.), 25 Jahre neue Musik, Buchschmuck von Carry Hauser, Wien: Universal-Edition, 1926, 332 S., 3 lose Tafeln; Reihe: Jahrbuch der Universal Edition. Vgl. zu diesem
Jahrbuch, das zusammen mit der Januar-Ausgabe 1926 der Musikblätter des Anbruch versandt wurde – ein Katalog über das Jahrbuch war beigefügt, vgl. S. (45)
oberhalb des Impressums –, den Artikel: [Paul Stefan], Fünfundzwanzig Jahre: Ein Jahrbuch, in: Musikblätter des Anbruch, 8. Jg., Nr. 1, Wien: Universal-Edition,
Jänner 1926, S. 1–2; auf dem Heft-Umschlag der Zeitschrift steht als erster Titel: „Fünfundzwanzig Jahre: Ein Jahrbuch“. (Die Mitwirkung Paul Stefans ist auch aus dem
Jahres-Inhaltsverzeichnis zu ersehen.) In der von Herwarth Walden herausgegebenen Monatsschrift DER STURM wurde die Neuerscheinung der Universal-Edition inseriert
unter der Überschrift „Soeben erschienen:" (vgl. 17. Jg., 1. Heft, Berlin, April 1926, hinteres Umschlagblatt, innen, links oben). – Im zweiten Band, dem „Jahrbuch 1927“
(„Oper“), kamen auf S. 111 die Jahrbücher nochmals zur Sprache. – Ein einzelnes Inserat ließ sich finden, das Thalheimers Zeitangabe erneut bestätigt: vgl. unter „SOEBEN ERSCHIENEN:“ in: Melos. Zeitschrift für Musik, hg. von Hans Mersmann, 5. Jg., Heft 4/5, Berlin, Januar/Februar 1926, S. 169, obere Hälfte.
Der zweite, dritte und abschließende vierte Jahrgang dieses Jahrbuchs der Universal-Edition waren Themenhefte, die in die Zeitschrift Musikblätter des Anbruch
eingegliedert waren. Damit fielen Zeitschrift und Jahrbuch dreimal zusammen, und die Unterscheidung war im Grunde nur eine Frage der Benennung. Die Themenhefte, die
man mit keiner eigenen Nummerierung, sondern mit einer Jahreszahl versah, hatten zum Gegenstand „Oper“ („Jahrbuch 1927“, zugleich Heft 1/2 der Musikblätter des Anbruch, Januar/Februar 1927); „Das Klavierbuch“, hg. von Eduard Beninger
(„Jahrbuch 1928“, zugleich Musikblätter des Anbruch, 9. Jg., Heft 8/9, Oktober/November 1927 [siehe die ungezählte Seite 405 mit dem etwas versteckten
Hinweis auf das Jahrbuch]) und „Gesang“ („Jahrbuch 1929“, zugleich Heft 9/10 der Musikblätter des Anbruch, November/Dezember 1928). Darüber hinaus ist zu
beobachten, dass es auch Themenhefte der Musikblätter des Anbruch gab, die außerhalb der Reihe der Jahrbücher erschienen, etwa das Heft „Musik am Rhein“, vgl. hier.
Damit wurden zwischen 1926 und 1929 insgesamt vier Bücher als „Jahrbücher“
bezeichnet – 1.) 1926: der Jubiläumsband der Universal-Edition; 2.) 1927: „Oper“; 3.) 1928: „Das Klavierbuch“ und 4.) 1929: „Gesang“. Der Eindruck stellt sich ein, dass
man sich, außer bei dem Jubiläumsband von 1926, zwischen Themenheft der Zeitschrift und selbständigem themenbezogenem Jahrbuch nicht recht entscheiden konnte, so dass
letztlich keine wirkliche Identität für ein Jahrbuch zustande kam. Dies führte, neben ökonomischen Erwägungen, wohl auch dazu, den modernen, damals sogar etwas
modischen Gedanken des musikalischen Jahrbuchs wieder fallenzulassen und die Musikblätter des Anbruch in bewährter Weise fortzusetzen, die ohnehin im
Untertitel als „Monatsschrift für moderne Musik“ bezeichnet waren.
Da man bei der Universal-Edition von dem Nahen des eigenen Jubiläumsjahrs 1926 sicherlich nicht überrascht wurde und dementsprechend längerfristige
Vorbereitungen getroffen hatte, mag man sich zwar an dem Kölner Buch VON NEUER MUSIK orientiert haben, doch scheint mir Thalheimers Charakteristik des
Jahrbuchs der Universal-Edition – „in seiner Anlage eine genaue Kopie unseres Versuches“ – etwas zu streng, da sich die Universal-Edition über viele Jahre hinweg für
Schönberg und die zweite Wiener Schule, für Josef Matthias Hauer, Alois Hába und ungezählte andere durchaus mit Erfolg eingesetzt hatte. Dass es allein durch diesen
Umstand nicht wenige Parallelen zwischen den zwei Büchern in Köln und Wien gab, ist unbestreitbar, war aber wohl auch schwer zu vermeiden. Andererseits sind international
berühmte Komponisten wie Paul Hindemith, Igor Strawinsky oder Erik Satie, deren Werke nicht in der Universal-Edition erschienen, in dem Jubiläumsband der
Universal-Edition auch nicht berücksichtigt. Vgl. die Auflistung der Aufsatztitel in der folgenden Bibliografie: http://www.miz. org/bibliographie/.
Die Veröffentlichung eines auf Musik bezogenen „Jahrbuchs“ war seinerzeit so neu nicht, wie das von Rolf Cunz herausgegebene Deutsche Musikjahrbuch zeigt (vgl.
Anm. [82]); ab 1923 erschienen in Essen: Bd. 1 (1923), Bde. 2–3 [Doppelnummer]
(1925) und Bd. 4 (1926). Im Nationalsozialismus versuchte man 1937 mit demselben Herausgeber eine Wiederbelebung, die jedoch über einen ersten Band nicht hinauskam.
(Der Inhalt aller genannten Ausgaben ist ebenfalls aus der zuletzt genannten Online-Bibliografie zu ersehen.) – Weitere Beispiele für den Gebrauch des Begriffes
„Jahrbuch“ für ein auf Musik bezogenes Periodikum lassen sich in den zwanziger Jahren unschwer finden, und erwähnt seien nur das langlebige Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, Leipzig, 1. Jg. (1894) bis 47. Jg. (1940); das von Arnold Ebel herausgegebene
kurzlebige, da nur aus einem Band bestehende Berliner Musikjahrbuch (1926) oder
die im Mainzer Schott-Verlag erschienenen Ausgaben von Melos. Jahrbuch für zeitgenössische Musik (seit 1920).
Dass Mersmann, der oben erwähnt wird, auch selbst eine Rezension des Buchs VON NEUER MUSIK schrieb, geht aus folgender Angabe hervor: Hans Mersmann, Neue
Sammelwerke der Musikliteratur, in: Melos. Zeitschrift für Musik, Schriftleitung: Hans Mersmann, 4. Jg., Heft 7/8, Berlin, 15. Februar 1925, Seite 412–413; hier S. 413.
Wenig später erschien auch in Melos der folgende Aufsatz, der nochmals das Anfang
des Jahres erschienene Buch erwähnte: H[ans] H[einz] Stuckenschmidt (Bremen), ZWÖLFTÖNE-MUSIK, in: Melos. Zeitschrift für Musik, 4. Jg., Heft II, Berlin,
Juli 1925. S. 518–522; Hier auf S. 522 die Klammerbemerkung: „Siehe den vorzüglichen Aufsatz ,Neue Formprinzipien‘ von Erwin Stein in dem Sammelbuch
,Von neuer Musik‘, Marcan-Verlag, Köln.“
[125] Else Lewertoff, Erinnerungen (wie Anm. [2]), S. 60; hingewiesen sei auf den Gebrauch des Begriffes der „Phänomene“ zu Anfang des Zitats, welcher eine
Beziehung zu den „Münchener Phänomenologen“ schaffen mag. – Ähnlich äußerte sich Else Lewertoff über die Entstehung des Jahrbuchs auf S. 78–79 desselben Typoskripts:
„Auf genau dieser Linie [die Rede war unter anderem von dem Verzicht auf nationale Grenzen und Erfassung aller gleichgesinnten Künstler] lag die Gründung eines Jahrbuchs
mit dem Titel ,Von Neuer Musik‘, an der zwei meiner Kollegen, Dr. Eigel Kruttge und Heinrich Grues und ich als Dritte im Bunde, beteiligt waren, und in dem zum ersten Mal
nach dem Weltkrieg der Versuch gemacht wurde, eine Uebersicht vom Musikschaffen in aller Welt durch Beiträge von führenden modernen Musikologen und Komponisten
zu geben. Ein anderer unserer Kollegen, Franz Willms, veröffentlichte hierin den ersten umfassenden Aufsatz über Paul Hindemith.“ Zu Willms vgl. Anm. [263].
[126] H. Lemacher, Ein Überblick etc. (wie Anm. [119]), S. 74.
[127] H. Lemacher, ebd., S. 76.
[128] Alfred Einstein schrieb 1929 in seinem Artikel Lemacher, Heinrich: „Als
Komponist trat er mit einer großen Reihe von Liedern, Chören (mehrere Messen), Kammermusikwerken, Klavier- und Orgelstücken hervor (bis 1928 gegen 60 opera).“ Vgl. Hugo Riemanns Musiklexikon, 11. Auflage, bearbeitet von Alfred Einstein,
Berlin: Max Hesses Verlag, 1929, Bd. 1, S. 1031, rechte Spalte. – Bis zu seinem Lebensende komponierte Lemacher über zweihundert mit Opuszahlen versehene
Werke, so dass die Berufsbezeichnung eines Komponisten mehr als gerechtfertigt erscheint.
[129] Vgl. Lemachers Aufsatz Besondere Ziele der Rheinzentrale (wie Anm. [86]), S. 140, wo es heißt: „Einheimische Komponisten kommen nicht zur Aufführung,
da ihre Interessen im ,Kölner Tonkünstlerverein‘ […] aufs beste vertreten werden.“ (Kursives im letzten Zitat gesperrt.)
[130] Dass Lemacher in den 1920er Jahren in Köln wohnte, geht zum einen hervor aus Hugo Riemanns Musiklexikon, 10. Auflage, bearbeitet von Alfred Einstein,
Berlin: Max Hesses Verlag, 1922, S. 726, zum andern aus dem Artikel Lemacher, Heinr., in: Paul Frank und Wilhelm Altmann, Kurzgefaßtes Tonkünstlerlexikon,
Leipzig: Carl Merseburger, 1926, S. 218 sowie dem Artikel Lemacher, Heinrich, in: Erich H. Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden: Wilhelm Limpert,
1929, Sp. 829–830 mit Angabe von Lemachers Kölner Adresse am Ende. – In der Wikipedia heißt es über die Zeit davor: „Heinrich Lemacher studierte von 1911 bis
1916 am Konservatorium zu Köln und an der Bonner Universität, wo er 1916 in Musikwissenschaft promovierte.“
[131] Vgl. Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen, Reihe: Musik-Konzepte, Heft 36, hg. von Heinz Klaus Metzger und Rainer Riehn, München: edition
Text + kritik GmbH, März 1984. Da im Anhang dieses Buchs die Programme der Vereine in Wien und Prag chronologisch zusammengestellt sind, erhält man eine gute
Übersicht über die aufgeführten Werke und ihre Interpreten: vgl. Walter Szmolyan, Die Konzerte des Wiener Schönberg-Vereins, S. (101)–114 und Ivan Vojtĕch, Die Konzerte des Prager Vereins, ebd., S. (115)–118. – Auch die Konzerte der
„Melos-Gemeinschaft“, die von Fritz Windisch gegründet worden war, verzichteten auf Darbietungen von Werken Windischs; vgl. Fritz Windisch, „… ach, wie schießt ihr schlecht!“, in: Die Weltbühne. Der Schaubühne 20. Jg., hg. von Siegfried
Jacobsohn, Erster Halbbd., Nr. 13, Berlin, Charlottenburg, 27. März 1924, S. 417–419, hier S. 418; vgl. auch Windisch II, vor Anm. [119].
[131a] Vgl. zu dieser Spannung zwischen dem Kölner „Tonkünstlerverein“ und der
„Gesellschaft für neue Musik“ auch den Aufsatz von Claudia Valder-Knechtges, Feinheiten köstlichster Art schlugen an unser Ohr. Zur Frühgeschichte des Kölner Kammerorchesters, in: Mitteilungen [der] Arbeitsgemeinschaft für
rheinische Musikgeschichte (ISSN 0948-1222), Redaktion: Dr. Wolfram Ferber, [Nr.] 91, Köln, Februar 2009, S. 59–90, passim und besonders Fußnote 202 auf S. 67 (online).
[132] Else Lewertoff, Erinnerungen, S. 97.
[133] Hierzu wäre ein sorgfältiger Vergleich der in Köln von der „Gesellschaft für
neue Musik“ aufgeführten Programme mit den Textbeiträgen des Buches vonnöten.
[134] Vgl. den Brief von Fritz Marcan an Arnold Schönberg vom 5. Juni 1923 in Anm. [120], Brief Nr. 1, Seite 1, wo es heißt, der Marcan-Block-Verlag
beabsichtige die Herausgabe eines „internationalen Jahrbuchs für neue Musik“. In den zwei Briefen an Busoni ist ebenfalls von einem „Jahrbuch“ bzw. einem „ersten Band“ die Rede; vgl. Anm. [120]: Briefwechsel mit Ferruccio Busoni (1924). Else Lewertoff-Thalheimer spricht noch 1974 von dem „Jahrbuch VON NEUER MUSIK“; vgl. ihre Answers to the Questionnaire (Tel Aviv, März 1974, [Ziffer:] VII), wie Anm
. [64]. Vgl. ferner Else Lewertoff in ihren Erinnerungen das durch Anm. [125] belegte
Zitat sowie ähnlich ebd., S. 79.
[135] Das Vorwort der Herausgeber (S. [III]) spricht vom „erste[n] Band des
von nun an jährlich geplanten Werkes“.
[136] Vgl. hierzu auch Anm. [125]) mit den Worten Else Lewertoffs, dass der
„künstlerische Erfolg […] leider nicht von einem finanziellen begleitet“ war, so dass man aus diesem Grunde von einer Fortsetzung absah.
[137] Vgl. in Anm. [120] (Brief Nr. 5 an Arnold Schönberg vom 6. November
1924) zum Ausdruck „Jahrbuch“ bzw. „Sammelwerk“ sowie in der Mitteilung bei dem Vorabdruck von Erwin Steins Aufsatz im Anbruch (Anm. [123]) den Ausdruck „Sammelband“.
[137a] Siehe die letzten zwei Sätze des in Anm. [125] belegten Zitats.
[138] Neben den hier genannten Quellen befinden sich „etwa fünfundzwanzig Briefe“
des Marcan-(Block-)Verlags im Leo Baeck Institute in New York, die inzwischen (Stand: 20. Oktober 2015) aber online eingesehen und ausgewertet werden konnten.
Über den Umfang des New Yorker Bestandes wurde ich freundlicherweise von dem dortigen Archivar Michael Simonson am 28. Januar 2010 unterrichtet, wobei mir
nachträglich freilich nicht klar wurde, ob nicht auch die an den Marcan Verlag gerichteten Briefe hierbei mitgezählt wurden. Vgl. den Guide to Der Neue Merkur
Collection 1919-1925, processed by Valentina Schmidt, (AR 7141/MF 751), auf den mich Herr Aubrey Pomerance, der Leiter des Archivs des Jüdischen Museums in
Berlin, dankenswerterweise aufmerksam machte.
Die Quellen (1923, 1924 und 1925) in New York beziehen sich hauptsächlich auf Abdruckrechte, da Der Neue Merkur in München plante, etwas bei Marcan
Erschienenes oder bald Erscheinendes abzudrucken. Hierdurch fielen auf Seiten Kölns mehrere Original-Briefe von Fritz Marcan an (einer, vom 14. August 1924, ganz
handschriftlich auf vorgedrucktem Briefpapier des Verlags; ein anderer Brief von Manschmidt), doch bewegten sich die Verhandlungen durchaus im Rahmen
des Üblichen, und es fanden sich keine neuen Einsichten zu der hier behandelten Thematik. Die einzigen Zusammenhänge scheinen zu sein, dass Fritz Marcan auch
fernerhin an einer in München erscheinenden Zeitung, wie dem „Neuen Merkur“, Interesse hatte. Und dass es sich bei dem Abzudruckenden um Leo Schestow handelte (siehe Anm. [167]), zeigt die Kreise an, die sich der Verleger Marcan erschlossen
hatte. Ob der geplante Abdruck schließlich zustande kam, weiß ich nicht.
[139] Max Scheler, Eduard Heimann und Arthur Baumgarten, Walther Rathenau.
Eine Würdigung zu seinem Gedächtnis, 3 Vorträge, gehalten am 16. Juli 1922, Köln (Leipzig): Marcan-Block-Verlag, 1922, Umfang: 40 Seiten. – Vgl. zu Scheler auch Anm. [151]; ferner die Wikipedia-Artikel Eduard Heimann (1889–1967), der sich 1922 in Köln habilitierte und 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung über
die Niederlande ins amerikanische Exil ging, sowie Arthur Baumgarten (1884–1966),
der 1920 ordentlicher Professor in Köln wurde und 1933 in die Schweiz emigrierte.
[140] — 1.) Illa Budde, Die Idylle im holländischen Barock, Köln: Marcan, 1927
(Teildruck der Phil. Diss., Univ. Köln, 21. Februar 1927, 31 S.); vollständige Buch-Ausgabe 1929 (124 S.) im Kölner Verlag J[ohann] P[eter] Bachem. — 2.) Else
Lewy, Pietro Tacca (1577–1640). Ein Beitrag zur Geschichte der Florentiner Skulptur, Köln: Marcan, 1927 (Teildruck der Phil. Diss., Univ. Köln, 1927, 31 S.);
vollständige Buchausgabe (118 Seiten) ohne Jahresangabe [1928] ebenfalls im Kölner Verlag J[ohann] P[eter] Bachem. — 3.) Heinz Steinmeyer, Die Staffage der
romantischen Landschaft Anfang des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Rheinansichten, Köln: Marcan, 1927 (Teildruck der Phil. Diss.
der Univ. Köln, 21. Febr. 1927, 31 S.); zugleich vollständig als Phil. Diss., 21. Febr. 1927. (Alle genannten Veröffentlichungen sowie die Datierung auf 1928: Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz.)
[141] Diesen Angaben liegen bibliografische Untersuchungen zugrunde, die sowohl
die Bestände internationaler Bibliotheken wie auch das Angebot von berufsmäßigen Antiquaren und privaten Verkäufern älterer Bücher auswerteten (Oktober 2009).
Dem entspricht, dass der Marcan-Verlag nur bis 1927 in dem Kölner Adressbuch eingetragen ist und ab 1928 fehlt; einzig das Porzellangeschäft ist hier noch erwähnt:
Vgl. „F. J. Marcan-Verlag, Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Geschäftsf[ührer:] Fritz Marcan), Buchhdlg., Schildergasse 84A […] [Telefon:] A 893. PSK 5819.“ in: Greven's Adreßbuch für Köln und Umgegend, 1927, 69. Jg., Teil II, Buchseite 605
(Bildseite 766), Sp. [3] sowie in der Ausgabe 1928, 70. Jg., Teil II, Buchseite 633 (Bildseite: 809), Sp. [3].
[142] Die von Paul Frankl, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Halle
an der Saale, herausgegebenen Deutschen Beiträge zur Kunstwissenschaft wurden nach zwei erschienenen Bänden eingestellt, während das Wallraf-Richartz-Jahrbuch
mit dem zweiten Band (1925) nach Leipzig zum Verlag Klinkhardt & Biermann wechselte (vgl. Anm. [150]). Auf die Planung des Bandes VON NEUER MUSIK als
Jahrbuch gehen der Haupttext und Anm. [134] ein. – Frankl habilitierte in München 1914 bei Wölfflin und wurde hier nach dem Ersten Weltkrieg außerplanmäßiger
Professor, ab 1921 planmäßiger Professor in Halle an der Saale. Vgl. auch Heinrich Dilly, Der Kunsthistoriker Paul Frankl in Halle. – Else Thalheimer besuchte
während ihres Studiums in München (1920) auch Vorlesungen von Frankl (siehe oben)
. – Nach freundlicher Auskunft von Jörg Streichert, Köln, dem heutigen Geschäftsführer der „Freunde des Wallraf-Richartz-Museums und des Museums
Ludwig e.V.“, sind keine Dokumente, etwa mit dem Marcan-Verlag gewechselte Briefe, aus der Zeit des ersten „Wallraf-Richartz-Jahrbuchs“ (1924) mehr vorhanden (E-Mail am 26. Mai 2010).
[143] Vgl. die diesbezügliche Webseite der Privatschule Eberhard sowie den Artikel der Wikipedia Deutsche Inflation 1914 bis 1923
[144] Dieser Zeitpunkt ist ersichtlich aus der Anlage zu dem Brief von Fritz Marcan
an A. Schönberg vom 1. August 1923, die überschrieben ist: „Jahrbuch für Neue Musik“. Hier lautet der drittletzte Absatz: „Als Ablieferungstermin für die Manuskripte
ist Anfang November 1923 in Aussicht genommen.“ Vgl. Anm. [120], Brief Nr. 2, Seite 2 (Anlage), drittletzter Absatz (gleichlautend).
[145] Vgl. auch den zweiten Absatz von Anm. [202].
[146] Vgl. die in Anm. [120], Teil I als Nr. 1, 2 und 5 genannten Briefe. –
Die Schreibweise variiert in mir nicht erklärlicher Weise: Liest man in dem online zugänglichen Buch Landauers, das in Anm. [154] genannt ist, sowohl auf der Titelseite,
im Copyright-Vermerk sowie den Inseraten (am Ende von Landauers Aufruf zum Sozialismus): „MARCAN-BLOCK-VERLAG“ bzw. „Marcan-Block-Verlag“, so
heißt es in dem zitierten Briefkopf mit Komma „MARCAN, BLOCK-VERLAG“.
[146a] Leider ist der Band 1922 des Kölner Adressbuchs noch nicht digitalisiert, in
dem Näheres zu „Block“ stehen könnte, und somit klafft eine empfindliche Lücke gerade in den Jahren zwischen 1918 und 1925. In letztgenannter online-Ausgabe gibt
es jedoch 11mal den Nachnamen „Block“, einer sogar mit „Buch- und Steindruck“ (Josef Block), so dass auch dieser Familienname sehr wohl zu berücksichtigen, aber
selbstverständlich nicht zu bevorzugen ist (vgl. Greven's Adreßbuch für Köln und Umgegend, 67. Jg., Buchseite 74 [Bildseite 230], mittlere Spalte).
[147] Die Jahre 1922–1923 wären daher gesonderter Untersuchung wert, wobei man
auch die entsprechenden Jahrgänge der Kölner Tages-Zeitungen systematisch auswerten müsste.
[147a] Abgesehen von dem zitierten Brief Manschmidts vom 6. November 1924
an Schönberg ist ein handschriftlicher Brief F. J. Marcans vom 14. August 1924 an den Herausgeber des Neuen Merkurs, Efraim Frisch (1872–1942), im New Yorker Leo
Baeck Institute (siehe Anm. [138]) erhalten, der im vorgedruckten Briefkopf u. a.
auch schon „F. J. Marcan“ zeigt. Dieser erst jetzt ausgewertete Brief vom 14. August 1924 hat somit Vorrang bei der Änderung der Rechtsform des Verlags und seiner
Datierung; Stempel wurden in diesem Fall aber keine verwendet.
[148] Zu dem Porzellangeschäft Jacob Marcan gibt es ausführliche Informationen im
nächsten Kapitel über Fritz Jacob Marcan. – In einem längeren Brief (E-Mail) wandte ich mich am 10. November 2009 an das Amtsgericht in Köln, um die offiziellen
Eintragungen des Verlags im Handelsregister kennenzulernen. Darauf wurde mir eine Woche später ein sechs Seiten umfassender Auszug aus dem Kölner Handelsregister in
fotokopierter Form überlassen, der einige wichtige Einzelheiten über das Porzellangeschäft enthielt. So kann man beispielsweise ersehen, dass das
Porzellangeschäft ab dem 1. Januar 1921 als OHG (Offene Handelsgesellschaft) geführt wurde und der Kölner Kaufmann Ernst Jacob („Jacob“ = Nachname; nicht
etwa der Vorname von Marcan) als Gesellschafter in die Firma eintrat. Ferner ging aus den Unterlagen hervor, dass Fritz Jacob Marcan und Brünette Marcan, geb. Samuel
(die Mutter von Fritz Jacob Marcan) am 31. Januar 1924 in die Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafter eintraten oder dass der Kölner Kaufmann Ernst
Jacob (s. o.) als Gesellschafter am 26. Januar 1926 wieder ausschied. Bei alledem ist der Name „Block“ jedoch nirgends erwähnt, und ebenso wenig verlautet etwas von
irgendeiner Verlagstätigkeit. Ob es einen Zusammenhang gibt mit dem Ein- und Austritt des Kölner Kaufmanns Ernst Jacob, der zwischen dem 1. Januar 1921 und 26. Januar
1926 Gesellschafter war, muss aus meiner Sicht dahingestellt bleiben, wenn auch die genannten Daten einen Zusammenhang mit dem Schicksal des Verlags andeuten
könnten. Andererseits könnte dieser Zusammenhang aber auch durch die Folgen der Inflation entstanden sein. – Eine Nachfrage an das Kölner Handelsregister am 20.
November 2009 im Hinblick auf den Verlag von F. J. Marcan ergab, dass dort keine weiteren Dokumente vorhanden seien, und mir wurde empfohlen, mich eventuell noch
an das „Gewerberegister“ der Stadt Köln zu wenden (Brief vom 23. November 2009). Aus dem Gewerbeamt der Stadt Köln teilte mir jedoch Frau Ursula Lützenkirchen am
24. November 2009 in einer E-Mail mit, dass auch hier keine der gesuchten Unterlagen existieren.
[149] Fritz Jacob (Jakob) Marcan, geboren am 14. März 1898 in Köln, gestorben am
2. November 1972 im Alter von 74 Jahren in Bussum in den Niederlanden. Zu Marcan vgl. unter anderem die in München 1916 angelegte Meldekarte (siehe Anm. [159]), die
hervorragende genealogische Website The Extended Family Tree von Baruch Krotman
sowie die nach dem dritten Asterisk genannte Personenkarte, ferner die Marcans Studium betreffenden Dokumente, die im Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität in
München erhaltenen sind. Als Eltern von Fritz Jacob Marcan werden auf der Website bezeichnet: der Vater Julius Marcan (geboren am 1. März 1868 in Köln, gestorben
vierundachtzigjährig um 1953) sowie die Mutter Brünette (Nettchen) Marcan, geborene Samuel (geboren am 19. Juni 1878 in Köln, gestorben am 23. Februar 1953
). Als Tochter dieser Eheleute und somit Schwester von Fritz Jacob Marcan ist noch angegeben: Alwine Marcan (geboren am 29. November 1901 in Köln, gestorben am 7. Dezember 1991 in London, England).
*
Zur besseren Übersicht der Tätigkeit der Familie Marcan sei nachstehend eine kleine
Tabelle eingerückt, welche hauptsächlich auf den Webseiten von Zigelboim, Krotman, Kamm, Buchstein, Finkelman, Melnik und deren Nachfahren gründet: The Extended Family Tree, welche veröffentlicht sind unter Baruch Krotman, http://www.krotman.co.il/index-eng.htm und die wichtige Seite search. – Farbig
hervorgehoben sind die drei Generationen der Kölner Porzellanwarenhandlung sowie das Verlegertum eines der Marcan-Söhne in den zwanziger Jahren. Über und unter
diesen sind die vorausgehende und die nachfolgenden Generationen genannt.
MARCAN, Marcus (1789–1871) MARCAN, Jacob (1825–1991)
MARCAN, Julius (1868– ca. 1953) MARCAN, Fritz Jacob [F. J.] (1898–1972), Verleger von ca. 1922–1927
MARCAN, Michael René (geb. 1930) MARCAN, Martin Klaus (geb. 1931)
*
Etwas genaueren Einblick in das Familienleben der Marcans konnte ich nehmen, als die
folgende (hier transkribierte) Todesanzeige publiziert wurde. Bei der Verstorbenen handelte es um Berta Samuel, die vermutlich die Mutter von Brünette Samuel,
verheiratete Marcan, war, da das Ehepaar Marcan (Brünette und Julius) zu Beginn der „trauernden Hinterbliebenen“ in der Todesanzeige von Berta Samuel genannt ist; sie
[Berta Samuel] wäre damit die Mutter von Brünette Marcan, die Großmutter von Alwine und Fritz Jacob Marcan und die Urgroßmutter von des Letztgenannten beiden Söhnen (Michael René und Klaus Martin) gewesen.
„Heute verschied nach kurzer, schwerer Krankheit unsere geliebte Mutter, Großmutter, Urgroßmutter
Frau Berta Samuel, geb. Cohn im 81. Lebensjahre.
Die trauernden Hinterbliebenen: Frau Brünette Marcan, geb. Samuel u. Julius Marcan
Josef Samuel und Frau Ella, geb. Baum Dr. Max Samuel u. Frau Heddy, geb. Marcks
Elisabeth Eckstein, geb. Samuel
und Siegmund Eckstein
KÖLN, Roonstraße 39, den 25. November 1937
Die Beerdigung hat in aller Stille stattgefunden.“
(Diese Trauermitteilung erschien im Jüdischen Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, 7. Jg.,
Nr. 42, Köln, den 26. November 1937, S. 388, links, zuoberst.)
Eine weitere Traueranzeige wurde im August 1945 veröffentlicht, welche zwei der in der zuletzt zitierten Anzeige genannten Hinterbliebenen aufführte:
„Wir erhielten die erschüt- | ternde Nachricht, dass un- | sere Lieben | Dr. Max Samuel | früher Köln-Brüssel | Frau Heddy Samuel | geb. Marcks | und deren jüngste Tochter | Lise Lotte Samuel | nach ihrer Deportation ver- | schieden sind. | Ueber Zeit und Ort ist
| nichts bekannt. | Im Namen der Familie: | Richard und Erna Marcks | 1830 Fifth Avenue | Fort Worth 4, Texas“ [USA]
Transkription: | = Zeilenfall; Unterstreichung = im Original größere Schrift-Typen; im Original auf Mitte; Unterzeichnung fett wie im Original.
Die beiden Hinterbliebenen Dr. Max Samuel und Frau Heddy Samuel wurden gemeinsam mit ihrer jüngsten Tochter Lise Lotte Samuel [sic] deportiert, und eine
Todesanzeige erschien am 10. August 1945 in New York, N.Y. auf S. 19 (Sp. [2] von links) auf deutsch, online (siehe in der Wikipedia), in der Zeitung AUFBAU /
RECONSTRUCTION, hg. von Manfred George, Vol. XI, No. 32 unterzeichnet von Richard und Erna Marcks, vgl. Anm. [5], Beginn des Teiles mit 6 Kolumnen in der unteren Hälfte. Aus den Namenangaben geht eindeutig der Zusammenhang mit vorstehender Todesanzeige hervor, auch wenn das Gedenkbuch, das vom
Bundesarchiv am 7. Oktober 2016 zuletzt ins Internet gestellt wurde (erstmals 2007), die drei Namen der deportierten Familie Samuel nicht bestätigen konnte. Aus der
Anzeige geht jedoch noch hervor, dass Dr. Max Samuel früher in „Köln-Brüssel“ arbeitete und/oder an diesen Orten ansässig war.
*
Aus dem Text Einige Erlebnisse (wie Anm. [213], S. 2) sowie genealogischen
Unterlagen geht ferner hervor, dass Fritz Jacob Marcan und Lily Heckscher (siehe unten) am 14. April 1929 heirateten. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: Michael
René Marcan (geb. am 25. September 1930 in Köln) und Klaus Martin Marcan (geb. am 15. November 1931 in Köln). Letztere Informationen stammen aus den
Meldekarten des „Stadsarchief Naarden, tevens Streekarchief voor Muiden, Bussum“ sowie einer Personenkarte in dem „Centraal Bureau voor Genealogie“ in Den Haag. –
Zu danken habe ich für ihre Unterstützung Josephine Moonen, Naarden, Stads- en Streekarchief, Niederlande sowie Yvonne Prins, Den Haag, Centraal Bureau voor Genealogie, Niederlande.
[150] Der erste Band des Wallraf-Richartz-Jahrbuchs war 1924 in Marcans Kölner
Verlag erschienen; vgl. das Inserat auf S. [4] des Katalogs, wo es heißt: „Begründet von Franz F[riedrich] Secker / Schriftleitung Walter Cohen“. – Beim zweiten Band
wechselte der Verlag dieses Jahrbuchs aber nach Leipzig; Fritz Jacob Marcans Beitrag lautete hierin: Johann Anton Ramboux und seine Fresken in Trier, in: Wallraf-Richartz Jahrbuch, hg. von der Wallraf-Richartz-Gesellschaft in Köln, 2. Jg., Leipzig:
Verlag Klinkhardt & Biermann, 1925, S. (105)–117. – Die Verbindung zu Köln und dem Wallraf-Richartz-Museum wurde dadurch geschaffen, dass Ramboux zunächst
zum Verwalter, später zum Konservator dieses Kölner Museums berufen wurde. Vgl. F. J. Marcan, Johann Anton Ramboux, ebd., S. (105)–(106). – Möglicherweise
hat Marcan auch die Einführungstexte für den Katalog seines Verlags selbst verfasst, könnte diese Arbeit aber auch einem Mitarbeiter übertragen haben. Weiteres zu Marcan siehe besonders in Kapitel 5. – Für die Überlassung einer Kopie des Aufsatzes
von Fritz Jacob Marcan ist Herrn Jörg Streichert, dem Geschäftsführer der Freunde des Wallraf-Richartz-Museums und des Museums Ludwig e.V., vielmals zu danken.
[151] Vgl. Ernst Norlind, Gespräche und Briefe Walther Rathenaus, mit einem
Nachwort von Max Scheler, Dresden: Reissner, o. J. [ca. 1925]. Vgl. auch Konrad Fuchs Artikel Scheler, Max Ferdinand, in: Friedrich-Wilhelm Bautz †, fortgeführt von Traugott Bautz (Hg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. IX,
Herzberg: Bautz, 1995, Sp. 75–79 (Online-Ausgabe).
[152] Abdruck in: E. Norlind (wie Anm. [151]), S. 108–140; Fußnote auf S. 108.
Vgl. auch in Anm. [139] das erste Buch des Marcan-Block-Verlags (1922) mit demselben Vortrag Schelers.
[153] Gustav Landauer wurde in der sogenannten Münchener Räterepublik im April
1919 „Beauftragter für Volksaufklärung“, wobei seine erste und einzige Maßnahme im Verbot des Geschichtsunterrichts an bayerischen Schulen bestand.
[154] Vgl. u. a. das Digitalisat von Gustav Landauers Aufruf zum Sozialismus
in der Ausgabe des Marcan-Block-Verlags (4. Aufl., 16.–18. Tausend, Köln 1923); Online-Ausgabe. Am Ende dieser Ausgabe stehen zwei ganzseitige Anzeigen des
Marcan-Block-Verlags zu Landauer (S. 158 und S. 159). Ansonsten sind die bei Marcan verlegten Schriften Landauers auch dem Katalog 1924/25 S. 6 und 7 zu
entnehmen. Festzuhalten ist, dass nicht alle vier Auflagen des obengenannten Titels im Verlag von Marcan erschienen sind; ob die genannte Auflage jene des Marcan-
Verlags bezeichnet oder ob es sich um einen Nachdruck der vierten Auflage handelt, bedarf genauerer Untersuchung. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass Landauers Text Aufruf zum Sozialismus bereits 1911 publiziert wurde.
*
Hingewiesen sei auch noch auf eine teilweise scharf geführte Kontroverse Mitte
der 1920er Jahre, welche die Entstehung und Arbeit der von Hermann Scherchen gegründeten und von Fritz Windisch fortgeführten internationalen Musikzeitschrift Melos, die „Melos-Gemeinschaft zur Erkenntnis zeitgenössischer Musik“ und die von
dieser Gemeinschaft veranstalteten „Konzertabende“ betraf. Sie ist im Ersten Halbjahr der Zeitschrift Weltbühne von 1924 (Nr. 9–14) zu finden, und zwischen Ende Februar
und Anfang April schrieben hier Ludwig Kantorowicz, Klaus Pringsheim, Herbert Graf und Fritz Windisch (S. 281–282, 316–318, 389, 417–419, 457–458). Ein
Schriftstück des Rechtsanwalts Theodor Liebknecht, welcher der Bruder Karl Liebknechts war und der offenbar die Interessen von Klaus Pringsheim vertrat,
ergänzte den Disput Anfang Februar 1926 (Erstes Halbjahr, S. 199). – Diese Auseinandersetzung wäre hier nicht weiter erwähnenswert, würden nicht einige
Parallelen zu der fast zur selben Zeit entstandenen Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ erkennbar. Trotz mancher Unterschiede bestanden grundsätzliche
Gemeinsamkeiten im Verbund einer „Gesellschaft“, in öffentlichen Konzerten sowie einem Periodikum, wobei das Musikschaffen der Gegenwart und die
Internationalität der Bemühungen im Mittelpunkt standen. Weiteres siehe hier.
Hinsichtlich der anstehenden Themen ist als direkter Bezugspunkt zu nennen ein
schmales seitenübergreifendes Inserat des Marcan-Verlags am Fuße der ersten beiden von drei Seiten (1924, Erstes Halbjahr, S. 316-317), auf welchen Klaus Pringsheims Beitrag von Weder Werk noch Raub! abgedruckt war. Zwar war dieses Inserat für
den Band Beginnen mit Texten aus dem Nachlass Gustav Landauers bestimmt, doch wird sichtbar, dass Marcan in dieser Zeitschrift einen Leser- und Abnehmerkreis für
seine Veröffentlichungen erblickte. Gustav Landauers Bücher bei Marcan wurden in der Weltbühne 1923 (Erstes Halbjahr, S. 718–721) von Otto Flake sowie 1924
Zweites Halbjahr, S. 196–197) von Alfons Steiniger besprochen. Zwei weitere Inserate Marcans in der Weltbühne, die ebenfalls nur das Werk Landauers betrafen,
erschienen beide 1924 (Erstes Halbjahr S. 278–279 und 346–347).
Else Lewertoff machte auf Die Weltbühne in ihren Erinnerungen (S. 74–75)
folgendermaßen aufmerksam: „Um das Zeitbild zu vervollständigen, müsste man auch noch auf die zahlreichen Zeitschriften eingehen, die, wie etwa ,Die Fackel‘ und ,Die
Weltbühne‘ einen besonders markanten Charakter hatten. Beide gelten noch heute als vorbildlich. Die Weltbühne, die wie die Fackel zum grössten Teil jüdische Mitarbeiter
hatte, ist unlängst im Neudruck erschienen.“ (Der Nachdruck wurde 1978 vom Athenäum-Verlag in Königstein im Taunus vorgelegt.)
Ferner wurde ein Inserat Marcans über Landauers Schriften Aufruf zum Sozialismus und Rechenschaft am 30. Mai 1925 im Tage-Buch 1925, 1. Halbjahr, S. (812)
veröffentlicht, eine Zeitschrift, in der wie in der Fackel oder Weltbühne zahlreiche jüdische Autoren zu Wort kamen. Hier befand sich auch eine Rezension des Buchs VON NEUER MUSIK; vgl. Klaus Pringsheim, Neues über neue Musik, in: Das
Tage-Buch, hg. von Stefan Großmann, geleitet von Stefan Großmann und Leopold Schwarzschild, 6. Jg., 2. Halbjahr, Heft 27, Berlin, 4. Juli 1925, Seite 989–991.
Zugleich wurde eingangs das Buch von Walter Schrenk Richard Strauss und die neue Musik (Berlin 1924, Einzelheiten hier) besprochen sowie abschließend die von
Hermann Scherchen gegründete und dann von Fritz Windisch bzw. Hans Mersmann fortgeführte Zeitschrift Melos.
In negativer Weise nimmt im folgenden Jahr auch ein dreiteiliger Aufsatz von Klaus Pringsheim (1883–1972) Bezug auf Erwin Steins Schönberg-Beitrag Neue
Formprinzipien, der Pringsheim schon in seiner Rezension Neues über neue Musik (siehe vorigen Absatz) verdrießlich aufgefallen war: vgl. Klaus Pringsheim, Neue Musik?, in: Die Weltbühne, 1926, Erstes Halbjahr, Nr. 2 (12. Januar 1926), S. 64 bis 68: I.
Atonalisten (S. 68 ohne Nennung des Verfassers: „neue Formprinzipien“); [Forts.] ebd., Nr. 3 (18. Januar 1926), S. 102–105: II. Die Objektiven; [Ende] ebd., Nr. 4
(26. Januar 1926), S. 144–148: III. Mechanisierung.
Zu den Zeitschriften Die Weltbühne und Das Tage-Buch vgl. die gleichnamigen Artikel der Wikipedia, wo auch Links zu Digitalisaten eingebracht sind.
[155] Vgl. Kapitel 3: Die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ und das durch Anm. [73] belegte Zitat.
[156] Vgl. Matthias Schloßberger, Die Erfahrung des Anderen. Gefühle im menschlichen Miteinander. Philosophische Anthropologie, Bd. 2, Berlin: Akademie
Verlag, 2005 (zugleich Diss. Potsdam, Universität 2004), Abschnitt Schelers Lehre der unmittelbaren Fremdwahrnehmung auf S. 146, Fußnote 1 (Online-Datei; Leyendecker wird hier als „Schüler“ Schelers bezeichnet). Hier auch weitere Literatur zu Scheler. Vgl. auch die Erwähnung von Leyendeckers Doktorarbeit Zur
Phänomenologie der Täuschungen (Universität München, erschienen in Halle an der Saale: Waisenhaus [Niemeyer], 1913 [Reprint New York: Garland Pub., 1980]) bei Max Scheler, Die Idole der Selbsterkenntnis, in: derselbe, Abhandlungen und
Aufsätze, Bd. 2, Leipzig: Verlag der weißen Bücher, 1915; hier Vorbemerkung S. 14 (Online-Ausgabe). – Vgl. zu Leyendecker auch Anm. [74].
[157] Else Thalheimer, Answers to the Questionnaire (Tel Aviv, März 1974, Ziffer
VII); wie Anm. [64], wo es heißt: „My most impressive teacher was the Philosoph,
Prof. Moritz Geiger at the University of Munich.“ – Moritz Geiger (1880–1937) wurde
1915 in München außerordentlicher Professor für Philosophie. Ab 1923 hatte er eine Professur in Göttingen, 1933 emigrierte er aufgrund seiner jüdischen Abstammung in
die USA, wo er 1937 in Seal Harbor starb. Zu seinem Briefwechsel mit Edmund Husserl vgl. Edmund Husserl, Briefwechsel (wie Anm. [73]), S. 87 ff. Zu Else
Thalheimers Studium in München und ihre Erwähnung von Moritz Geiger in einem Belegblatt vgl. in Kapitel 2 (Gymnasium. Studien in München, Bonn und Köln) den
Münchener Belegbogen Else Thalheimers.
[158] Max Scheler ist auf dem Kölner Südfriedhof beerdigt; von seinem Grab
gab es eine private Videoaufnahme im Internet (nicht mehr aufrufbar am 4.2.2016).
[159] Eine Kopie der Meldekarte Fritz Marcans wurde mir am 18. März 2010
dankenswerterweise von Dr. Andreas Heusler aus dem Stadtarchiv München in fotokopierter Form zugänglich gemacht. Dieser Karte zufolge wohnte Marcan
zunächst in der Ainmillerstraße, dann in zwei Häusern der Kaulbachstraße (anfangs für etwa einen Monat in einer Pension) sowie schließlich in der
Hohenzollernstraße. Marcan kehrte nach jedem Aufenthalt in München wieder nach „Cöln“ zurück, wobei am Anfang und Ende der Einträge die „Schildergasse 84a“ als Adresse angegeben ist.
[160] Fotokopien aus dem Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität erhielt ich
am 1. April 2010 von Dr. Claudius Stein, dem für seine Freundlichkeit gedankt sei. Erhalten sind in dem Archiv der Münchener Universität noch die Belegblätter,
auf denen Marcan die Titel der von ihm besuchten Vorlesungen verzeichnete. Eine Rückfrage ergab, dass eine Auswertung dieser Belegbogen wegen der jetzigen
Personalsituation des Universitätsarchivs nicht vorgenommen werden könne, doch wurde mir die Einsicht anlässlich eines Besuchs des Hauses angeboten. Der Punkt,
ob Jacob Fritz Marcan vielleicht ebenfalls Vorlesungen bei Moritz Geiger belegt hatte oder sonst an der Universität mit den Münchener Phänomenologen in Kontakt kam, bleibt daher vorerst ungeklärt.
[161] Vgl. zu den drei Abkürzungen Anm. [50].
[162] Vgl. Anm. [160]. Nicht ganz klar ist mir, ob hier speziell die „Geschichte der
Philosophie“ (vgl. das durch Anm. [53] belegte Zitat) gemeint ist oder „Geschichte“
im umfassenderen Sinn als eine Art von Alternative zu den vorstehenden Fächern.
[163] Vgl. den zweiten Absatz von Anm. [224] und die Orden aus dem Ersten
Weltkrieg, die Marcan 1942 in Amsterdam bei der ihm drohenden Deportation vorzeigte.
[164] Unter Bemerkungen ist einmal eine Exmatrikulation am 27. Juli 1920 unter der
Nr. 547/1055 eingetragen (letzte Datierung auf Seite 3), an anderer Stelle (Seite 2) der 31. Juli 1920 unter der Nr. 771/1310.
[165] Vgl. die Exmatrikulation von Thalheimer am 26. Juli 1920 (hier) bzw. von Marcan am 27. oder 31. Juli 1920 in Anm. [164].
[166] Herausgegeben und übersetzt von Heinrich Lützeler (1902–1988), welcher der Bonner Universität eng verbunden war und nach dem Krieg Institutsleiter und zweimal
Dekan der Philosophischen Fakultät wurde. Im Nationalsozialismus erhielt er 1940 Lehrverbot.
[167] Die Bücher Tolstoi und Nietzsche (1923) bzw. Dostojewski und Nietzsche (1924).
[168] Friedrich von Schlegel (1772–1829), Philosoph und Dichter, lebte von 1804
bis 1808 in Köln, wo er philosophische Vorlesungen hielt und sich zunehmend dem Katholizismus zuwandte. Ein Teilnachlass Schlegels wurde 2009 in das Historische Archiv des Erzbistums Köln aufgenommen.
Fritz Marcan signierte eines der in Pergament gebundenen Bücher Schlegels von Hand
mit den Worten an einen unbekannten Empfänger: „Als Dank für die Prosa zum 13.11.[19]37 | Fritz Marcan | Köln.“ (12.6.2016)
Ferner: Kölner Stadt-Anzeiger, 27. Oktober 2015, Kultur und Medien, in dem [Artikel] Literatur: Schluckauf des Bibliomanen, über den 1949 in Hard, Vorarlberg,
Österreich, geborenen Schriftsteller Michael Köhlmeier; Lesung am 11. November [2015] der Buchhandlung Klaus Bittner im Belgischen Haus, Köln, aus Köhlmeiers jüngstem Werk Umblättern und andere Passionen, „Edition 5 plus“, 104 Seiten,
16,80 Euro, limitierte Edition. – Hierin Erinnerungen an den bibliophilen Band von F. Schlegel, der bei Marcan erschienen ist. Kommentar, signiert: „H“.
[169] Von Fjodor Dostojewskij ist 1925 die Erzählung Die Sanfte mit den fünfzehn
Federzeichnungen der in Köln geborenen Künstlerin Marta Worringer, geb. Schmitz
(1881–1965) bei Marcan in einem aufwändigen, mit schwarzem Leder bezogenen Band erschienen. Diese Ausgabe ist freilich nicht in dem Verlagskatalog für den Winter 1924/25 aufgeführt (siehe Anm. [202]) und scheint daher später als der Katalog veröffentlicht worden zu sein. Der Katalog wurde ebenso wie das Dostojewskij-Buch
bei Spamer in Leipzig hergestellt, und zwar der Katalog in der „Spamersche Buchdruckerei“, das Buch in der „Spamersche Buchbinderei“. Die Übersetzung aus dem Russischen stammte von Alexander Eliasberg (1878–1924), der seit 1905 in
München lebte, ein vorzüglicher Kenner und Vermittler russischer Literatur war und in München unter anderem mit Thomas Mann verkehrte. 1923 wurde er aus Bayern
ausgewiesen und verstarb 1924 in Berlin. Die Ausgabe des Marcan-Verlags ist unter der Signatur 51a/90085 in der „Württembergischen Landesbibliothek“ Stuttgart vorhanden, wo der Druck Bestandteil der Einband-sammlung des Stuttgarter Verlegers Max Hettler (1907–1969) ist. Das Exemplar wurde von der besitzenden Bibliothek auf
einer eigenen Webseite ausführlich beschrieben und vergrößerbar abgebildet.
[170] Nicht zu verwechseln mit dem in Genf geborenen Komponisten Ernest Bloch
(1880–1959). Vgl. über den Philosophen Tibor Kneif, Bloch, Ernst, in: MGG 15 (1973), Sp. 854–856, wo in der Bibliografie in Sp. 855 Blochs Beitrag für den Sammelband VON NEUER MUSIK genannt ist.
[171] Mit 1940 ist nur der vergleichsweise leicht erhältliche vollständige Faksimile-Nachdruck des Lexikons der Juden in der Musik von Stengel und Gerigk genannt
(in Eva Weissweilers Buch Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen, Köln: Dittrich-Verlag, 1999, S. 182–375), wobei mir
klar ist, dass es zuvor schon antisemitische Nachschlagewerke mit derselben Thematik gab. Vgl. etwa Otto Girschner unter Mitarbeit von Walter Trienes, Repetitorium der Musikgeschichte, 9. Aufl., Köln: Musik-Verlag K. J. Tonger, 1937, S. 350–414: Juden in der Musik. Auch die beiden folgenden Auflagen des Repetitoriums enthalten
diesen Nachschlageteil (10. und 11. Aufl., 1939 bzw. 1941, jeweils S. 350–411). – Ein Beispiel, dass das Buch VON NEUER MUSIK selbst im Nationalsozialismus
gelegentlich benutzt wurde, ist der Artikel Hindemith, Paul in: Ernst Bücken, Wörterbuch der Musik, Leipzig: Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, 1940, Reihe: Sammlung Dieterich, Bd. 20, S. 184, wo es im Verzeichnis der Literatur gleich zu
Beginn heißt: „Werkverzeichnis (bis 1925) von W. Altmann, Köln 1925“. Dass hier der Buchtitel nicht genannt wurde, war allerdings kaum von Vorteil für das Auffinden
der Quelle. – Altmann, der einstige Direktor der Musikabteilung der Staatsbibliothek in Berlin, wird zwar bei Stengel/Gerigk (s. o.) in Spalte 18 als „(H)“ = Halbjude
bezeichnet, doch ließen sich mehrere Publikationen von ihm nachweisen, die im Nationalsozialismus erschienen, darunter seine Beiträge für das Deutsche Musikjahrbuch, Jahrgang 1937, hg. von Rolf Cunz, Berlin 1937, S. 66–73 und S
. 154–(167).
[172] Ernst Bücken, Wörterbuch der Musik (wie Anm. [171]), S. 379, linke Sp.
sowie Hans Joachim Moser, Musiklexikon, 2. Aufl., Berlin: Max Hesses Verlag, 1943, S. 800 f.
[173] VON NEUER MUSIK, S. 320.
[174] Vgl. den am 29./30. Oktober 1932 im Westdeutschen Beobachter in Köln
erschienenen Artikel von Walter Trienes Musikgeschichte im Lichte der Rassenforschung (wie Anm. [104]), hier in Spalte [4] der Satz: „Der Halbjude Busoni
trat für Viertel-, Drittel-, ja für Sechsteltöne ein; […].“
[175] Zur Emigration Else Thalheimers (1935) vgl. Kapitel 7; zur Emigration von Fritz Jacob Marcan (1938) vgl. Kapitel 5 sowie in Anm. [213], letzter Absatz.
[176] Vgl. die ganzseitige Beschreibung der Reihe in dem Katalog des Marcan-
Verlags für den Winter 1924/25, S. [10]. – Die „Kunstgewerbe- und Handwerkerschule“ in Köln befand sich im Mauritiussteinweg 59B; Lehrer hier war u.
a. „[Jakob] Erbar […] Lehrer für Schriftsatz u. Buchdruck“ (dieselbe Seite und Spalte wie „Hupperz“).
[177] Vgl. Anm. [169].
[178] VON NEUER MUSIK, S. [II] bzw. die letzte Information des Katalogs 1924/25.
[179] Der einzige belegbare und recht unbestimmte Hinweis auf eine Veröffentlichung
zur Musik enthält der Verlagskatalog von 1924/25, wo es auf S. [10] unter der Überschrift Die Drucke der Kölner Presse gegen Ende heißt: „Schriften über Männer,
Werke und Probleme der bildenden Kunst, Philosophie, Geschichte, Musik sollen neben Kostbarkeiten der schönen Literatur in zwangloser Folge erscheinen.“
[180] Heinrich Franz Grues wurde am 4. Juni 1896 in Köln-Mülheim als Sohn
des Schneider(meister)s Franz Grues und seiner Ehefrau Elisabeth Emilie Grues (geb. Schmücker) geboren; Geburtsort war die Windmühlenstraße 128 in Köln-Mülheim;
Grues’ Konfession war katholisch. Das „e“ des Familiennamens ist ein Dehnungs-Zeichen, welches besonders in niederrheinischen und westfälischen Eigennamen den
vorausgehenden Vokal verlängert, wodurch der Familienname wie „Gruß“ auszusprechen ist (siehe auch hier). Der amtsgerichtliche Vermerk, der im Folgenden
genannt ist, lässt dies auch vermuten: Zwar wurde die Geburtsurkunde auf den Familiennamen „Gruß“ ausgestellt, doch steht am linken Rand der Urkunde ein
berichtigender Vermerk des Königlichen Amtsgerichts von Cöln-Mülheim, datiert auf den 22. Oktober 1915, welcher besagt, dass der Familienname korrekt „Grues“ laute
(Geburtenbuch von Mülheim am Rhein [später: Köln-Ost], Nr. 628; eingestempelt ist ein handschriftlich ergänzter Sterbevermerk und Hinweis auf das nachstehend genannte Sterbebuch von Köln-Ostheim.
Grues verstarb am 20. Oktober 1969 im Städtischen Krankenhaus von Köln-Merheim
(Ostmerheimer Str. 200); er wohnte bis dahin in Köln-Ostheim in der Rösrather Straße 39, wohin er am 1. Sept. 1961 aus Schleiden umgezogen war (siehe unten); Grues war
„nicht verheiratet“; als Beruf wird „Kulturreferent“ angegeben. Sein Sterbe-Eintrag ist aus dem Sterbebuch der Stadt Köln ersichtlich (Nr. 2204, datiert auf den 22. 10.
1969, Standesbeamter I[n] V[ertretung] Geuenich). Die Einträge befanden sich zum Teil in den Zweitschriften der Sterberegister des Standesamts Köln-Ost; die
Erstschriften wurden beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 verschüttet, waren nicht verfügbar und sind möglicherweise zerstört. Für Auskünfte
danke ich vielmals Ulrich Bartels, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Brühl (Brief vom 22. Oktober 2009).
Zwar konnten in der Kölner Industrie- und Handelkammer keine Unterlagen über die
„Bücherstube am Wall“ in Köln-Mülheim ermittelt werden (zu danken ist vielmals Dr. Jürgen Weise, dem Stellvertretenden Leiter der Stiftung Rheinisch-Westfälisches
Wirtschaftsarchiv der Industrie- und Handelskammer zu Köln), doch ließ sich hier anhand des Kölner Adressbuchs bestätigen, dass Heinrich Grues in der Wallstraße 105
in Köln-Mülheim ansässig war. Eigentümer des Hauses, in dem sich noch die Tabakwarenhandlung von „Joh. Ringhausen“ befand, war der Schneider „F. Grues“
[vermutlich der Vater von Heinrich Grues, der Franz Grues hieß]. Heinrich Grues wohnte zusammen mit der Lehrerin „Sophie Grues“. Hierbei handelte es sich
wahrscheinlich nicht um die Ehefrau, sondern eher die Schwester von Heinrich Grues, denn eine Personalkarte für Lehrerinnen ließ sich im Internet für eine am 30. März
1898 geborene „Grues, Sophie Maria Elisabeth“ (Rufnamen unterstrichen) finden, auf der unter anderem angegeben war, dass diese seit Ostern 1929 in Köln-Holweide an
der Katholischen Hilfsschule (Neufelderstr. 4) unterrichtete. Dass sie eher die jüngere Schwester und nicht die Ehefrau von Heinrich Grues war, ist wegen des Fehlens eines
Mädchennamens sowie einer Berufsbezeichnung des Ehemannes auf dieser Personalkarte zu vermuten; andererseits geht aus dem zuvor genannten Sterbeeintrag
hervor, dass Heinrich Grues „nicht verheiratet“ war. (Diese Sicht bestätigte Herr Robert Freitag, der mit der Familie Grues verwandt ist; siehe hier). – Eine Recherche im Kölner Adreßbuch von 1930 ergab unter Wall-Straße 105 in Köln-Mülheim den
Eintrag: „Grues F[ranz] Schneid[er(meister)] | Grues H[ein]r[i]ch Kaufm[ann] 1 [erster Stock] | Grues Sophia Lehrerin.“ Vgl. Kölner Adreßbuch von 1930 (siehe hier), S. 696, Sp. [5].
Grues studierte vom 22. Oktober 1915 bis zum Ende des Sommersemesters 1924 an der Universität Bonn. Im Wintersemester 1924/25 war er laut dem „Bonner
Studentenverzeichnis“ beurlaubt. Nach diesem Zeitpunkt erscheint sein Name in den Aufzeichnungen nicht mehr. Dem Immatrikulationsalbum der Jahre 1914–1918
war ebenfalls zu entnehmen, dass Grues während seines Studiums der Neueren Philologie in Köln-Mülheim in der Wallstraße 105 wohnte. Auch diese Adresse,
zugleich die Anschrift der „Bücherstube am Wall“ (vgl. Anm. [193]), existiert noch heute. Neben seinem Geburtstag und -ort werden auch der Beruf seines Vaters
erwähnt, die Konfession und der Besuch des „königlichen Gymnasiums Essen“. (Hierbei fällt auf, dass auch Sophie Grues in Essen am 23. November 1917 ihre „Erste
Lehrerprüfung“ abgelegt hatte, so dass zu dieser Stadt möglicherweise familiäre Beziehungen bestanden.) Laut Immatrikulationsalbum besuchte Grues zuvor keine
andere Universität. Fur freundliche Auskünfte habe ich Jennifer Striewski, Universitätsarchiv Bonn, vielmals zu danken (mehrere E-Mail im Dezember 2009).
Grues gehörte zu den ersten Mitgliedern der im Januar 1921 gegründeten Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ (vgl. Anm. [192]). Ob er jedoch zu dieser Zeit bereits
Aufgaben im Vorstand wahrnahm, wie sich dies für die Saison 1927/28 belegen lässt, vermag ich nicht zu sagen. Sein Name wurde bei Mies mit der Bezeichnung „cand.“
(candidatus) versehen, was im Allgemeinen einen Studenten in höherem Semester bezeichnet, der sich auf eine Dissertation vorbereitet; vgl. Anm. [127] und S. 70 in dem Aufsatz Die Gründung etc. von Paul Mies. Über Grues’ Zugehörigkeit zum Vorstand
der Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ vgl. Anm. [192], besonders zweiter Absatz. – 1921 erschien auch ein Artikel von Grues über Clara Schumann in der Zeitung Germania vom 22. Mai 1921, der aber nicht vorlag.
Zu Grues’ beruflichem Werdegang ließ sich noch Folgendes feststellen: Heinrich Grues
erhielt, zusätzlich zu seinem Universitätsstudium, eine Ausbildung als „Fachbuchhändler“ (unter „erlernter Beruf“). Vom 1. April 1947 bis zum 31. Juli 1961 (Altersgrenze) war
er im Amt für Kultur des Kreises Schleiden tätig [ca. 70 km südwestlich von Köln]; etwa 1955 wurde er Leiter der Volkshochschule in Euskirchen, war aber gleichzeitig
Kulturreferent des Landkreises Schleiden. (Diesen Auskünften liegt eine kurze Personalkarte von Grues zugrunde, da die Personalakten der vor 1900 Geborenen
vernichtet sind; 1972 wurden Verwaltung und Archiv von Schleiden und Euskirchen zusammengelegt.) Einer alten Meldekarte im Fachbereich 2 der Stadt Schleiden zufolge
übersiedelte Grues am 3. Oktober 1951 von Köln-Mülheim, Tiefentalstraße 25 nach Schleiden in die Monschauer Straße 1. Ende der 1950er Jahre gab Heinrich Grues zusammen mit Werner Rosen den Heimat-Kalender des Eifel-Grenzkreises
Schleiden 1959 heraus (Köln und Schleiden 1958; lag nicht vor). Am 1. September 1961 zog er von dort nach Köln-Ostheim in die Rösrather Straße 39 um.
Für Auskünfte ist zu danken: Frau Petra Hilgers, Fachbereich 2, Stadt Schleiden (E-Mail am 5. Okt. 2009) und Frau Heike Pütz, Team 10.4 Personalmanagement und
Zentrale Dienste, Kreisarchiv, Euskirchen (E-Mail am 30. Sept. 2009).
*
Am 19. und 21. Februar 2014 schrieb mir Herr Robert Freitag, Köln-Mülheim, in zwei E-Mails, dass seine Mutter eine geborene Pötter sei. Deren Mutter Elisabeth Pötter sei eine geborene Grues, deren Geschwister wiederum Maria, Sophie und Heinrich Grues waren. – Ferner ergänzte er meinen vorliegenden Aufsatz durch die
Information, dass das „e“ in Grues wirklich ein Dehnungszeichen sei, wie auch durch Bemerkungen darüber, dass das Haus in der Wallstraße 105 im Zweiten Weltkrieg
zerstört wurde. Der Neubau, der nach der familieninternen und problemlosen Übernahme des Grundstücks durch Elisabeth Pötter aus den Händen von Heinrich
Grues erfolgte, entstand nach den Plänen von Herrn Freitags Vater, der Architektur studiert hatte. – Weihnachten 1968 feierte Herrn Freitags Familie zusammen mit
Heinrich Grues, wobei Herr Freitag erfuhr, dass Grues Buchhändler war und auch Bücher herausgab. Grues habe jedoch eine große Expertenschaft für Bilder gezeigt,
von denen er eine große Anzahl besaß. Dabei habe Grues auch eine „Else“ erwähnt (vermutlich Else Thalheimer), deren Hilfe ihn sehr erfreut habe. Den Verbleib dieser
Frau namens Else habe Herr Freitag damals nicht erfahren. (Herrn Robert Freitag ist herzlich für seine ausführlichen Informationen zu danken.)
[181] Eigel Kruttge wurde am 3. April 1899 als Franz Erich Gerhard Eigel Kruttge
im schlesischen Glatz (heute Kłodzko, Polen, ca. 90 km südöstlich von Wrocław
[Breslau]) geboren; den Vornamen „Eigel“ verwendete Kruttge offenbar erst seit den 1920er Jahren, während er zuvor auch den Vornamen „Gerhard“ gebrauchte.
Kruttges Vater, Erich Kruttge, war von Beruf Regierungsrat und Geheimer Baurat (geb. am 11. Oktober 1852 in Breslau; nachweisbar bis 1929). Vermutlich stammen die
Arbeiten von Eigel Kruttges Vater, die in folgendem Buch zu finden sind: Beiträge zur Geschichte des Schulwesens in Glatz und des Gymnasiums insbesondere. Beiträge zur Geschichte der Anstalt von Erich Kruttge, Paul Prohasel und Wilhelm Schulte,
Glatz: Druck von L. Schirmer, 1897 (Reihe: Schulschriften aus der Provinz Schlesien; Bd. 1897,1). – Der Heimat- und Wohnort der Familie war Arnsberg im
nordrhein-westfälischen Sauerland, seine Staatsangehörigkeit preußisch, sein Glaubensbekenntnis katholisch. Im Adressbuch für die Städte Arnsberg, Neheim und Hüsten für 1914/15 (Neheim: Verlag von G. W. Visarius) befindet sich auf S. 19
der seinen Vater betreffende Eintrag: „Kruttge, Erich, Reg.- u. Baurat, Hellefelderstraße 7.“ Kruttge besuchte das „Königliche Gymnasium Laurentianum“ in
Arnsberg, das er zu Ostern 1917 mit der Reifeprüfung abschloss. Ab 5. Mai 1917 (Sommersemester 1917) studierte er an der Universität zu Bonn Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte. Laut seinem Lebenslauf in der Dissertation wurde
das Studium von Ende des Wintersemesters 1917/18 an für ein Jahr durch „Tätigkeit im Hilfsdienst“ unterbrochen [ca. 1. Oktober 1917–30. September 1918], womit vermutlich der Vaterländische Hilfsdienst gemeint ist, eine seit 1916 bestehende
Zivildienstpflicht. Am 28. Februar 1922 legte Kruttge die mündliche Prüfung zu seiner Dissertation ab. Von 1922 bis 1926 war er Musikwissenschaftlicher Assistent und
Volontär am Kölner Opernhaus (vgl. Peter Heyworth, Otto Klemperer, his life and times, Bd. 1: 1885–1933, Cambridge 1983, zu Kruttge passim: siehe den Index des
Buchs auf Seite 462, rechte Spalte; Online-Teilausgabe [Suchwort „Kruttge“]).
Entscheidend für Kruttges künstlerischen Werdegang wurde sowohl die Begegnung mit Otto Klemperer, der von 1917 bis 1924 am Kölner Opernhaus arbeitete, als auch mit
Artur Schnabel, bei dem Kruttge später Unterricht nahm (s. u.). Anlässlich von Klemperers Kölner Erstaufführung von Mussorgskis Boris Godunow hielt Kruttge
einen Vortrag in der „Gesellschaft für neue Musik“; vgl. H. Lemacher, Ein Überblick (wie Anm. [119]), S. 75.
Der zur Thematik von Kruttges Dissertation gehörende Aufsatz Aus den Reisetagebüchern des Grafen Ludwig von Bentheim-Steinfurt wurde 1923
veröffentlicht (Zeitschrift für Musikwissenschaft, Bd. 6, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1923, S. 16–53). Am 14. Januar und 16. März 1924 schrieb Kruttge, jetzt bereits
Mitherausgeber an dem im Verlag von Fritz Jacob Marcan 1925 in Köln erschienenen Buch VON NEUER MUSIK, zwei Briefe an Ferruccio Busoni (Staatsbibliothek
Preußischer Kulturbesitz in Berlin), nachdem er Busoni zuvor in Berlin besucht hatte (vgl. Haupttext). Am 1. März 1924 wurde Kruttge promoviert (1922 war nur die
mündliche Prüfung; da es in der Chronik für 1922 der Universität Bonn keinen Hinweis auf Kruttge gibt, wäre das Jahr 1924 die korrekte Datierung für Kruttges Promotion;
der große zeitliche Abstand zwischen mündlicher Prüfung und Promotion ist auch bei Thalheimer zu beobachten, vgl. Anm. [61]). Seine Dissertation bei Ludwig Schiedermair wurde mit „sehr gut“ bewertet. Sie trug den Titel Gerhard Kruttge, Geschichte der Burgsteinfurter Hofkapelle 1759–1817. Mit Auszügen aus den
Reisetagebüchern des Grafen Ludwig von Bentheim-Steinfurt; Wiederveröffentlichung 1973 (Köln: Arno Volk Verlag, Reihe: Rheinische Musikgeschichte, Bd. 101). – In der ersten Ausgabe des MGG wird Kruttge
als „Schüler“ von Schiedermair (1878–1957) bezeichnet, der ab März 1915 außerordentlicher Professor, ab Juli 1915 persönlicher Ordinarius in Bonn war; vgl. Joseph Schmidt-Görg, Artikel Schiedermair, Ludwig (mit Foto), in: MGG 11 (1963
), Sp. 1700 f. Aus dem Lebenslauf von Kruttges Dissertation geht am Ende hervor: „Berichterstatter [Doktorvater]: Prof. Dr. Schiedermair.“ – Else Thalheimer rezensierte
1926 Schiedermairs Buch Der junge Beethoven in den Musikblättern des Anbruch, vgl. Thalheimer-Bibliografie unter 1926. Soweit ich den schwer leserlichen
Schreibmaschinentext am Ende von Kruttges Lebenslauf richtig wiedergebe, heißt es dort: „Die mündliche Prüfung fand am 28. Februar 1922 statt.“, so dass die
Dissertation wohl unter dieser Zeitangabe bibliografisch aufgenommen wurde.
Eine Mitwirkung von „Dr. Eigel Cruttge - Köln“ als Cembalist belegt ein mit „H.“ signierter Artikel in der Rheinischen Musik- und Theater-Zeitung (Kleine
Konzertchronik unter „Arnsberg“ auf S. 271 des 25. Jg., Nr. 31/32, hg. von Gerhard Tischer, Köln, 13. September 1924.
Von 1924 bis 1925 arbeitete Kruttge als Musik- und Theaterkritiker der Mainzer Tageszeitung, von 1925 bis 1931 als freier Schriftsteller, Musikpädagoge und
Musiker. Zu Kruttges zwei Briefen an Busoni (1924) vgl. Anm. [120], Abschnitt II. Von 1925 bis 1927 machte er in Berlin pianistische Studien bei Artur Schnabel,
spezialisierte sich dann aber auf das Cembalo-Spiel. Ab 1931 war Kruttge Mitarbeiter in der Ortsgruppe Berlin der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM).
Vom 16. November 1931 bis 1933 wirkte er als Programmreferent und Künstlerischer Mitarbeiter in der Konzertabteilung der Berliner Funk-Stunde. In dieser Zeit verfasste
er folgenden Aufsatz: Walter Berten und Eigel Kruttge, Katholische Kirchenmusik, in: Melos. Zeitschrift für Musik, Schriftleitung Hans Mersmann, 11. Jg., Heft 5/6, Mainz:
Der Melosverlag, Mai/Juni 1932, S. 181–183. Während seiner gesamten Zeit bei verschiedenen Rundfunksendern war Kruttge auch als Dirigent tätig, wobei er
vorwiegend Kammerorchester leitete und alte Musik aufführte. Dieses Merkmal gilt auch für die Zeit in Köln nach dem Zweiten Weltkrieg.
Von 1933 bis zum 8. Mai 1945 [Kriegsende] war Kruttge Sachbearbeiter, seit 1934 Abteilungsleiter beim Reichssender Hamburg, von Mai bis September 1945 Abteilungsleiter beim NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) in Hamburg.
Von Oktober 1945 bis zum 31. Januar 1952 war er freiberuflich tätig. In seiner Hamburger Zeit lässt sich Kruttges Aufsatz Die Kirchenmusik in Norddeutschland nachweisen (in: Handbuch der katholischen Kirchenmusik, hg. von Heinrich
Lemacher u. Karl Gustav Fellerer, Essen: Fredebeul & Koenen KG, 1949, S. 136 ff.; in diesem Handbuch kamen auch mehrere Arbeiten Heinrich Lemachers zum Abdruck
sowie der Aufsatz von Kruttges Bonner Doktorvater Ludwig Schiedermair Die kirchenmusikalische Forschung). Am 1. Februar 1952 wurde Kruttge am NWDR
Köln Hauptsachbearbeiter des Bereiches „Sinfonie und Oper“, von 1955 bis 1957 betreute er als Künstlerischer Leiter die WDR-Konzertreihe für neue Musik Musik der Zeit. Seit 1956 war er Vizepräsident der Deutschen Sektion der IGNM, seit dem 1. Januar 1957 Stellvertreter des Hauptabteilungsleiters Musik des WDR. Kruttges
regelmäßiger Kontakt mit der „Cappella Coloniensis“ (öffentliche Konzerte und Rundfunkaufnahmen; u. a. Japan-Tournee) geht auf das Jahr 1959 zurück. 1960 bis
1965 gehörte Kruttge zum Hauptausschuss für den Internationalen Musikwettbewerb der Rundfunkanstalten in München (1964 Leiter der Fachjury für Cembalo, 1965 für
Klavierspiel vom Blatt, 1966 für Bläserquintett).
Seit Januar 1962 lehrte Kruttge als Dozent an der Staatlichen Hochschule für Musik in
Köln in dem Seminar „Musik, Mikrofon und Kamera“. 1962 wurde er Ritter des Päpstlichen Gregorius-Ordens für seine Verdienste um den IV. Internationalen Kongreß für Kirchenmusik (vgl. IV. Internationaler Kongreß für Kirchenmusik in Köln [22. bis 30. Juni] 1961, hg. von Johannes Overath, Köln: Bachem, 1962, Schriftenreihe des Allgemeinen Cäcilien-Verbandes, Bd. 4). 1963 dirigierte Kruttge
die Cappella Coloniensis (Orchester mit historischer Aufführungspraxis) bei den
Ruhrfestspielen und in dem Stockholm-Festival. Im selben Jahr nahm er an einem vom WDR Köln aufgenommenen Vierer-Gespräch mit Else Lewertoff-Thalheimer, Shlomo
Lewertoff und Heinrich Lemacher teil, das am 20. Januar 1964 ausgestrahlt wurde, inzwischen aber verschollen ist (siehe hier). Anfang 1964 wurde Kruttge durch den
Bundesminister für wissenschaftliche Forschung Hans Lenz in den Vorstand der „Deutschen Stiftung Musikleben“ berufen, dann auch zum Stellvertretenden
Vorsitzenden des Vorstands ernannt. 1964 betätigte sich Kruttge als Mitglied der Internationalen Jury für das Weltmusikfest in Kopenhagen.
Am 31. März 1966 begann Kruttges Pension. Er wohnte dann zunächst in Bonn (Colmannstr. 39) und übersiedelte zusammen mit seiner Frau am 8. Juli 1976 in das
Wohnstift „Beethoven“ in Bornheim bei Bonn. Die hausinterne Zeitschrift DAS BLATT veröffentlichte damals (vermutlich noch 1976) einen Beitrag auf S. 9, der den Titel trägt Sein Leben ist Musik. Ein berühmter Mann zieht ins Senioren-Zentrum ein: Dr.
Eigel Kruttge. Sowohl auf dem vorderen Umschlag des Heftes wie auf S. 9 befinden sich Fotos von Kruttge. Dort verstarb er am 25. Februar 1979. Der Ort von Kruttges
Grab, das sich nicht auf dem Bornheimer Friedhof befindet, ist vorerst unbekannt. (Für freundliche Auskünfte ist Herrn Christian Lonnemann, Stadtarchiv Bornheim bei Bonn, vielmals zu danken.)
Vor seinem Umzug nach Bornheim veröffentlichte Kruttge noch: Hans Curjel,
Experiment Krolloper 1927–1931. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Eigel Kruttge (Reihe: Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 7), München. Prestel,
1975. – Literatur zu Kruttge: f. r., Theorie und Praxis. Eigel Kruttge vollendet sein 65. Lebensjahr, in: Kölnische Rundschau, 3. April 1964. – Zwanzig Jahre Musik
im Westdeutschen Rundfunk, hg. vom WDR Köln, Köln: WDR, [ca. 1969 oder 1970], passim. Hier enthalten sind Konzerte (bis 1968) mit dem Dirigenten Eigel Kruttge. – Michael Custodis, Die soziale Isolation der neuen Musik. Zum Kölner
Musikleben nach 1945, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag, 2004, S. 106 et passim, Reihe: Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft, Nr. 54 (Online-Teilausgabe). Karl O. Koch war Kruttges Vorgänger am NWDR; auf Kruttge folgte Otto Tomek. Karl Amadeus Hartmann widmete seine achte Symphonie (1960/62) Karl O. Koch und Eigel Kruttge.
Abschließend sei erwähnt, dass eine Aufnahme mit Kruttge als Cembalist auf
einer Schellackplatte (78 U/Min., 25 cm Durchmesser) erschien. Die Platte konnte ich im Mai 2010 für 1 Euro im Internet erwerben, gleichwohl mangels eines geeigneten
Plattenspielers nicht hören. Das besichtigte Exemplar, auf dem keine Datierung steht, verfügt über keine Hülle. Das hier interessierende Label trug den folgenden Aufdruck
in Gold auf dunkelblauem Grund: „Rudolf Lorentz Verlag · Charlottenburg 9 · Kaiserdamm 38 · Verlag der Kurz-Zeitschriften | LORENTZ PLATTE | MENUETT AUS DEM JUGENDKONZERT | IN D-DUR FÜR CEMBALO UND
STREICHER | (K.V. 207) (Mozart) | Dr. E. KRUTTGE (M[a]endler-Schramm-Cemb.) | Prof. STRUB (Violine | H. SCHRADER (Cello) | Instrumental-Quartett |
60-2404 | Hergestellt von der Electrola Gesellschaft m.b.H. Berlin-Nowawes“. Die andere Seite der Schallplatte (die Abfolge der Plattenseiten ist nicht erkennbar) ist eine
Aufnahme von Händels „Largo“ aus dem „Xerxes“; auf dem Label befindet sich hier die Angabe „ORA 291“ dort, wo umseitig „64-2404“ zu lesen ist.
Nachträglich eingesehen wurde der folgende autobiografische Text von Kruttge, der in einigen Details noch genauere Angaben gibt: Eigel Kruttge, Kruttge, Eigel,
in: Rheinische Musiker, Folge 7, hg. von Dietrich Kämper, Kassel: Merseburger, 1972, S. 69–70 (mit Auswahl-Bibliografie; an Sekundärliteratur auf S. 70 nur der Band Zwanzig Jahre Musik im Westdeutschen Rundfunk [siehe oben], ohne Seitenverweis). – Als Herausgebertätigkeit ist das Buch VON NEUER MUSIK korrekt beschrieben. Vgl. auch K. W. Niemöller (wie Anm. [193]), Ms-S. 3, Anm. 11
.
Zu erwähnen ist auch, dass Eigel Kruttge [„Kruttke“] in einem Hauskonzert von Lotte
Kallenbach-Greller als Cembalist am 31. Mai 1931 zum Teil mit Uraufführungen auftrat. Vgl. Findbuch Lotte Kallenbach-Greller (hier), S. 22, Nr. 99; zu diesem Konzert ibidem, S. 21, Nr. 103, Rezension in der Deutschen Tageszeitung (vom 28. Mai
1931) von Peter Wackernagel unter der Überschrift Hauskonzert.
[182] Zu dem Inserat vgl. den dritten Absatz des Abschnitts Die Veröffentlichung, ein
Verlagskatalog und ein Inserat.
[183] Zum Studium von Grues vgl. den dritten Absatz von Anm. [180], von Kruttge
den ersten Absatz von Anm. [181] und von Thalheimer Kapitel 2: Gymnasium. Studien in Bonn, München und Köln.
[184] Marcan hatte sich am 27. April 1921 an der Universität Bonn für das Fach
Philosophie eingeschrieben; diese Einschreibung reichte bis einschließlich zum Sommersemester 1930. Catalina Davids, Universitätsarchiv Bonn, der diese
Recherchen und Mitteilungen zu verdanken sind (23. Oktober 2009, E-Mail), ergänzt: „Anscheinend war er [Marcan] auch schon vor 1921 an der Universität Bonn
eingeschrieben. Ein zweites Immatrikulationsdatum besagt, dass er sich bereits am 05. Dezember 1918 eingeschrieben hat. Hier aber für das Fach Geschichte. Gut möglich
also, dass er sich 1920 exmatrikulieren ließ und sich erneut einschrieb.“
[185] Vgl. den Anfang des durch Anm. [125] belegten Zitats.
[186] Zum Besuch bei Marcan in Amsterdam vgl. das durch Anm. [222] belegte Zitat;
zur Begegnung mit Eigel Kruttge und einer gemeinsamen Rundfunksendung vgl. den Abschnitt Ein letzter Besuch in Köln (1963) in Teil 3.
[187] Vgl. hierzu Else Lewertoff, Erinnerungen, S. 60 (siehe das in Anm. [46] belegte Zitat, erster und letzter Satz) sowie S. 80.
[188] Vgl. hierzu Anm. [90].
[189] Vgl. Heinrich Lemacher, Ein Überblick etc. (wie Anm. [119]), S. 76.
Mehr zu diesem Thema im Abschnitt Die Entstehung des Buchs.
[189a] Das erste Kölner Opernhaus, mit 1800 Sitzplätzen eines der größten in
Deutschland, befand sich am Habsburgerring 9; es wurde im Zweiten Weltkrieg aber zerstört. Ein Neubau entstand darauf in den fünfziger Jahren am heutigen Offenbachplatz.
[190] Vgl. Kruttges Brief an Arnold Schönberg vom 3. Januar 1924, in dem er
unter anderem über sein Gespräch mit Leo Kestenberg schreibt. Vgl. Anm. [121].
[191] Vgl. zu Boris Godunow Anm. [181] das Ende des ersten Absatzes sowie Anm. [201] zu dem Gedenkabend für Busoni.
[192] Heinrich Grues scheint der Gesellschaft jedenfalls schon sehr früh angehört
zu haben, denn ein „cand. Grues“ erscheint bei Paul Mies unter den „Herren der provisorischen Leitung“ in einem Zitat zu der gedruckten Einladung (Ende 1920
oder Anfang 1921). Vgl. hierzu Anm. [119], Paul Mies, Die Gründung etc., S. 70. Bestätigen lässt sich diese „Frühheit“ durch einen Brief von Alban Berg (18. April
1921), den er über Grues an den Gründer der Gesellschaft, Dr. Herbert Leyendecker“ weiterleitete (vgl. den vorletzten Absatz von Anm. [74]).
Erhalten ist eine Fotokopie der Seite 9 einer nicht genannten Publikation,
die wahrscheinlich 1928 erschien. Zwar ist hier, unter Benennung der einzelnen Konzerte, zweifach von der Tätigkeit „im Winter 1927/28“ in Berlin bzw. Köln
die Rede, was sich als Vorschau oder Retrospektive verstehen ließe; Letzteres liegt jedoch näher, da ein Zusatz unter den Informationen über die Berliner Ortsgruppe
deutlich auf bereits Stattgefundenes Bezug nimmt. Die Seite steht unter der Überschrift Die Ortsgruppen der Sektion Deutschland und nennt folgende Personen für Köln:
„Ehrenvorsitzender: Dr. H[einrich] Lemacher | Vorstand: Dr. [Else] Thalheimer, H[einrich] Grues, S[alo] Lewertoff | Künstlerischer Beirat: E[ugen] Szenkar“.
Möglicherweise handelt es sich bei dem Druck um eine Publikation der IGNM oder der Deutschen Sektion der IGNM. Die mir vorliegende Fotokopie wurde aus einer
gebundenen Ausgabe hergestellt (ca. 145 × 220 mm, Hochformat), und nach Seite 9 folgen nur zwei oder drei weitere Blätter, was für eine dünne Broschüre, vielleicht ein
Programmheft spricht, das unter Umständen nachträglich gebunden wurde. Die Kopie wurde mir Anfang Dezember 2009 von Dr. Barbara Becker-Jákli (siehe Ende von Anm. [248]) zugänglich.
[193] Zu dieser Buchhandlung siehe auch von Klaus Wolfgang Niemöller, Die
Musikwissenschaftlerin Dr. Else Thalheimer-Lewertoff, in: Musikwissenschaft im Rheinland um 1930. Bericht über die Tagung der Arbeitsgemeinschaft Rheinische Musikgeschichte 2007, Reihe: Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte, Bd. 171,
hg. von Klaus Pietschmann und Robert von Zahn, Kassel: Merseburger (EM 1271), nach Auskunft des Verlages (7. Mai 2010) in Vorbereitung, Manuskript-Kopie, S. 5; vgl. auch Anm. [73], 2. Absatz. Niemöller benennt eine Anzeige der genannten Bücherstube aus der Rheinischen Volkswacht vom 31. Januar 1925, die mir von
Dr. Claudia Valder-Knechtges, Köln, am 31. Januar 2010 freundlicherweise als Fax übersandt wurde. In dieser ausführlichen Anzeige wird das „soeben erschien[ene]“ Buch VON NEUER MUSIK durch die „Bücherstube auf dem Wall“ in Köln-Mülheim
(Wallstraße 105) inseriert. Dabei wird auf Folgendes aufmerksam gemacht: „Vorzugspreis für die Mitglieder der ,Gesellschaft für Neue Musik‘ bei Bestellung bis
15. Februar 1925“. – Direkt unterhalb dieser Anzeige befindet sich in einem eigenen Rahmen die Information, dass das Jahresabonnement der in Wien „auf Veranlassung
der ,Universaledition‘ Wien herausgegebene[n] Monatsschrift »Musikblätter des Anbruch«“ für die Mitglieder der Kölner „Gesellschaft für Neue Musik“ ebenfalls
verbilligt erhältlich sei (4 anstatt 5 Rm), sofern eine solche Bestellung bis Mitte Februar 1925 an „Frl. Dr. E. Thalheimer, Köln | Antwerpenerstr. 35“ gerichtet werde.
[194] Vgl. in Anm. [180] hier.
[195] Zu Wilhelm Altmanns Busoni-Bibliografie vgl. VON NEUER MUSIK, S. (280) bis 293.
[196] Vgl. II. Der Briefwechsel mit Ferruccio Busoni (1924) in Anm. [120].
[197] Mit „Verstreuten Aufzeichnungen“ dürfte der zweite Untertitel des folgenden
Buchs gemeint sein: Ferruccio Busoni, Von der Einheit der Musik. Von Dritteltönen und junger Klassizität, von Bühnen und Bauten und anschliessenden Bezirken. Verstreute Aufzeichnungen, Berlin: Max Hesse Verlag, 1922, Reihe: Max Hesses
Handbücher, Bd. 76, VII + 376 Seiten. Busonis Worte An die Jugend in VON NEUER MUSIK sind diesem Buch von 1922 entnommen, wie ein Nachweis am Ende
von Seite [VII] zeigt. Eine kritische und kommentierte Neuausgabe von Busonis Von der Einheit der Musik wurde von Martina Weindel herausgegeben (Wilhelmshaven: Noetzel Edition, 2006, Reihe: Quellenkataloge zur Musikgeschichte, Bd. 36). –
Entgegen der Datierung von W. Altmann in dem Buch VON NEUER MUSIK (S. 280) ließ sich nur ein Druck von 1922 (nicht 1923) nachweisen; zudem heißt es im Untertitel
des Bandes „Verstreute Aufzeichnungen“ (nicht „Zerstreute Aufzeichnungen“).
[198] Vgl. hierzu Leo Kestenberg, Bewegte Zeiten. Musisch-musikantische Lebenserinnerungen, Wolfenbüttel und Zürich: Möseler Verlag, 1961, S. 51 ff.;
vgl. auch den auszugsweisen Abdruck bei Laureto Rodoni. – Zwar ist deutlich, dass
Kruttge und Kestenberg in irgendeiner Weise in Verbindung gestanden haben, doch ist in dieser oder anderer Hinsicht keine briefliche Mitteilung überliefert.
Durch Vermittlung von Prof. Dr. Wilfried Gruhn schrieb mir im Juli 2010 dankenswerterweise Dr. Dietmar Schenk, Leiter des Archivs der Universiität der
Künste in Berlin, der eine recht gute Kenntnis des Briefwechsels von Leo Kestenberg besitzt, dass sich im Nachlass Kestenbergs seines Wissens keine Dokumente befänden,
die eine Verbindung von Kestenberg und Kruttge belegen könnten.
[199] Gemeint ist hier der italienische Maler Umberto Boccioni (1882–1916), der ein
Porträt von Ferruccio Busoni schuf (vgl. die Online-Abbildungen). Das 1916 entstandene Porträt von Busoni kam aber nicht in dem Band VON NEUER MUSIK zum Abdruck, sondern eine Fotografie von „Poeschhacker, Berlin“.
Möglicherweise ist hier die Rede von „Pöchhacker-Rewi“ (ohne „s“), von dem/der ich
als einzigem ähnlichen Namen in den Jahren 1922 und 1923 einen Artikel in der Rubrik „Photographische Ateliers“ in dem Branchenverzeichnis des Berliner Adreßbuchs
fand. Das Foto von Busoni dürfte aus seinen letzten Lebensjahren stammen; die Bildunterschrift war aber fast unleserlich klein in dem Marcan-Band von 1925. Ein
Name Poeschhacker oder Pöschhacker (mit „s“) war gar nicht in dem Berliner Adreßbuch eingetragen. Vgl. Berliner Adreßbuch 1922, Teil II, S. 465, Sp. [4] sowie Berliner Adreßbuch 1923, Teil II, S. 519, Sp. [2] sowie Teil IV, S. 1063, Sp. [4]
unter „Zimmerstr. 98“: Pöchhacker-Rewi, „Werkstatt für künstl. Werbeaufnahme“.
[200] Vgl. hierzu den zweiten Absatz von Anm. [202].
[201] Nach Busonis Tod veranstaltete die Kölner „Gesellschaft für neue Musik“ am 2.
Okt. 1924 einen Gedenkabend mit einem In Memoriam von Eigel Kruttge. Vgl. H. Lemacher, Ein Überblick etc. (wie Anm. [119]), S. 76 und K. W. Niemöller (wie Anm. [193]), Ms-S. 5. Über die Gedenkfeier berichtete kurz ein mit „St.“ unterzeichneter Artikel in der Rheinischen Musik- und Theater-Zeitung, 25. Jg.,
Nr. 35/36, Köln, 11. Oktober 1924, S. 318, linke Spalte (Konzerte — Köln); neben dem Vortrag Kruttges war Musik von Busoni zu hören, die von Lonny Epstein und Cora Kremer gespielt wurde.
[202] Katalog / Prospekt: Schöne Literatur und Philosophie | Bücher über Kunst |
Die Drucke der Kölner Presse, F[ritz] J[acob] Marcan-Verlag / Köln am Rhein, Winter 1924/25 (12 ungezählte Seiten); hier die Abbildung von Seite [9]. Das
Hochformat beträgt 142 × 217 mm (Metallklammer-Heftung); die Abkürzung Gm. bedeutet „Goldmark“. (Ein Original-Katalog lag dem vom Verfasser antiquarisch erworbenen Exemplar Von neuer Musik noch bei.) Ob sich weitere Kataloge des
Verlags erhalten haben, entzieht sich meiner Kenntnis.
Abweichend von den Angaben des Katalogs hat das Buch VON NEUER MUSIK einen Umfang von nur 320 (nicht „ca. 350“) Seiten, wofür ein Grund der noch
ausstehende, schließlich aber ausfallende Beitrag von Ferruccio Busoni gewesen sein mag (siehe oben). Der Katalog benutzt auch einige irrige Schreibweisen von Namen,
die beim Druck des Buchs berichtigt wurden. Schließlich enthält das Buch, zusätzlich zu den Angaben des Katalogs, in Wilhelm Altmanns Versuch einer Bibliographie über Neue Musik einen Abschnitt Franz Schreker sowie einen Abschnitt Igor Strawinsky
(vgl. die Thalheimer-Bibliografie unter 1925, Ziffer 18).
[203] Der in der folgenden Anmerkung beschriebene Katalog kündigt auf S. [7] für
den Februar 1925 das Erscheinen von Landauers Aufruf zum Sozialismus (5. Aufl., 19.–21. Tausend [zur 4. Auflage vgl. Anm. [154]) sowie für März 1925 Landauers Beginnen. Aufsätze über den Sozialismus, „Im letztwilligen Auftrag des Verfassers
von Martin Buber“ (2. Aufl., 3.–5. Tausend) an. Da diese Auflage von Landauers Beginnen nur mit „1924“ bibliografierbar ist, hatte sich sein Erscheinen wohl verzögert.
Dies würde auch erklären, dass der Band noch den „Marcan-Block-Verlag“ anzeigt.
[204] P[aul] A[madeus] Pisk, Von neuer Musik, in: Musikblätter des Anbruch.
Monatsschrift für moderne Musik, hg. von Paul Stefan, 7. Jg., Heft 1, Wien: Universal-Edition, Jänner [Januar] 1925, S. 50–51; siehe im selben Heft auch S. (53)
das Inserat des Buchs auf der unteren Hälfte. Dieser Anzeige ist zu entnehmen, dass die Universal-Edition A.G. Wien – New York den Alleinvertrieb für Österreich und die
Sukzessionsstaaten hatte; dasselbe Inserat in Heft 2 (Februar 1925), letzte Seite vor dem hinteren Umschlag (gleichlautendes Inserat in Abb. 4). Ferner Hofmeisters | Musikalisch-literarischer | Monatsbericht | über neue Musikalien, musikalische
Schriften und Abbildungen | erschienen im deutschen Reiche, Österreich und in den Ländern deutschen Sprachgebietes, 97. Jg., Nr. 2, Leipzig: Friedrich
Hofmeister, Februar 1925, S. 43, rechte Spalte. – Zu Pisk siehe die Biografie auf der Internet-Seite The Handbook of Texas Online.
[205] Das Inserat erschien in Köln in der Zeitung Rheinische Volkswacht vom
25. Januar 1925 unter der Überschrift VON NEUER MUSIK. – Zur „Bücherstube am Wall“ von Heinrich Grues in Köln-Mülheim vgl. Anm. [193].
[206] Rheinische Volkswacht, wie Anm. [205]. Dieser Hinweis auf die Kölner
„Gesellschaft für neue Musik“ fehlt in den Inseraten der Universal-Edition.
[207] Walter Tiemann (1876–1951), angesehener deutscher Buchkünstler, der damals
für Verlage wie Insel, S[amuel] Fischer, Eugen Diederichs, Rowohlt und Albert Langen gearbeitet hatte.
An musikalischen Werken gestaltete Tiemann in dieser Zeit unter anderem die 1924 erschienene Ausgabe der Lieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung von
Friedrich Nietzsche (Musikalische Werke, hg. im Auftrag des Nietzsche-Archivs von Georg Göhler, Leipzig: Kistner & Siegel, Bd. 1 [mehr nicht erschienen]) oder die
von Alfred Einstein übersetzte und bearbeitete Auflage des Buchs Das neue Musiklexikon, nach dem “Dictionary of Modern Music and Musicians”, herausgegeben von A[rthur] Eaglefield(-)Hull, Berlin: Max Hesses Verlag, 1926
(Erstausgabe: London & Toronto: 1924; Reprint: New York, 1971). – Zwar kommt auch der Vorname „Alfred“ bei Eaglefield-Hull vor, doch da dies ungleich seltener
geschieht, orientiere ich mich lieber an den „Mitarbeiter-Chiffern.“ in dem Musiklexikon selbst, wo es für „E.-H.“ deutlich „Arthur Eaglefield-Hull“ heißt (S. [IX], linke Spalte).
[208] Zum ersten Brief an Schönberg vgl. Anm. [120], hier Brief Nr. 1, Seite 1; der Titel klingt zunächst nach einem Untertitel, doch Marcan schreibt ihn nochmals in
Anführungszeichen im vorletzten Absatz derselben Seite aus. – Zum Aspekt eines länderübergreifenden Jahrbuchs vgl. das in Anm. [125] belegte Zitat.
[208a] Vgl. Pult und Taktstock. Fachzeitschrift für Dirigenten, Schriftleiter: Erwin
Stein, 2. Jg., Heft 1, Januar 1925, fünfte ungezählte Seite nach S. 22; gleichlautend in Heft 2/3 derselben Zeitschrift, Februar/März 1925, dritte ungezählte Seite nach S. 49.
[209] Fritz Marcan hatte in der Anlage zu seinem Brief an Arnold Schönberg vom 1.
August 1923 (vgl. Anm. [120], Brief Nr. 2) jedem Mitarbeiter neben dem Honorar auch drei Belegexemplare des gesamten Buchs sowie 25 Sonderdrucke seines BuchBeitrags zugesagt.
[210] Arnold Schönbergs Bibliothek, [Buchstabe] „G [Nr.] 48. Grues, H.,
E. Druttge [recte: Kruttge] and E. Thalheimer, editors. Von neuer Musik: Beiträge zur Erkenntnis der neuzeitlichen Tonkunst. Köln am Rhein: F. J. Marcan, 1925. BOOK
V10 (alphabetisch unter „Grues, H.“). Gegenwärtig ist diese Webseite nicht mehr als Unterseite von http://www.schoenberg.at zu finden; die Seite ist gleichwohl im Internet Archiv aufrufbar (erste archivierte Version von 2001).
[211] Es handelt sich hier offenbar um jenen Jacob Marcan (ca. 1825–1891 geb. und
gest. im deutschen Sonsbeck an der niederländischen Grenze am Niederrhein), der 1862 das Porzellanwarengeschäft in Köln gründete. Er war der Vater von Julius
Marcan (1868–1953) und der Großvater von Fritz Jacob Marcan (1898–1972). Vgl. Anm. [149] und die genealogischen Webseiten The Extended Family Tree von Baruch Krotman.
[212] Vgl. die Briefköpfe der in Anm. [120] genannten Briefe bzw. die Abbildung 6. –
Die „Schildergasse 84a“ ist auch in Marcans Münchener Meldekarte (Stadtarchiv München, PMB M38) zweimal zu finden; die Meldekarte wurde am 6. Mai 1916
angelegt und bis zu F. J. Marcans endgültiger Abmeldung nach Köln am 1. Mai 1922 weitergeführt, vgl. Anm. [159].
[212a] Vgl. das Kölner Adressbuch von 1930 (siehe oben), wo es auf S. 574
in Spalte [5] (elektronische Seite 742/1216) unter Schildergasse 84 A heißt: „84 A E[igentümer] Marcan Julius, | K[au]fm[ann] [Telefonsymbol] | Marcan, Jac[ob]
Porzellan= | warenh[an]dl[un]g [Telefonsymbol]“. – Julius Marcan war der hier mehrfach erwähnte Vater von Fritz Jacob Marcan.
[212b] Vgl. Greven’s Adreßbuch für die Stadtgemeinde Köln, 41. Jg. [handschr.
Korrektur: 64. Jg.], red. und hg. von Carl Greven, Köln: Greven’s Adreßbuch Verlag Ant. Carl Greven, 1895, Buchseite 231, Bildseite 359, l. Sp.: „Jacob Marcan (Alwine,
Wwe. Jakob Marcan), Porzellanwaaren, Küchengeräthe, Lampen, Schildergasse 84A. F. [Fernsprecher] 377.“ („Jacob Marcan“ zu Beginn gesperrt.)
[212c] Vgl. Jüdisches Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen, hg. vom Verlag
des Jüdischen Gemeindeblattes, Schriftleitung: Fr[itz] Neulaender, 7. Jg., Nr. 22, Köln-Ehrenfeld, Hospeltstr. 37, 28. Mai 1937, S. 176 [sic], Spalte [3] von [4], untere Hälfte. Als Scan publiziert im Internet Archive. Ob diese Zeitung in irgendeinem
Zusammenhang stand mit dem Gemeindeblatt der Synagogischen Gemeinde Köln am Rhein (siehe Anm. [220]), kann ich jedoch nicht sagen.
[213] Einige Erlebnisse der Familie Fritz Jacob Marcan, nach Berichten von Fritz
Jacob Marcan; aufgenommen von Elli Kamm, London; Blatt [I]–[II] + 1–12 + [III]–[IV], maschinenschriftlich, Durchschlag, handschriftlich korrigiert; Index-Nr. P.III.d.
(Holland) Nr. 829 (im Folgenden abgekürzt als Einige Erlebnisse). Zwei vorangestellte Blätter ([I]–[II]) enthalten neben technischen Einzelheiten eine
Zusammenfassung in englischer Sprache. Vgl. Testaments to the Holocaust (ZDB-1-THC), im Internet abrufbare Dokumente aus den Beständen der Wiener Library,
London (Institute of Contemporary History)“, die 1933 von dem nach London emigrierten Alfred Wiener (1885–1964) gegründet wurde. Sie ist „The World Oldest
Holocaust Memorial Institution“. – Auf Blatt 12 steht am Ende der Vermerk: „Durch Erkrankung von Herrn Marcan konnte die Aufnahme seines Berichts nicht beendet
werden. | Bericht von Herrn Fritz Jacob Marcan, Amsterdam | Amsterdam Januar 1958.“ Die Datierung wird auf Blatt [I] bestätigt, wo es heißt: „[No.] 7. Received:
January 1958.“ Im Anhang dieses Dokuments befindet sich neben der Endseite (Blatt [IV]), die nur die Signatur zeigt, noch auf Blatt [III] die Fotokopie einer
„Aufenthaltsbewilligung“ der „Zentralstelle für Jüdische Auswanderung“ (Nr. 132 R, datiert: Amsterdam, 12. Oktober 1943) für Marcans Ehefrau Li[l]y Marcan Hekscher
(geboren am 26. Oktober 1903 in Hamburg), unterschrieben von dem SS-Hauptsturmführer (Ferdinand Hugo) aus der Fünten (1909–1989) und versehen mit
dem Stempel: Zentralstelle für Jüdische Auswanderung, Amsterdam; vgl. auch den Artikel Vier von Breda. – Für private Nutzer sind die genannten Dokumente der Testaments to the Holocaust, nach erfolgter Online-Registrierung und postalischem
Bezug von Benutzernamen und Kennwort über die Bayerische Staatsbibliothek München, kostenlos im Internet abrufbar; vgl. die Startseite http://www.
nationallizenzen.de/.
Marcan, der 1937 auf eine ihm selbst nicht erklärliche Weise einen für fünf Jahre
gültigen Pass erhalten hatte, ging im März 1938 zunächst ohne seine Familie nach Holland, dann nach England. Am 3. August 1938 kehrte er für einen Tag nach
Köln zurück, doch geschah auf dieser Reise nichts Ungewöhnliches. Da eine Aufenthaltsgenehmigung für Holland sehr viel Zeit in Anspruch nahm, blieb Marcan von
Mai 1938 bis zum 13. Dezember 1938 in England, bevor er rechtmäßig nach Holland einwandern konnte. (Einige Erlebnisse, S. [1]).
*
Der Londoner Beleg für Marcans Eintrag lautet heute (2. Juni 2016): Testaments of the
Holocaust, Series One: Archives of the Wiener Library, London, Author Index, S. 60, linke Spalte, letzter Eintrag: „Marcan, Fritz Jacob - Amsterdam. Some experiences of
the Fritz Jacob Marcan Family. 1938-1943 [...] Reel 50.“
[214] Siehe die Aufstellung der Inserate in Anm. [219].
[214a] in: Greven's Adreßbuch der Hansestadt Köln und Umgegend 1938, 80. Jg., 1. Band, I. Teil, Buchseite 660, Bildseite 737, mittlere Spalte.
[215] Einige Erlebnisse (wie Anm. [213]), S. 1–2. Vgl. auch das Buch von Ben
Barkow, Raphael Gross und Michael Lenarz (Hg.), Novemberpogrom 1938. Die Augenzeugenberichte der Wiener Library, London, Frankfurt am Main: Jüdischer
Verlag im Suhrkamp Verlag, 2008, ISBN 978-3-633-54233-8, Umfang: 933 S. Hier heißt es auf S. 371 als Quellenverweis: „Nach 10. November 1938. Sammelbericht
von Moritz Heimann, Antwerpen, über Beobachtungen und Erlebnisse in Köln und Düsseldorf: Köln: Bei den »Juden-Unruhen« wurde auch das Geschäft der großen
Porzellanhandlung MARCAN demoliert. Die bedeutenden Lager in feinstem Luxusporzellan wurden restlos klein geschlagen. Zum »Unglück« war das Lager
Eigentum einer Schweizer Firma und in der Schweiz versichert. Es verlautet, dass die Schweizer Versicherungsgesellschaft bereits Klage gegen das Reich angestrengt hat,
der Schaden wird mit RM 75000.– beziffert. […]“ Vgl. auch das Register des Bandes und die Verweise zu Marcan.
[216] Die Eltern von Fritz Jacob Marcan, Julius und Brünette Marcan (siehe
Anmerkung [149]), hatten ihre Wohnung offenbar im selben Haus, in dem sich die Geschäftsräume befanden, doch blieben sie in der „Reichskristallnacht“ dank einer
undurchdringlichen eisernen Verbindungstür vor den gewalttätigen Übergriffen der SA verschont. In der Folge verkauften sie alle noch unbeschädigten Waren und wanderten am 1. März 1939 nach England aus (vgl. Einige Ereignisse, S. 2).
[217] Die Abkürzung „F. J.“ für „Fritz Jacob“ (Marcan) ist im Grunde schon durch
den Band 2 (1925) des Wallraf-Richartz-Jahrbuchs ziemlich deutlich, wo die Vornamen des Verfassers des Aufsatzes über Ramboux’ Fresken ausgeschrieben sind,
auch wenn ich dies erst in der zweiten Oktober-Hälfte 2009 feststellen konnte. Eine andere Bestätigung war die in München am 16. Mai 1916 angefertigte Meldekarte für
Marcan, welche nicht nur die ausgeschriebenen Vornamen, sondern auch seine Adresse in der Kölner Schildergasse 84a belegte; vgl. Anm. [159].
[218] Max Sauerlandt (1880–1934), Deutsche Porzellanfiguren des XVIII. Jahrhunderts. 124 Abbildungen nebst einer Einleitung und einem Verzeichnis der
Lebensdaten der bedeutendsten Modelleure der deutschen Porzellanmanufakturen, Köln: Marcan-Block-Verlag, 1923. Das Buch wird in dem Katalog des Marcan-
Verlags (Winter 1924/25) als erster Titel auf S. [2] inseriert.
[219] In dem Zeitraum zwischen März 1934 und Juni 1938 ließen sich 25 Inserate
zählen (online unter http://deposit.ddb.de/online/jued/jued.htm), die sämtlich in den Mitteilungen des „Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr. Gemeinschaft der Freunde
des Theaters und der Musik e. V.“ in Köln (Dischhaus) erschienen. Die Zählung der Hefte orientierte sich an den Monaten; wobei die Hefte jahresübergreifend nummeriert
sind und jeweils von Oktober (Nr. 1) bis zum September des Folgejahres (Nr. 12) reichen. Die Inserate im Einzelnen: – Jg. 1 (1933/34), Nr. 5, S. 8; Nr. 6, S. 10; Nr. 7,
S. 10; Nr. 8, S. 10; Nr. 11, S. 6. – Jg. 2 (1934/35), Nr. 1, S. 6; Nr. 2, S. 6; Nr. 3,
S. 6; Nr. 4, S. 2; Nr. 5, S. 2; Nr. 6, S. 13; Nr. 7, S. 13. – Jg. 3 (1935/36), Nr. 5,
S. 15. – Jg. 4 (1936/37), Nr. 1, S. 16; Nr. 2, S. 10; Nr. 3, S. 10; Nr. 5, S.10; Nr. 7,
S. 14; Nr. 10, S. 7; Nr. 12, S. 10. – Jg. 5 (1937/38), Nr. 1, S. 16; Nr. 3, S. 7; Nr. 5,
S. 10; Nr. 7, S. 10; Nr. 9, S. 6.
Die Inserate sind teilweise inhaltlich modifiziert und haben auch ein anderes Format als in der Abbildung oben.
Über das Geschäft Marcan heißt es angesichts der Geschehnisse der sogenannten
Reichskristallnacht (9./10. November 1938): „Auf der Kölner Schildergasse zerschnitt man mutwilligst im Schuhhaus Josef [Schuhhaus A. M. Joseph, Schildergasse 59]
massenweise die Schuhe. Im Kristall-Haus Marcan, ein Eckhaus mit sieben Schaufenstern, zertrümmerte man den ganzen Ladenbestand mit wertvollen Kristallwaren.“ Vgl. Martina Pelz (Hg.), Das Leben ist kein Wunschkonzert.
Hermann Büttgen – ein Leben mit zwei Weltkriegen, Norderstedt: Books on Demand, 2009, S. 145 (Online-Teilausgabe). Vgl. zu den Ereignissen im November 1938 auch Anm. [215].
[220] Gemeindeblatt der Synagogischen Gemeinde Köln am Rhein, Nr. 45
vom 23. November 1936, rechts neben einer Mitteilung der „Jüdischen Kunstgemeinde“ Köln, welche die Veranstaltung von Hauskonzerten betraf (vgl. Anm. [253]). Eine systematische Durchsicht dieser Zeitung war mir nicht möglich.
[221] Inserat des Porzellangeschäftes von Jacob Marcan in den Mitteilungen des
„Jüdischen Kulturbunds Rhein-Ruhr“ (1 Jg., Nr. 8, Köln, Juni 1934, S. 10). Vgl. das Inserat im Zusammenhang der Zeitschriftenseite (hier) bzw. die Webseite der
Deutschen Nationalbibliothek „Jüdische Periodika in NS-Deutschland“ unter der URL: http://www.d-nb.de/wir/projekte/jued_periodika.htm
[222] Gad Lewertoff, Tel Aviv, Brief (E-Mail) vom 14. Oktober 2009 an den
Verfasser. – Mit dem Aufenthalt in Amsterdam im Jahre 1948 ist vermutlich jene Vortragsreise durch mehrere europäische Länder gemeint, auf die Else Lewertoff in ihren Erinnerungen (S. 125–127 sowie S. 161) zu sprechen kommt. Als Tag
der Abfahrt benannte sie dabei (S. 125) den 4. Dezember 1947. Vgl. auch Europareise (1947–48).
[223] Die Datierungen lassen sich bestätigen oder sind zum Teil ergänzbar durch einen
Handelsregisterauszug (HRA 5209), den ich vom Amtsgericht in Köln am 18. November 2009 als Fotokopie erhielt (Historischer Ausdruck vom 13. November 2009); vgl. Anm. [148].
[224] Naarden (ca. 20 km nördlich von Hilversum und 35 km südöstlich von
Amsterdam) wird auch in dem Bericht Einige Erlebnisse (wie Anm. [213]) auf S. 3 erwähnt, wohin die Familie Marcan nach dem 9. September 1940 umgezogen war.
In Naarden konnte Marcan nach vorübergehender Unterbringung in einer möblierten Wohnung im Winter 1940 ein Haus mieten.
Aufgrund bevorstehender Verfügungen zog Marcan im August 1942 nach Amsterdam
in eine zu 80 % von Juden bewohnte Straße. Um dort am 6. August 1942 einer Razzia und Deportation durch die Deutschen zu entgehen, zeigte Marcan seine Orden aus dem Ersten Weltkrieg (vgl. Marcans Heeresdienst) und verwies auf seine Beschäftigung im
„Jüdischen Rat“ von Amsterdam (ebd. S. 4). „Kein Grund, nicht abgeholt zu werden.“ lautete die stereotype Antwort auf jeden seiner Einwände hin, und Marcan entging der
Deportation schließlich nur durch den glücklichen Umstand, dass sein Wohnhaus bei der Durchsuchung zufällig übersehen wurde (ebd., S. 5). Gleichwohl ist erkennbar,
dass Marcan Teilnehmer am Ersten Weltkrieg war und er sich bereits in jungen Jahren ausgezeichnet hatte, wobei der Erste Weltkrieg in das 16. bis 20. Lebensjahr Marcans
fiel. Vgl. auch im selben Bericht Einige Erlebnisse auf S. 6 Marcans Meldung als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg.
[225] Vgl. Anm. [148].
[226] Dem entsprechen Meldeunterlagen in Naarden, die besagen, dass die Marcans
am 7. Juni 1946 zuzogen: vgl. Anm. [149], am Ende der Fußnote. (Freundliche Auskunft von Corinne Staal, Stadsarchief Amsterdam, E-Mail am 27. Oktober 2009.)
[227] Vgl. Christiane Schmidt, Fritz Schäfler. Expressionistische Arbeiten der
Jahre 1918–1919 in München, München: Herbert Utz Verlag, 2008, Reihe: Kunstwissenschaften, Bd. 19, S. 176, Fußn. 623 (Online-Datei; Suche: „Marcan“);
zugleich Dissertation, Köln 2007. Hier wird verwiesen auf die Zeitschrift Die Bücherkiste (Heft 1/2, 1920, S. 14). Zwar konnte diese Zeitschrift nicht eingesehen
werden, doch erschien vermutlich eine ähnliche Mitteilung, in der ebenfalls ein „Fritz Marcan“ neben anderen und zum Teil heute bekannten Künstlernamen genannt wurde, in der Münchener Zeitschrift DER ARARAT. Glossen | Skizzen | und | Notizen | zur
neuen Kunst, Nr. 5/6, München: Goltzverlag [Brienner Straße 8], März 1920, S. 43, linke Spalte, „Der Morgen“ (Online-Datei). – Von der Münchener Literaturszene
Anfang der zwanziger Jahre handelt besonders das dritte Kapitel Schwabing 1920 in Wilhelm von Schrammels Die »Bücherkiste«. Das literarische München 1919–1924, München und Wien: Albert Langen und Georg Müller Verlag, 1979, S. 66–89. Zwar
ist in diesem Buch weder von Thalheimer noch Marcan die Rede, dafür umso mehr von Oskar Maria Graf (1894–1967) und dem damaligen Kreis um ihn. Da das Buch aber
die eigenen Erlebnisse des Autors schildert und erfreulich flüssig geschrieben ist, erhält man eine schnelle Übersicht über das, was die bayerische Hauptstadt und besonders
Schwabing seinerzeit auszeichnete und anziehend machte. Die Szene der bildenden Kunst ist teilweise berücksichtigt. Der Schriftsteller Oskar Maria Graf, dessen Name,
Werk und Atelier laut Schrammel seinerzeit ein künstlerischer Mittelpunkt waren, gehörte übrigens auch zu den Anhängern der „Münchner Räterepublik“, und er wurde
1919 wegen der Teilnahme an den revolutionären Ereignissen verhaftet. – Zur „Bücherkiste“, die eine bekannte Schwabinger Buchhandlung und die „Zentrale des
Expressionismus“ war, das oben genannte Buch von Wilhelm von Schremmel Die »Bücherkiste«, S. 15 sowie das Ende des mit Anm. [227] versehenen Haupttexts.
[228] Das vorbestellte Buch war: Julius Baum, Altschwäbische Kunst, Augsburg: Dr.
Benno Filser Verlag, 1923 (Download-Möglichkeit des gesamten Buchs). Hierin hieß
es auf S. 154 (rechte Spalte): „Fritz Marcan, Verlagsbuchhändler“ unter „Köln“ in dem VERZEICHNIS DER VORAUSBESTELLER DES BUCHES (S. 151–158).
Da in dem zitierten Verzeichnis auch ein „Professor Dr. M. Geiger“ genannt wird
(S. 155, rechte Spalte, neunter Eintrag von unten), wäre es möglich, dass hiermit der Phänomenologe „Moritz Geiger“ (siehe hier) gemeint ist, der sich bis 1923
in München aufhielt. Aber dies ist mehr eine Vermutung, die freilich zu einem Forschungsansatz werden könnte. Vgl. Anm. [157] et passim.
[229] Für Hinweise habe ich Sr. [Schwester] Verena im Kölner Karmel „Maria
vom Frieden“ sowie Sr. Dr. M. Antonia de Spiritu Sancto (Edith Stein Archiv, ebd.)
vielmals zu danken (Januar bis März 2010). Von Letzterer erhielt ich am 15. März 2010 die Auskunft (E-Mail), dass die Prozessakten, die 1987 und 1998 zur Selig-
und Heiligsprechung Edith Steins führten, zwar gedruckt wurden, aber nur innerhalb des Ordens benutzbar und somit nicht über die Fernleihe heranzuziehen seien. Eine
Durchsicht dieser Prozessakten im Archiv des Karmels ergebe freilich, dass sich hier der Name von Julius Marcan nicht nachweisen lasse.
[230] Vgl. Anm. [149] sowie [216].
[231] Sobald man „Julius Marcan“ und „Edith Stein“ gleichzeitig in das Suchfeld einer
Internet-Suchmaschine eingibt [Suche bei „Google“], wird man leicht auf eine Reihe
deutsch- oder fremdsprachiger Webseiten stoßen, die das Gesagte mehr oder minder wiederholen. – Prof. Dr. Dr. Harm Klueting, habilitierter Historiker, katholischer
Theologe sowie katholischer Geistlicher, schreibt in seinem Aufsatz Reise in eine
andere Welt [Edith Stein und Dietrich Bonhöffer] in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Nr. 166 vom 20. Juli 2004, S. 7): „Über sie [Edith Stein] wird aus den Tagen
im Lager Westerbork von dem Kölner Kaufmann Julius Marcan, der überlebt hat, berichtet: ,Der Jammer im Lager und die Aufregung bei den Neueingetroffenen waren
unbeschreiblich. Schwester Benedicta [der Ordensname von Edith Stein] ging unter den Frauen umher, tröstend, helfend, beruhigend wie ein Engel.‘ Und ein anderer
Bericht, der eines niederländischen Häftlings: ,Diese eine Frau mit ihrem Lächeln, das keine Maske, sondern ein erwärmendes Licht war. Ein Gespräch mit ihr, es war eine
Reise in eine andere Welt.‘“ Das Zitat Marcans ist in noch etwas längerer, weitgehend aber identischer Form auch abgedruckt in dem Buch von Waltraud Herbstrith, Das wahre Gesicht Edith Steins, Bergen-Enkheim bei Frankfurt am Main: Gerhard
Klaffke, 1971, S. 189 (der Anmerkungsteil des besichtigten Exemplars endete mit Anmerkung 71 auf S. 208; danach folgte nur noch die bedruckte Innenseite des
hinteren Buchdeckels, ohne dass in dem antiquarisch erworbenen Buch ein Heraustrennen der letzten Seiten erkennbar war). Vgl. auch Waltraud Herbstrith, Edith Stein. A Biography, trans. Bernard Bonowitz, San Francisco: Ignatius Press 1985, S.
183 sowie Waltraud Herbstrith, Edith Stein – ihr wahres Gesicht? Jüdisches Selbstverständnis – Christliches Engagement – Opfer der Shoa, Münster: LIT, 2006, Reihe: Forum Religionsphilosophie, Bd. 13 (Online-Datei), S. 115: „Der Kaufmann Julius Marcan aus Köln erzählt“ usw. sowie ein Verweis in Fußnote 14 auf das Edith-Stein-Archiv, Karmel Köln (vgl. Anm. [229]).
Fortsetzung in Teil 3
Erste Eingabe ins Internet: Mittwoch, 25. August 2010 Letzte Änderung: Mittwoch, 26. Oktober 2016
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