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Fritz Fridolin Windisch
1895–1961
Teil 3
von Herbert Henck
Teil 1
Kap. 1 Die Zeitschrift Melos als Ausgangspunkt
Kap. 2 Drei Lebensläufe (I–III) Kap. 3 Erster Weltkrieg, Reifeprüfung, Studium in Leipzig und Berlin
Erster Weltkrieg und Reifeprüfung
Studium in Leipzig
Studium in Berlin
Promotion und Habilitation
Kap. 4 Familiäre Verhältnisse
Anmerkungen zu Teil 1
Teil 2
Kap. 5 Literarisches und „Neuendorff & Moll“ Kap. 6 Musik
Lehrer
Kompositionen
Die Widmung von Ludwig Weber
„Melos“
Der Name „Melos“
Windischs „Melos“-Korrespondenz
Windischs eigene Aufsätze in Melos (1920–1922)
Der „Melos-Verlag“
Die „Melos-Gemeinschaft“ in Berlin und Leipzig
Herbert Graf
Ein Skandal und sein Nachspiel in der Weltbühne
Anmerkungen zu Teil 2
Teil 3
Kap. 7 Ergänzungen aus Fritz Windischs Nachlass (FWN)
Der Prozess (1934)
Die Institutsgründung
Der Lebenslauf IV von Windisch
Editorische Vorbemerkung
Windischs Lebenslauf IV (Text)
Aufenthalt in Schlitz. Briefe 1945–1947
Kap. 8 Chronologie
Anmerkungen zu Teil 3
Dank
Abbildungen Abb. 1 Fritz Windisch (Foto, spätestens 1960)
Abb. 2 Dokument der Entziehung von Windischs Lehrbefugnis (1. Juni 1935)
Abb. 3 Fritz Windisch (Foto, 1914)
Abb. 4 Fritz Windisch (Zeichnung, 1917)
Abb. 5 Mitteilungszettel des Melos-Verlags (1. April 1921)
Abb. 6 Kammermusik-Veranstaltungen der Melos-Gemeinschaft 1921/1922
Abb. 7 Musikblätter, herausgegeben von Herbert Graf (Briefkopf)
Abb. 8 Herbert Graf (Porträtfoto)
Abb. 9 Fritz Windisch in dem Institut für Brauerei und Mälzerei, spät. 1935
Ausführlichere Informationen über folgende Personen Francke, Richard (Komponist)
Graf, Herbert (Bankprokurist, Melos-Förderer, Musikschriftsteller) Simon, Dr. James (prom. Pianist) Venus, Hugo (Geiger)
Windisch, Hans (Germanistik-Student) siehe auch Windisch-Sartowsky
Windisch, Karl, Prof. Dr. (Biochemiker) Windisch, Wilhelm, Prof. Dr. (Biochemiker)
Windisch-Sartowsky, Hans (Komponist)
Häufige Abkürzungen für die Herkunft der Dokumente
Kapitel 7 Ergänzungen aus Fritz Windischs Nachlass (FWN)
Anfang Februar 2012 erhielt ich von Herrn Dr. Christian Windisch, dem mir bis dahin unbekannten Sohn Fritz Windischs, einen Brief (Fax), worin er
seiner Genugtuung über meine zuvor erstellten zwei Webseiten Ausdruck gab und einige Einzelheiten aus dem Leben seines Vaters festhielt. Er bewohnte mit seinen Angehörigen noch dasselbe Haus in Berlin, das
sein Großvater Wilhelm Windisch 1906 hatte erbauen lassen, und in der Folge machte er mir aus dem häuslichen Bestand zahlreiche Quellen postalisch zugänglich. Diese neuen Unterlagen führten letztlich dazu, dass ich
die bestehenden Webseiten um eine dritte Seite erweitern konnte und das Vorangehende in mehrerlei Hinsicht überarbeitete. Für sein großes Entgegenkommen ist dem Arzt Dr. Christian Windisch sehr herzlich zu
danken, denn was er mir an Dokumenten übersandte, hätte ich oft sicherlich nicht nachweisen und kaum je heranziehen können, weder aus Bibliotheken noch aus öffentlichen Archiven. Es handelte sich
dabei teils um Originale, teils um Abschriften oder Fotokopien, die von der Zeit des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der vierziger Jahre reichten. Vieles an erst jetzt zutage tretenden
Zusammenhängen beruflicher oder familiärer Art wurde nun klar, doch entstanden selbstverständlich auch neue Fragen.
Der Prozess (1934)
Gleichwohl konnte ich nicht alles Vorhandene in das Bestehende aufnehmen, da sich etwa zahlreiche Dokumente darunter befanden, die Fritz Windischs
Fortgang aus dem „Institut für Gärungsgewerbe“ oder die ministerielle Entscheidung betrafen, Windischs Lehrbefugnis an der Berliner Universität zu annullieren. Auch jene Schreiben, die den von
Windisch angestrengten Prozess zum Gegenstand hatten und die oft eingehende Untersuchungen widerspiegelten, mit der gebotenen Sorgfalt auszubreiten, erfordern grundsätzlich einen anderen Ansatz als den
vorliegenden, und die Menge der zu berücksichtigenden Stellungnahmen wurde zu groß, um sie anders als summarisch auszuwerten. Darüber hinaus waren die Aussagen oft sehr uneinheitlich, denn nicht nur
Fürsprecher, sondern auch Gegner Windischs kamen zu Wort. Mangels juristischer Vorbildung kann ich mir aber nicht anmaßen, dem ein oder anderen Recht zu geben. Es hat jedoch den Anschein, als habe man
– teilweise durchaus mit Erfolg – versucht, sich der Anwesenheit eines fähigen, vielleicht auch überlegenen, aber doch missliebigen Konkurrenten, Andersdenken und durch seine einstigen
Schriften „Belasteten“ zu entledigen, der sich weder in das Gefüge der Wissenschaft noch das der politisch üblichen Vorstellungen hatte einordnen wollen.
So beschuldigte man Windisch mehrfach der Meuterei im Ersten Weltkrieg oder der kommunistischen Agitation. Doch die Erinnerungen und häufig
eidesstattlichen Erklärungen von früheren Lehrern oder Freunden aus Windischs Schul- und Tanzstundenzeit, von militärischen Vorgesetzten oder Kompagniekameraden im Ersten Weltkrieg reden mit beachtlicher
Einhelligkeit von keinem solchen Verhalten und bezeugen den untadeligen Ruf Windischs. Unter den Personen, die Windisch in ein abträgliches Licht stellten, war besonders Arthur Klinghammer (a. D.), der Major und Polizei-Rat gewesen war, als Privatdetektiv aber für die Gegenseite arbeitete und alle möglichen Stellen und
Einrichtungen aufsuchte, um Fritz Windisch zu Fall zu bringen. Klinghammer setzte sich auf seine Weise erwartungsgemäß letztlich durch, was der Ausgang des 1934 stattgefundenen Prozesses sowie der Entzug von
Windischs Lehrbefugnis an der Berliner Universität (1935) zeigen, zu der seit Ende 1934 die Landwirtschaftliche Hochschule gehörte.
Dem war vorausgegangen, dass Windisch bei der Gestapo am „16.V. [Mai] 1933“ (Datum der Mitteilung) wegen „linksradikaler Umtriebe“ angezeigt
worden war. Die Generalstaatsanwaltschaft befasste sich „annähernd 5 Monate“ mit den Vorwürfen, fand aber in dieser langen Zeit „nicht den geringsten Schuldbeweis“ und stellte das Verfahren dann ein.
Klinghammers Vorwürfe wurden jedoch bei einer neuerlichen Untersuchung des Kultusministeriums wiederaufgegriffen, wobei Windisch zwar nicht mehr „Meuterei“, sondern „Disziplinlosigkeit im Felde“
angelastet wurde, so dass er sich damals beschwerte: „Man fragt mich, ob ich kommunistische Handzettel verteilt habe, und degradiert mich durch die Art der Fragen schon in einer Weise, dass ich
nicht weiss, wie lange ich dabei die sachliche Ruhe zu bewahren vermag.“ Windisch nannte zwar im selben Dokument als seine Hauptbelastungszeugen, neben dem Privatdetektiv Klinghammer, Prof. Dr. Friedrich
Hayduck sowie den cand. agr. techn. Hans Joachim Lampe, führte aber einen eigenen Prozess gegen Klinghammer sowie Dr. Koch und Dr. Rommel vom Institut für Gärungsgewerbe (siehe unten). [166a]
Alle diese Vorgänge sind freilich nur auf dem Hintergrund der damaligen politischen Ansichten in Deutschland und keineswegs unabhängig von ihnen
verständlich, da die nationalsozialistische Rechtsprechung eher Organ als Korrektiv der Politik war und sich den Vorgaben derselben in hohem Maße anpasste oder anzupassen hatte. Dies führte dazu, dass die
Rechtsprechung oft fast nahtlos in das politisch Vorbestimmte überging, ja eins wurde mit Demagogie und aus Unrecht Recht werden ließ, denn man änderte die Gesetze, sobald sie sich nicht dem
nationalsozialistischen Weltbild fügten. Wahrheit wurde dadurch unversehends zur Lüge, Lüge zur Wahrheit. Die im übernächsten Absatz zitierten Worte von Windischs Rechtsanwalt Dr. Adler über die
Nützlichkeit oder Schädlichkeit des „Ariertums“ oder „Nichtariertums“ vor Gericht werfen ein Schlaglicht auf dieses fragwürdige Rechtsverständnis, das letztlich zur Willkür der Machthaber wurde und für
zahllose Menschen den Untergang bedeutete.
Windisch setzte sich gegenüber den Anschuldigungen durch eine eigene Klage „wegen Beleidigung“ zur Wehr, bei der ihn sein Schwager, der
„halbarische“ Rechtsanwalt und Notar Dr. Waldemar Adler, beriet, während der Rechtsanwalt und Notar Dr. Wolfgang Zarnack die offizielle Vertretung Windischs wahrnahm (siehe auch Anm. [169], letzter Absatz). Rückblickend schrieb Dr. Adler etwa im Jahr 1950 über den Prozess eine „Bescheinigung“, die zur „Vorlage bei dem Kultusministerium“ (Berlin-Ost) bestimmt
war:
„Im Jahre 1934 führte Herr Prof. Windisch, damals noch Privatdozent, eine Privatklage gegen einen Kriminalkommissar
a. D. Klinghammer, [167] Dr. Rommel und Dr. Koch, [168] beide meiner Erinnerung nach bei dem Institut für Gärungsgewerbe in Berlin N 65 [168a], Seestrasse tätig. Die Vorarbeiten zu dem ausserordentlich umfangreichen Prozess habe ich durchgeführt, ich habe auch so gut wie alle Schriftsätze
ausgearbeitet. Als Halbarier habe ich Herrn Prof. Windisch damals geraten, sich im Verfahren selbst durch einen arischen Anwalt vertreten zu lassen. Da er von den Beschuldigten der
Meuterei bei der Marine sowie kommunistischer Umtriebe beschuldigt wurde, wäre die Vertretung durch einen nichtarischen Anwalt denkbar untunlich gewesen, besonders da von der Gestapo die Wohnräume
des Privatklägers in Weissensee, Pistoriusstrasse, zu wiederholten Malen durchsucht worden waren. [169]
Obwohl die Sache 16 Jahre her ist, kann ich mich doch im grossen und ganzen gut erinnern. Das hängt damit zusammen, dass Prof. Windisch mein
Schwager ist, und die aufregenden Vorkommnisse täglich in der Familie besprochen wurden. Zum anderen hatte ich damals als nichtarischer Anwalt ausser diesem einen Prozess nicht eben viel zu tun. Meine nach einer
Siedlung in der Mark verlagerten Handakten sind leider im April 1945 vernichtet worden. Ich weiß aber noch, dass Dr. Rommel und Dr. Koch die eigentlich Beschuldigten waren und Klinghammer lediglich ein von der
Gegenseite des Klägers beauftragter Privatdetektiv war.
In diesem Privatklageverfahren, das befremdlicherweise mit einem Freispruch endete, da das Gericht glaubte, den Angeklagten den Schutz des § 193 StGB
[siehe unten] zusprechen zu müssen, ist immerhin in den Gründen des Urteils festgestellt worden, dass Dr. Koch den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen, der Kläger habe
sich schwere militärische Verfehlungen zuschulden kommen lassen, nicht erbracht habe. Dagegen sah offenbar das damalige Kultusministerium die weitere Behauptung, Prof. Windisch sei linksradikal
eingestellt, als erwiesen an, denn er wurde nicht lange danach – wann, kann ich nicht mehr sagen – aus diesem Grunde von der Universität entfernt.“
Das Urteil des Prozesses, das nach der Sitzung vom „16/23. Mai 1934“ [sic] erging, liegt mir als sechsseitige Fotokopie vor (Amtsgericht
Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg, Geschäftsnr. 302. B. 34/33). Die von Dr. Fritz Windisch verklagten Personen Klinghammer, Dr. Richard Koch und Dr. Wilhelm Rommel wurden freigesprochen, die
Kosten des Verfahrens wurden Fritz Windisch auferlegt. Als Adresse Windischs ist auch hier die „Invaliden Strasse 102“ in Berlin N. 4 angegeben. Das Gericht mit dem Vorsitzenden
Amtsgerichtsrat Schlich erkannte bei allen von Windisch Beschuldigten die Anwendung des § 193 an; denn sie waren „in Wahrnehmung berechtigter Interessen“ tätig
geworden, die inkriminierten Äußerungen unterlagen dabei stets einer Dienstpflicht und waren nicht für Dritte bestimmt. Da von den vernommenen Zeugen über die Zeit des Ersten Weltkriegs nichts Belastendes gegen
Windisch vorgebracht werden konnte, galt in diesem Fall der Wahrheitsbeweis als „nicht erbracht“. [170] Mit Bezug auf die Behauptung, „dass der Privatkläger [Windisch] es mit der Wahrheit nicht genau genommen hat und als Störenfried am Institut [für Gärungsgewerbe] betrachtet wurde“, wurde der Wahrheitsbeweis dagegen als „gelungen“ angesehen. [171]
Ferner heißt es in demselben Urteilsspruch:
„Bezüglich seiner schriftstellerischen Tätigkeit bestritt der Privatkläger [also Windisch] nicht, dass er in der Zeitschrift ,Melos‘ und in der
,Freiheit‘ Artikel veröffentlicht hat und führt inbesondere aus, dass bezüglich der Artikel in der Zeitschrift ,Melos‘ es sich um musikkritisierende Artikel gehandelt hat und dass er in der
Zeitung ,Freiheit‘ ein ,St. Liebknecht‘ [mehrfach korrigiert] unterschriebenes Gedicht veröffentlicht habe, welches als eine Satire anzusehen sei. Im übrigen fällt diese eine Tätigkeit für diese
Zeitschriften bis in die Jahre etwa 1922.“ [171a]
Die Institutsgründung
Die Auswertung von Korrespondenz erbrachte als Ergebnis unter anderem, dass Windisch bereits 1933 in der Berliner Invalidenstraße 102 ansässig war, wo er
1935 nach dem Entzug seiner Lehrbefugnis das „Institut für Brauerei und Mälzerei“ eröffnet hatte. Dieses Institut war daher erst ab 1935 im Adressbuch von Berlin nachweisbar, während ein Eintrag von Windischs
Person unter dieser Adresse bereits im Jahr zuvor stattgefunden hatte. [172] Ein Gespräch mit Fritz Windisch sowie ein Porträt des neuen Instituts sind in
einer Publikation im Oktober 1935 abgedruckt (siehe Anm. [191]).
Bei dem „Institut für Gärungsforschung“, das ich vormals, mich allein auf die Lebensläufe II und III von Windisch stützend, [173] als „1932“ von Windisch gegründet beschrieb, könnte es sich jedoch um einen zunächst nicht völlig verwirklichten Plan Windischs gehandelt haben, denn in seinem Brief vom 19. Dezember 1932 an den Rektor der „Landwirtschaftlichen Hochschule“, schreibt er gleich zu Beginn, dass „der einzige Grund [Unterstreichung Windischs] für mein freiwilliges Ausscheiden aus dem Institut für Gärungsgewerbe in der Einstellung eines älteren Brauereifachmanns gelegen ist, dessen Tätigkeit in mein Arbeitsgebiet übergegriffen und ohne feste Abgrenzung keine gedeihliche Zusammenarbeit gewährleistet hätte.“ Von einem eigenen Institut ist weder hier noch gegenüber dem Leiter des „Instituts für Gärungsgewerbe“ Prof. Dr. Friedrich Hayduck noch in einem anderen überlieferten Brief aus jenen Tagen die Rede. [174]
Andererseits trat Windischs Adresse in der Invalidenstraße 102 bereits im Mai 1933 in Erscheinung, [175] so dass die Frage entstand, welches Institut in welchem Jahr von Windisch gegründet wurde. Die briefliche Bitte, dies nach Möglichkeit zu beantworten, erbrachte den Hinweis von Windischs Sohn auf Willy Nordheims Aufsatz, welcher den Sachverhalt beschreibe. Das hier Gesagte sei „mit Sicherheit“ autorisiert gewesen sei und dass die Daten also stimmen müssten. Ich zitiere daher aus dem genannten Artikel:
„Das von ihm [Windisch] 1933 gegründete Berliner Privatinstitut erlangte bald unter dem Namen ,Technisch-Wissenschaftliches Institut für Brauerei
und Mälzerei‘ und später als ,Institut für Gärungsforschung‘ in Fachkreisen Ruf.“ [175a]
Ein „Institut für Gärungsforschung“ wurde zwar von den Berliner Adressbüchern in der fraglichen Zeit nicht erfasst, doch kommt ein
„Technisch-Wissenschaftliches Institut“ unter Windischs Namen im Jahrgang 1936 einmal parallel zu dem „Institut für Brauerei und Mälzerei“ vor. [176]
Der Lebenslauf IV von Windisch
Editorische Vorbemerkung
Bei der Vorlage folgender Abschrift handelt es sich um 4 mit Schreibmaschine ausgefertigte undatierte und unsignierte Seiten, die vor ihrer Fotokopierung
sämtlich Durchschläge auf dünnem Papier gewesen zu sein scheinen. Sie halten den Text, der von ihrem Verfasser einzig mit Lebenslauf überschrieben wurde, optisch vergleichsweise unscharf fest, und stellenweise ist er, besonders sobald Ziffern oder Eigennamen auftreten, schwer leserlich. Da nirgends handschriftliche Korrekturen zu finden sind, ist das Typoskript wohl eher eine Reinschrift als ein Entwurf. Einige wenige Verbesserungen könnten auch von Hand in das mir nicht vorliegende Original eingetragen worden sein. Eine Unterschrift, wie sie in den Lebensläufen I bis III anzutreffen ist, fehlt.
Die Zählung setzt die in Kapitel 2 begonnene römische Nummerierung fort, doch sollte man nicht übersehen, dass Lebenslauf IV (gleich Lebenslauf II) in Schlitz verfasst wurde und dem Lebenslauf III zeitlich voranging. Lebenslauf I und III wurden, sowohl ihrem Inhalt als auch der Absenderangabe zufolge, dagegen in Berlin geschrieben. Die chronologische Abfolge der Lebensläufe wäre somit abweichend von ihrer römischen Nummerierung:
I: Berlin 1925, II: Schlitz 1945–1947, IV: Schlitz 1945–1947, III: Berlin 1948.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der Lebenslauf IV,
welcher dem Umfang nach der bisher ausführlichste Lebenslauf von Fritz Windisch überhaupt ist, nach dem Zweiten Weltkrieg verfasst, da er einerseits das Verlassen von Berlin im April 1945, andererseits die
Arbeit bei der Firma Gebrüder Otterbein in Schlitz sowie bei Artur Otterbein in Ginnheim (Stadtteil von Frankfurt am Main) erwähnt. In Lebenslauf III von 1948 schreibt Windisch: „Am
17. April 1947 wurde ich als Professor mit Lehrauftrag für ,Biochemie‘ in der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Universität Berlin berufen und halte daselbst Vorlesungen über
Angewandte Biochemie und Biotechnik.“ [177] Somit hatte sich die geplante Tätigkeit an der Universität in Frankfurt am Main anscheinend zerschlagen, und Fritz Windischs Lebenslauf IV dürfte daher in den zwei Jahren entstanden sein, die zwischen dem Fortgang aus Berlin kurz vor Kriegsende und dem Wiederbeginn der Arbeit in Berlin (17. April 1947) liegen. Dies wird dadurch bestätigt, dass Windischs Entzug seiner Lehrbefugnis (Berlin, 1. Juni 1935) in einer vom Bürgermeister in Schlitz „beglaubigten Abschrift“ am 12. Mai 1947 hergestellt und mit Windischs Adresse „Berlin N 4, Invalidenstr. 102“ versehen wurde. [178]
Wichtig an dieser Datierung scheint mir, dass der Lebenslauf der Arbeit Windischs in der damaligen sowjetischen Besatzungszone, der späteren
DDR, vorausging. Auch werden Dinge in früherer Zeit angesprochen, die sich bislang nicht auf eigene Äußerungen von Windisch berufen konnten. Daher ergänzen und belegen seine Worte teilweise das in den Webseiten
I und II Gesagte. Auch die abschließende Chronologie bezieht die Ereignisse dieses Lebenslaufs ein. Ob er freilich zu jenen Unterlagen gehörte, die Windisch samt einer Anlage an die
Universität von Frankfurt am Main schickte, muss derzeit dahingestellt bleiben.
Dieses Dokument gehört zu anderen fotokopierten Papieren, die mir Fritz Windischs Sohn Christian am 2. März 2012 aus dem
Nachlass seines Vaters (FWN) schickte. Orthografie und Interpunktion meiner Abschrift folgen zeichengetreu der Vorlage. Anmerkungen, die auf mich zurückgehen, so alle Fußnoten, stehen wie üblich in eckigen
Klammern. Von Windischs Angaben, die eine Vertauschung der Blätter verhindern sollten, ist nur der Beginn eines neuen Blatts übernommen (ohne Unterstreichung und zwischen geschweiften Klammern). Ein „Blatt
V“ am Ende des Textes ist von Windisch zwar angezeigt, doch wurde mir ein solches nicht bekannt. Es könnte sich hier aber auch um jene „Anlage“ mit seinen Planungen gehandelt haben, die er
auf Blatt IV in Aussicht stellte.
Windischs Lebenslauf IV (Text)
„Lebenslauf
Ich bin am 20. Dezember 1895 in Berlin-Niederschönhausen als Sohn des Dr.
Wilhelm Windisch, Professor der Brautechnologie am Institut für Gärungsgewerbe in Berlin, geboren. Mein Onkel, Prof. Dr. Karl Windisch war Hochschullehrer an der Landwirtschaftlichen Hochschule
Hohenheim und dozierte daselbst das Fach der Gärungsgewerbe (Brauerei und Weinbau). [179]
Ich absolvierte das Realgymnasium in Berlin-Pankow und war
anschliessend von 1914 bis 1918 Marinesoldat im ersten Weltkrieg. Als dienstunfähig mit Vollrente vom Militär entlassen, studierte ich zunächst Kunstgeschichte und Musik, gab die internationale Musikzeitschrift ,Melos‘ heraus und leitete in Berlin und Leipzig die ,Melos-Konzerte für zeitgenössische Musik‘, aus denen
bedeutende Musiker wie Paul Hindemith, Kurt Weill, Philipp Jarnach u.s.w. hervorgegangen sind. 1923 wechselte ich zum Studium der Naturwissenschaften über, studierte an den
Universitäten Berlin und Leipzig Chemie, Physikalische Chemie, Botanik, Geologie und Philosophie und promovierte 1925 an der Universität Berlin zum Doktor der Philosophie mit einer Arbeit über ,Das Wesen der
Essiggärung‘, die ich unter Prof. Dr. Carl Neuberg am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem ausgeführt hatte.
1926 wurde ich als wissenschaftlicher Assistent am Institut
für Gärungsgewerbe in Berlin eingestellt und führte an den biologischen, biochemischen und brautechnologischen Abteilungen dieses Instituts zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten durch, die in der
Wochenschrift für Brauerei, in der Zeitschrift für das gesamte Brauwesen, in der Biochemischen Zeitschrift, in der Zeitschrift für Physiologische Chemie, in den Ergebnissen der Enzymforschung, in
der Zeitschrift für Spirituose Industrie, in der Zeitschrift für Essig-Industrie, in der Zeitschrift für Kohlensäure-Industrie veröffentlicht worden sind. Ein von mir in Birmingham gehaltener englischer
Vortrag brautechnischen Inhaltes ist im ,Journal of the Institute of Brewing‘ publiziert. Nebenher praktizierte ich in den Abend- und {Blatt II} Nachtstunden
in mehreren Brauereien und Mälzereien und erlernte auf diese Weise die Praxis des Mälzens und Brauens, so dass ich ab 1928 für praktische Beratungen des Brauerei- und Mälzereigewerbes eingesetzt werden
konnte, bei welcher Tätigkeit ich mir eine umfassende Kenntnis des Brau- und Mälzungswesens aneignete und die Problemstellungen dieser Industriezweige zwecks späterer wissenschaftlicher und technologischer
Bearbeitung aus eigener Erfahrung kennenlernte. 1929 wurde mir am Institut für Gärungsgewerbe eine Vorlesung für angewandte Brauwissenschaft übertragen; aus diesem Anlass verfasste ich 2 Lehrbücher
,Chemie des Brauers‘ und ,Brautechnische Betriebskontrolle‘ die im Eigenverlag erschienen sind. [180] Mit einer Arbeit über ,Die biochemischen Wechselwirkungen zwischen Atmung und Gärung der Hefezelle‘ habilitierte ich mich 1930 an der Universität Berlin als Privatdozent für Biochemie. 1932 trat ich aus dem Institut für Gärungsgewerbe aus, um ein eigenes, Institut für Gärungsforschung‘ zu begründen.
Mitten in dieser Arbeit wurden meine Pläne jäh durchkreuzt, als kurz nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus der Direktor des Instituts für
Gärungsgewerbe, Prof. Dr. [Friedrich] Hayduck, zusammen mit dem stellvertretenden Direktor Dr. [Wilhelm] Rommel, unterstützt durch den nationalsozialistischen Dozentenführer Prof. Dr. [Erhard]
Land[t] sowie unter Beihilfe einiger meiner früheren Kollegen am Institut für Gärungsgewerbe (u.a. Dr. [Richard] Koch, Dr. Weber, Dipl. Ing. [Paul] Kolbach [181])
Anzeige bei der Gestapo gegen mich erstattete, da ich aus meiner entschiedenen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus nie einen Hehl gemacht und meine Gesinnung stets frei bekannt hatte. So lehnte
ich z. B. auch das Ansinnen des Dozentenführers Land[t] [182] mit aller Entschiedenheit ab, meinen hochverehrten Lehrer Prof. Dr. Neuberg [183], den man als ,dreckigen Juden‘ bezeichnete, durch Ignorierung seiner Persönlichkeit anlässlich einer Semesterkonferenz zu provozieren; ich begrüsste im Gegenteil meinen
Lehrer, dem ich in meinem Leben so vieles zu verdanken habe, besonders herzlich und nahm während der Semestersitzung an seiner Seite Platz. Unmittelbar {Blatt III} darauf wurde mir die Abhaltung weiterer
Vorlesungen durch das nationalsozialistische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung untersagt. Es folgte nun für mich eine Zeit der Inhaftierungen, Verhöre und Bedrohungen durch die
Gestapo, wobei mir die verschiedenen Inquisitoren immer wieder nahelegten, eine Sühnezeit bei der SA oder SS zu absolvieren, um hiernach in die Partei aufgenommen und an der Universität rehabilitiert zu
werden. Ich habe allem widerstanden und wurde dann 1935 endgültig aus dem Lehrkörper der Berliner Universität ausgestossen. Das amtliche Entlassungs-Dekret vom Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung habe ich im Original Herrn Prof. Dr. [Max] Seddig [184], dem jetzigen Prorektor an der Universität Frankfurt a. M. vorgelegt.
Nach meiner
Entlassung von der Universität habe ich dann privat ein Laboratorium in Berlin, Invalidenstr. 102, unter der Firmenbezeichnung ,Institut für Brauerei und
Mälzerei‘ unterhalten, habe daselbst alle Arten von technischen Untersuchungen für die Gärungsindustrien durchgeführt, bin technisch beratend in zahlreichen Brauereien und Mälzereien tätig
gewesen, habe laufend wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht (s[iehe] hierzu Zeitschrift ,Brautechnologie‘) und zahlreiche Neuerungen in die Brau- und Malzindustrie eingeführt, so die
Schaffung neuer Malztypen, neuer Brauverfahren, Erfindung der Zentrifugalläuterung, Einführung der Trub- und Bierzentrifugierung, Durchführung neuartiger Hopfungsprozesse
und Sedimentationsverfahren, Erfindungen betreffs steriler Bierherstellung usw.. Ab 1939 habe ich die Zeitschrift ,Brautechnologie‘ herausgegeben, die 1942 wegen Missachtung der
nationalsozialistischen Belange wieder verboten wurde. Gerade diese Zeitschrift, in der auch zahlreiche Arbeiten von mir veröffentlicht sind, soll Zeugnis dafür ablegen, dass es auch unter der Naziherrschaft
möglich war, allerdings unter ständiger Anfeindung und Bedrohung, ein Fachblatt frei von jeglichem Ras[s]ismus zu redigieren. Diese Zeitschrift bitte ich ganz besonders bei der Bewertung meiner Person nicht
nur in fachlicher, sondern auch in politischer Hinsicht berücksichtigen zu wollen.
{Blatt IV} In diesem Kriege war ich nicht Soldat und habe auch im Volkssturm keine Dienste gleistet. Ebenso hat mein Sohn (Jahrgang 1929 [185]) keiner nationalsozialistischen Formation angehört und keine Dienste im Volkssturm geleistet. Auch diese Willensfestigkeit kostete einen unaufhörlichen Kampf mit
den nazistischen Jugendverbänden. Im April 1945 habe ich – wegen der Zerstörung meiner Arbeitsstätte und wegen der ununterbrochenen Fliegerangriffe – mit meiner Familie Berlin
verlassen. [185a] Zur Zeit bin ich als technischer Leiter der Brauerei Gebr[üder] Otterbein in Schlitz (Hessen) und der Weizenbier-Brauerei Artur Otterbein in Frankfurt a.M./ Ginnheim tätig. [185b] Nachdem jetzt die Paragraphen des dritten Reiches, nach denen mir die venia legendi [186] entzogen wurde, durch die Militärregierung aufgehoben worden sind, beabsichtige ich, meine Lehrtätigkeit wieder auszuüben und erwarte einen Lehrauftrag von der Universität Frankfurt a. M. für das Fach der Gärungswissenschaften. Eine kurze Darstellung meiner Planungen hinsichtlich der Errichtung eines ,Instituts für Gärungsforschung‘ an der Universität Frankfurt a.M. füge ich gesondert als Anlage bei. [187]
Nach meinen obigen Aufzeichnungen brauche ich wohl nicht noch besonders zu versichern, dass ich niemals und in keiner Weise mit dem Nationalsozialismus
paktiert und niemals zu irgendeiner seiner Organisationen und Institutionen in irgendwelcher Beziehung gestanden habe. [188]
Als besondere Referenzen führe ich an:
Prof. Dr. Carl Neuberg, ehemaliger Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin-Dahlem und
Herausgeber der ,Biochemischen Zeitschrift‘; da er eine weltbekannte Persönlichkeit ist, dürfte die Ermittlung seiner Adresse in den Vereinigten Staaten keine Schwierigkeiten bereiten.
Julius Steiner in Firma S.S. Steiner INC., New York, 535 Fifth Avenue. [189]
{Blatt V}“ [190]
Abb. 9 Fritz Windisch in seinem „Institut für Brauerei und Mälzerei“
Berlin, Invalidenstraße 102; spätestens Oktober 1935, ungenannter Fotograf [191]
Aufenthalt in Schlitz. Briefe 1945–1947
Noch eindeutiger wurden die Ereignisse durch die Briefwechsel, die Windisch
im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg führte. Seine beruflichen Beziehungen und damaligen Aufenthaltsorte kamen hier vielfach zur Sprache; Fragen der Brauerei
standen aber stets im Mittelpunkt der Korrespondenz. Sieben Briefe aus den Jahren 1945 bis 1947 machte mir Dr. Christian Windisch in der zweiten Maihälfte 2012
freundlicherweise zugänglich, und das darin Gesagte ist im Vorstehenden wie Folgenden eingearbeitet und zum besseren Verständnis ergänzt. Als Überblick sei
jedoch angemerkt, dass Windisch nach seinem Fortgang aus Berlin (Anfang April 1945) auf Einladung des Brauereibesitzers Artur Otterbein etwa zwei Jahre mit seiner
Familie im hessischen Schlitz verbrachte und hier als Technischer Leiter der Brauerei arbeitete. Danach kehrte er, des Lebens auf dem Lande auch überdrüssig, nach Berlin
(Ost) zurück, denn im April 1947 hatte seine Berufung an die Universität stattgefunden. So konnte Windisch, nach dem Umzug aus Schlitz, ab dem Wintersemester 1947/48
Vorlesungen halten und seine Forschung weiterführen. [192]
Zunächst sei aus einem Brief Artur Otterbeins vom 2. Juli 1945 zitiert, dessen Angebot
Windisch bewog, die nächsten zwei Jahre in Schlitz tätig zu sein. Otterbein schreibt:
„Wir haben lange nichts voneinander gehört, aber ich möchte Ihnen zu gern,
soweit das in meinen Kräften steht, in Ihrer gegenwärtigen Lage helfen. Das fällt mir umso leichter, da ich immer des Wohlwollens der Familie Windisch gewiss war.
Ich möchte Ihnen gerne bei mir in Schlitz eine 2-Zimmerwohnung mit Küche anbieten. Wenn Sie Lust haben, können Sie sich um meinen Betrieb kümmern,
da ich gegenwärtig und auch weiterhin sehr viel in Frankfurt [am Main] sein muss und in Schlitz keinen Braumeister habe. Natürlich gegen Bezahlung. Ausserdem
ist einer meiner Brüder, der Brauer werden will, als Lehrling in der Schlitzer Brauerei. Er hätte auch den besten Lehrmeister, den ich mir nur denken könnte.
Hinsichtlich der Ernährungsfrage könnte und würde ich Ihnen sehr gern unter die Arme greifen. Da eine Verständigung über meinen Vorschlag nicht möglich ist,
möchte ich Sie bitten, denselben anzunehmen und umgehend nach Schlitz zu kommen.
Ich werde Ihr Eintreffen inzwischen vorbereiten. Ihr Sohn Günter ist über
Näheres unterrichtet. Auf Wiedersehen in Schlitz
Ihr
gez. Artur Otterbein“ [193]
Windisch kam auf dieses Angebot und weitere Umstände in seinem Brief vom 5. Mai 1946 an den Braumeister Bruno Wolffram zu sprechen. Er schrieb:
„Herr Brauereibesitzer Artur Otterbein erfuhr in Erfurt von meinem Aufenthalt im
Thüringer Wald und setzte alle Hebel in Bewegung, um mich als technischer Leiter nach Schlitz zu bekommen, da er noch eine zweite Brauerei
in Frankfurt/Main besitzt und die hiesige Brauerei, die einst das berühmte Urhahn-Quell herstellte, in der technischen Leitung sozusagen vollkommen verwaist
war. Da sich hier [in Schlitz] auch noch ein sehr schönes Untersuchungslaboratorium befindet, entschloss ich mich, vorübergehend das
Angebot anzunehmen, was ich bis zum heutigen Tage noch nicht zu bereuen hatte. Praxis und Forschung sind hier mein Arbeitsfeld, was ich mir eigentlich schon immer gewünscht hatte.“ [194]
Trotz seiner grundsätzlichen Zufriedenheit scheint Windisch durchaus nicht übersehen zu haben, was der Arbeit in Schlitz abging, denn er fährt im selben Brief fort:
„Allerdings sitze ich hier [in Schlitz] auf dem Lande, was für die engere Fühlungnahme mit den Organisationen und umliegenden alten Kunden für mich
von gewissem Nachteil ist. Aber ich warte ab, bis ich an die richtige Stelle berufen werde.“
Die Entscheidungen verzögerten sich jedoch, und so klagte Windisch in einem Brief vom 28. Dezember 1946 an Direktor Walter Spielvogel in Nordhausen am Harz:
„Ich muss nun weiter geduldig in dem eingefrorenen Schlitzer Kuhdorf abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.“ [195]
Und in einem Brief vom 17. August 1947 an den Laupheimer Hopfen-Fabrikanten Siegfried Schmidt heißt es – nicht ohne Bitterkeit:
„Ich werde trotz Hunger und Kälte in Bälde nach Berlin zurückkehren, da ich nur in Verbindung mit der Universität Berlin und mit meinem unbeschädigt
gebliebenen Institut meinen richtigen Beruf wieder ausüben kann. Ich habe jetzt zwei Jahre lang auf der hiesigen kleinen Landbrauerei den Braumeister und
Molkenmeister gemimt, und das genügt mir an Praxis für die weitere Ausübung meines brauwissenschaftlichen Berufes in Lehre und Forschung.“ [196]
Das Warten lohnte sich aber schließlich, und Windisch schrieb, nachdem die Würfel gefallen waren, am 3. September 1947 an den Brauereibesitzer Otto Rothe in Hoyerswerda:
„Zunächst muss ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass ich meine Professur an der Universität Berlin erhalten habe (die mir normalerweise 1935 hätte erteilt
werden müssen) und dass ich in Kürze nach Berlin übersiedle. Ohne die Zustimmung des Direktors des Instituts für Gärungsgewerbe (Prof. Dr.
Drews) wäre meine Rückberufung nach Berlin nicht möglich gewesen.“ [197]
*
Damit endet die Beschreibung von Windischs Werdegang. Zwar hätte sich ein früheres
Ende angeboten, doch da mir verschiedene Dokumente aus Windischs Nachlass zur Verfügung gestellt wurden, welche die kriegsbedingten Wirren, Verluste, Hoffnungen
und Enttäuschungen sowie das erneute Fußfassen betrafen und zugleich die Länge des Aufenthalts in Schlitz erklärten, habe ich diesen Aufsatz weitergeführt. Dieses tat ich
umso lieber, als es bei Forschungen vorliegender Art oft wenige Quellen über die zweite Hälfte der vierziger Jahre gibt, denn eine archivalische oder bibliothekarische
Sammlung von Dokumenten war seinerzeit nur bedingt möglich oder sogar ausgeschlossen, und vieles darüber hat sich lediglich in privater Hand erhalten.
Ergänzendes sowie weitere Geschehnisse in den folgenden Jahren sind in Teil I dieses Aufsatzes vor allem nach Anm. [28a] bis zum Schluss von Kapitel 2 nachzulesen.
Kapitel 8 Chronologie
Alle Angaben beziehen sich auf Berlin, soweit nichts anderes mitgteilt wird.
1895
20. Dezember: Geburt von Fritz Fridolin Windisch in Niederschönhausen (Berlin)
etwa 1906–1918
Realgymnasium und Maturitätszeugnis in Berlin-Pankow;
Teilnahme am Ersten Weltkrieg bei der Marine (Friedrichsort); Entlassung als „dienstunbrauchbar“; nach Besserung seiner Gesundheit Immatrikulation an der Universität zu Leipzig,
ab September 1918 an der Universität Berlin; zunächst (parallel?) Studium von Kunst und Musik, darauf fast nur von naturwissenschaftlichen Fächern
1919
Druck mehrerer sozialistischer Schriften bei „Neuendorff & Moll“
(ansässig Berlin-Weißensee); Juni: Diskussionsrede auf dem Berliner „Gesamtdeutschen-Aktivisten-Kongress“ (Bund der Kulturrevolutionäre)
1920–1922
Aufsätze zur Musik in Melos (gegründet 1920 von Hermann Scherchen)
1921
Mai: Übernahme der Herausgabe von Melos;
Gründung und Leitung der „Melos-Gemeinschaft“ (Berlin und Leipzig)
1922
Artikel und Kompositionen-Liste in Riemanns Musik-Lexikon (10. Auflage);
August: letzte Ausgabe von Melos (vor einer Pause bis zum September 1924)
1923
Studium der Naturwissenschaft (laut Lebenslauf IV, hier; vgl. auch unter „1924“)
12. Mai: Uraufführung der Komposition Nacht im Dahlemer Landhaus in der von Herbert Graf veranstalteten Reihe „Erst-Aufführungen zeitgenössischer Kammermusik“; [später 1923] Entlassung Windischs als Leiter der „Melos-Gemeinschaft“ durch Herbert Graf; Heinz Tiessen und Philipp Jarnach werden Nachfolger Windischs
1924
5. Januar: „Skandalkonzert“ in der Berliner Singakademie; danach Einstellung
aller künstlerischen Bestrebungen und Wechsel zur Naturwissenschaft; Februar bis März: „Melos“-Kontroverse in Die Weltbühne über dieses Konzert
(Artikel von L. Kantorowicz, K. Pringsheim, H. Graf und F. Windisch u. a.)
1925
13. u. 27. November: Meldung zur Promotionsprüfung an der Berliner Universität;
in der Dissertation abgedruckt Lebenslauf I
1926
24. Juni: mündliche Promotionsprüfung, Prädikat der bei Prof. Carl Neuberg
angefertigten Dissertation: „valde laudabile“; Gesamtnote der mündlichen Prüfung: „cum laude“; Wissenschaftlicher Assistent am „Institut für Gärungsgewerbe“ in Berlin
1928
Biotechnische Vorlesungen am „Institut für Gärungsgewerbe“
1929
Vorlesung über angewandte Brauwissenschaft am „Institut für Gärungsgewerbe“;
Zwei Lehrbücher (Chemie des Brauers und Brautechnische Betriebskontrolle) erscheinen aus diesem Anlass im Eigenverlag
1930–1932
Habilitation an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin
1931
Privatdozent am „Institut für Gärungsgewerbe“
1932
Ausscheiden aus dem „Institut für Gärungsgewerbe“ und Plan eines eigenen Instituts,
das 1933 als Privatinstitut als „Technisch-Wissenschaftliches Institut für Brauerei und Mälzerei“ (später „Institut für Gärungsforschung“) gegründet wird
1933
Beurlaubung mit sofortiger Wirkung von der Arbeit an der Universität aufgrund
einer Eingabe der nationalsozialistischen Studentenschaft 16. Mai: Mitteilung einer Anzeige bei der Gestapo wegen „linksradikaler Umtriebe“
1934
Von Fritz Windisch angestrengtes Gerichtsverfahren wegen Beleidigung gegen
den Kriminalrat a. D. Arthur Klinghammer sowie Dr. phil. Richard Koch und Dr. Wilhelm Rommel (beide „Institut für Gärungsgewerbe“); Urteil am 23. Mai 1934:
Freispruch der Beschuldigten nach § 193 StGB
1935
1. Juni: Offizieller Entzug der Lehrbefugnis an der Universität
Das „Institut für Brauerei und Mälzerei“ in der Invalidenstraße 102 entsteht aus seinen Vorgängern
1935–1944
Über 50 Vorträge in den Sektionen der „Technisch-wissenschaftlichen
Vereinigung des Brauerei- und Mälzereigewerbes e.V.“; Berater der Industrie; Veröffentlichungen und Patente
1936
Tod der ersten Ehefrau Ilse Windisch (geb. Schütt)
Mai 1939
Verheiratung in zweiter Ehe mit Maria Windisch (geb. Ochschim, gesch. Stachelrodt),
die den 1929 geb. Sohn, Günter Stachelrodt, mit in die Ehe bringt
1939
Geburt des Sohnes Christian aus der Ehe von Fritz und Maria Windisch
1939–1942
Herausgabe der Zeitschrift „Brautechnologie“ (das Periodikum wurde 1942
wegen Missachtung nationalsozialistischer Belange verboten)
1945
Anfang April: Windisch verlässt mit seiner Familie Berlin,
nachdem er sein Labor nach Lehesten im Thüringer Wald verlagert hatte
frühestens Juli 1945 bis September 1947
Aufenthalt und Arbeit als Technischer Leiter im hessischen Schlitz
bei der Brauerei Gebr. Otterbein bzw. Artur Otterbein; in dieser Zeit erfolglose Bewerbung an der Universität Frankfurt am Main und Lebenslauf II und IV
1947
17. April: Berufung zum Professor mit Lehrauftrag für ,Biochemie‘
an die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Berliner Universität (Ost) Nach dem 3. September: Umzug von Schlitz nach Berlin Wintersemester 1947/48: Vorlesungen über Angewandte Biochemie
und Biotechnik an der Berliner Universität
1948
26. Juli: Datierung des Lebenslauf III
1950
Direktor des „Instituts für zellphysiologische Krebsforschung“
1955
„Vaterländischer Verdienstorden“ in Silber (ca. 1955)
Professor mit Lehrstuhl für Biochemie an der „Humboldt-Universität“
1961
7. April: Fritz Windisch stirbt in Berlin
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Anmerkungen zu Teil 3
[166a] Das Zitat stammt – wie alle wörtlichen Wiedergaben in diesem Absatz – aus
einem mit Schreibmaschine ausgefertigten Durchschlag, der zwar nicht signiert und auch undatiert ist, doch auf vorgedrucktem Briefpapier mit Windischs Namen steht. Es ist zu
vermuten, dass der Text bald nach der geschilderten Befragung und vor der eigenen Anrufung eines Gerichts entstand, wodurch das Schreiben auf die Jahre 1933/34
einengbar ist. Ich erhielt das Dokument als Fotokopie am 2. März 2012 aus dem Nachlass Windischs (FWN) in Berlin.
[167] Eintrag Klinghammer, Arthur, in: Berliner Adreßbuch 1934, Teil I, S. 1208,
Sp.[2]: „Pol[izei-]Rat i[m] R[uhestand] Berlin Schöneberg, Maxstr. 29“.
[168] Zu Dr. Rommel und Dr. Koch siehe Lebenslauf IV, vierter Absatz des
Eingerückten. – Die Angeklagten wurden sämtlich in der Urteilsverkündung genannt (Schriftliches Gerichtsurteil, S. 1).
[168a] Als Berliner Adressen werden hier und im Folgenden öfters die heute veralteten
Postbezirke angegeben. Eine Auflösung der Abkürzungen findet sich hier.
[169] In der Pistoriusstraße war nur die Wohnung einer „I[lse] Windisch“ nachweisbar,
wobei nicht klar ist, ob es sich hier um die Schwester Fritz Windischs handelte, die mit dem Rechtsanwalt Adler verheiratet war und dann den Doppelnamen Adler-Windisch
trug (vgl. „Pistoriusstraße 26“, Berlin-Weißensee, in: Berliner Adreßbuch 1934, Teil IV, S. 2160, Sp. [1]). Es ist nämlich ein doppelseitiges Schreiben des
Rechtsanwalts Dr. Adler an Rechtsanwalt Dr. Zarnack vom 20. Juni 1933 überliefert, in welchem vier Personen auf Seite [2] die Kenntnisnahme dieses Briefs mit ihrer
Unterschrift bestätigten. Unter diesen befanden sich sowohl eine „Ilse Adler-Windisch“ (die Schwester Windischs) als auch eine „Ilse Windisch geb. Schütt“ (die Ehefrau
Windischs in erster Ehe), und so kann gegenwärtig nicht gesagt werden, welche der beiden Frauen, die denselben Vornamen hatten, in dem Adressbuch von 1934 unter
der „Pistoriusstraße 26“ genannt wurde. Ein Brief, der in derselben Angelegenheit von Hans-Joachim Lampe (Brautechnische Fachschaft der Landwirtschaftlichen
Hochschule) am 21. Oktober 1933 an Fritz Windisch verfasst wurde, weist dieselbe Pistoriusstraße (ohne Hausnummer) in der Empfängeradresse auf, was die Sachlage aber nicht klärt.
Der von Adler nicht namentlich genannte „arische Anwalt“ (siehe hier) war Dr.
Wolfgang Zarnack (Berlin-Schöneberg, Innsbrucker Str. 7), der Windisch vor Gericht vertrat, und zwei der im Windisch-Nachlass überlieferten Dokumente beziehen sich auf
seine Mitwirkung in dem Prozess. Am 20. Juni 1933 schrieb Adler an Zarnack gleich im ersten Satz seines Briefes, dass er sich für die Übernahme des Mandats bedanke;
darüber hinaus ist Zarnack namentlich am Anfang des schriftlichen Gerichtsurteils (S. 1) genannt. – Adler und Zarnack studierten etwa zur selben Zeit Rechtswissenschaft und
waren möglicherweise durch eine Studentenverbindung miteinander bekannt, denn Adler signierte seinen Brief mit „burschenschaftlichem Gruß“. Zarnack wurde durch
eine 1925 in Erlangen, Adler durch eine 1928 in Göttingen eingereichte Dissertation promoviert.
[170] Schriftliches Gerichtsurteil, S. 5.
[171] Schriftliches Gerichtsurteil, S. 5–6.
[171a] Schriftliches Gerichtsurteil, S. 4. – Ein mit „(Sankt Liebknecht)“
unterschriebenes Gedicht ist in der Sammlung Dem Proletariat (Berlin 1919) auf S. 9 unter dem Titel Wahnvolk! abgedruckt (vgl. ausführlicher Anm. [59a]). Um welche Zeitung oder Zeitschrift es sich jedoch bei der genannten Freiheit handelte, kann
im Augenblick nicht gesagt werden. Daher kann auch nicht eine Identität oder Verschiedenheit der beiden veröffentlichten Gedichte behauptet werden. – Die „musikkritisierenden Artikel“ in Melos sind hier zusammengestellt.
[172] Vgl. Berliner Adreßbuch 1935, Teil IV, S. 235, Sp. [4] unter
Invalidenstraße102 das „Institut für Brauerei und Mälzerei“. In der vorhergehenden Ausgabe des Adressbuchs (1934, Teil IV, S. 373, Sp. [6]) war unter dieser
Straßenbezeichnung das Institut noch nicht genannt, dafür aber „Windisch, F., Priv.Dozent [sic] T[elefonanschluss]“. Vgl. hierzu auch Anm. [19].
[173] Siehe auch den von Anm. [19] belegten Satz. Hiermit übereinstimmend
Lebenslauf II, zitiert am selben Ort im Eingerückten nach Anm. [25], erster Satz.
[174] Die in diesem zitierten Brief vom 19. Dezember 1932 angegebene Anschrift des
Absenders (Windisch) war die „Invalidenstraße 42“, in der damals zahlreiche Institute, darunter auch Einrichtungen der Landwirtschaftlichen Hochschule ansässig waren. Ein
Bewohner namens Windisch war aber nicht unter den im Adreßbuch 1932 aufgeführten Namen.
In einem Brief vom 5. November 1932 hatte Windisch bereits an den Direktor des
Instituts für Gärungsgewerbe, Prof. Dr. Friedrich Hayduck, geschrieben, dass er erst bei einem Aufenthalt in München von dritter Seite auf die Absicht hingewiesen wurde,
einen Technologen von außerhalb an das Institut für Gärungsgewerbe zu holen. Da diese Angaben und die Beschreibung des Technologen jedoch nicht in Einklang stünden
mit den Äußerungen Hayducks und besonders auch die erbetene Abgrenzung der Kompetenzen bisher nicht vorgenommen worden sei, müsse er (Windisch), die
Konsequenzen ziehen und seine Tätigkeit am Institut im Stich lassen. Vgl. auch Bruno Drews, Hayduck, Friedrich, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 8 (1969), S. 150 [Onlinefassung].
[175] Vgl. Windischs Brief an die „Geheime Staatspolizei“ [Gestapo] vom 6. Mai
1933 (Beschwerde über eine Hausdurchsuchung); siehe auch die Empfängerangabe „Invalidenstraße 102“ im Brief von Ilse Adler-Windisch vom 27. September 1933,
Seite 1. Letzterer Brief beginnt mit der ansonsten nicht überlieferten Anrede „Lieber Fritz-Fridolin-Philipp“.
[175a] In W. Nordheim (1960) – wie Anm. [22] –, S. 372, rechte Spalte.
[176] Siehe im Berliner Adreßbuch 1936, Teil IV, S. 383, Spalte [2] unter
„Invalidenstraße 102“. Am Ende steht unter dieser Hausnummer „Windisch, F. Dr.“ mit dem „techn. wissenschaftl. Institut“. Zuvor in derselben Spalte das „Institut für
Brauerei und Mälzerei“.
[177] Siehe die Wiedergabe des auf den 26. Juli 1948 datierten Lebenslaufes III in Kapitel 2.
[178] Die Abschrift des Dokuments ist in vorliegendem Aufsatz als Abbildung reproduziert (siehe hier). – Wie der Lebenslauf IV zeigt, kam Windisch nach dem
Krieg auf den Namen „Institut für Gärungsforschung“ für ein an der Frankfurter Universität zu errichtendes Institut zurück, doch ließen sich seine Vorschläge offenbar nicht realisieren.
Eine Untersuchung über Windischs Anwesenheit in Schlitz, die Herr Dr. Volker Puhtz
im Stadtarchiv von Schlitz freundlicherweise durchführte und die dann auch die auswärtig wohnhafte Tochter des verstorbenen Braumeisters Gustav Peetz erfasste,
blieb im Hinblick auf Fritz Windisch ergebnislos, was mir der Forscher durch den Umstand erklärte, dass die Stadt Schlitz nicht über Privat- oder Firmenarchive verfüge (E-Mail am 8. April 2012).
Auch Frau Nicole Eichenauer von der „Lauterbacher Burgbrauerei - Auerhahn Bräu
Schlitz GmbH“ konnte keine Dokumente über Windisch nachweisen. Gleichwohl sei ihr natürlich ebenfalls gedankt für die wiederholten Recherchen.
[179] Karl [Carl] Windisch, 1868–1927 (Lebensjahre nach dem Library of Congress
Online Catalog, vgl. hier). Von Karl Windisch stammen mehrere Bücher über die
Weinherstellung und -zusammensetzung, die Mostuntersuchung, die Obstbrennerei und andere verwandte Themen.
[180] Diese zwei Bücher waren bibliografisch nicht nachweisbar und wurden
als Privatdrucke vermutlich nur in kleiner Auflage hergestellt.
[181] Kolbach ist Entdecker der Kolbachzahl, vgl. hier.
[182] Gemeint ist wohl Erhard Landt; siehe Anm. [26] in Windisch, Webseite I.
[183] Vgl. Anm. [18] in Windisch, Teil I.
[184] Gemeint ist Max Seddig (1877–1963). Vgl. http://www.uni-frankfurt.de/fb/fb13/Dateien/paf/paf121.html – Eine Reproduktion der beglaubigten Abschrift ist hier zu finden.
[185] Hier müsste der 1929 geborene und 72-jährig in Bayern verstorbene Günter
Stachelrodt gemeint sein, den Windischs Ehefrau Maria mit in die im Mai 1939 geschlossene zweite Ehe gebracht hatte. Vgl. auch das in Anm. [58a] belegte Zitat.
Günter Stachelrodt kam in dem Brief von Artur Otterbein noch einmal zur Sprache, als
Otterbein an Windisch schrieb, um ihn nach Schlitz einzuladen: „Ich werde Ihr Eintreffen [in Schlitz] inzwischen vorbereiten. Ihr Sohn Günter ist über Näheres unterrichtet.“; vgl. hier den Brief A. Otterbeins vom 2. Juli 1945 (letzte Briefzeilen).
[185a] Zunächst benennt Windisch seinen Fortgang aus Berlin noch etwas genauer,
wenn er in einem Brief vom 17. April 1947 davon spricht, dass er Berlin „Anfang April 1945“ verlassen habe (Brief an den Mühlenbesitzer Rudolf Parl in Bansin [heute zu
Heringsdorf gehörig] auf der Ostsee-Insel Usedom, FWN).
Ferner kann Windisch mit der Zerstörung seiner „Arbeitsstätte“ wohl nicht das
Gebäude, in welchem sein Institut untergebracht war, gemeint haben, denn er schreibt in demselben Brief an Parl: „Inzwischen bin ich von hieraus [Schlitz] schon zweimal in
Berlin gewesen und habe dort mein Institut und auch meine Wohnung mit allem Inventar vollständig unversehrt angetroffen.“ Ebenso spricht er in einem Brief vom 17. August
1947 an den Hopfen-Lieferanten Siegfried Schmidt im württembergischen Laupheim (siehe Anm. [189]) von seinem „unbeschädigt gebliebenen Institut“ (FWN). Dies ist
umso mehr zu vermuten, als Windisch, ebenfalls in einem Brief, davon berichtet, dass er sein Labor zunächst nach Lehesten in Thüringen verlagert habe, dort „aber nicht mehr
die Zeit [zur Verfügung hatte], etwas in Gang zu bringen, da sehr bald die Besetzung durch die Amerikaner erfolgte.“ (Brief vom 5. Mai 1946 an Braumeister Bruno
Wolffram, damals in Hamburg-Rissen; FWN). Die Zerstörung seiner Arbeitsstätte dürfte demnach hauptsächlich durch die Auslagerung und nicht durch die kriegsbedingte
Vernichtung seines Labors oder des Instituts-Gebäudes dazu geführt haben, dass er nicht weiterarbeiten konnte.
Im Hinblick auf seine Familie, die mit ihm Berlin verließ, sagt Windisch im selben Brief
vom 5. Mai 1946: „Meine engere Familie habe ich bei mir [in Schlitz]; meine Mutter und meine Geschwister sind in Berlin geblieben und haben alles heil überstanden.“
– Nur an dieser Stelle spricht Windisch einmal über seine Geschwister im Plural, so dass man annehmen muss, das außer seiner Schwester Ilse (siehe Anm. [169],
erster Absatz) noch andere Geschwister gelebt hatten.
[185b] Hierzu siehe weiter unten die Einbeziehung von Otterbeins Brief vom 2. Juli
1945 an Fritz Windisch.
[186] „Venia legendi“ ist die Lehrbefugnis an einer Hochschule. Vgl. auch dieselbe
Wendung auf der Habilitations-Schrift in Anm. [46].
[187] Die Anlage war nicht Teil der mir übersandten Dokumente.
[188] Die folgende Einrückung des Absatzes geht auf Windisch zurück.
[189] Die Firma, deren Vorfahren aus Laupheim bei Ulm in Württemberg kamen,
lieferte Hopfenpräparate zur Bierherstellung und zu pharmazeutischen Zwecken. Windisch nennt in seinem Brief vom 17. August 1947 „Simon H. Steiner“ als
„angebliche Nachfolgerfirma“ der Firma „Hans Schmidt & Sohn“. Empfänger des zitierten Briefs war jedoch laut der Adresse „Siegfried Schmidt i[n] F[irm]a Hans Schmidt & Sohn, Hopfen“.
[190] Ein „Blatt V“ war nicht bei den mir übersandten Dokumenten; meine Vorlage endete mit Blatt IV.
[191] Das Foto wurde übernommen aus dem Artikel Ein Besuch am Windisch-
Institut für Brauerei und Mälzerei in Berlin und eine Unterredung mit Dr. habil. Fritz Windisch, in: Deutsches Brau-Gewerbe. Fachblatt für deutsche Brauer und Mälzer (früher: Deutsche Brau-Industrie), hg. von Richard Schnürpel, 60. Jg.,
Nr. 19, Berlin, 8. Oktober 1935, S. 341–342. Mit Foto („Dr. habil. Fritz Windisch“) auf Seite 341, linke Spalte. In diesem Artikel war einleitend zu lesen: „Einer
langgehegten Absicht nachkommend, entschloß sich unser Schriftleiter dieser Tage das Windisch=Institut für Brauerei und Mälzerei in der Invalidenstr. 102 aufzusuchen, um
dort selbst den Leiter, Dr. habil. Fritz Windisch, über sein Unternehmen und die augenblickliche Lage im Brauerei= und Mälzereigewerbe zu befragen.“ (Die Quelle erhielt ich aus dem FWN.)
[192] Die sieben Briefe von und an Windisch, die zwischen 1 und 3 Seiten umfassen, sind in chronologischer Folge:
1.) 2. Juli 1945: Artur Otterbein an Fritz Windisch – 2.) 15. April 1946: Fritz Windisch
an Braumeister Bruno Wolffram, z. Zt. Hamburg-Rissen (Grot Sahl 65) – 3.) 5. Mai 1946: Fritz Windisch an Bruno Wolffram (siehe oben) – 4.) 28. Dezember 1946: Fritz Windisch an Direktor Walter Spielvogel, Nordhausen a./Harz, Ernst Thälmannstr. 22 – 5.) 17. April 1947: Fritz Windisch an Rudolf Parl (Mühlenbesitzer), Bansin Dorf,
Dorfstr., Insel Usedom / Pommern – 6.) 17. August 1947: Siegfried Schmidt in Firma Hans Schmidt & Sohn, Hopfen, Laupheim (Württemberg) – 7.) 3. September 1947: Brauereibesitzer Otto Rothe (Schlossbrauerei H[ermann] Rothe), Hoyerswerda (Oberlausitz).
[193] Vgl. Nr. 1 in Anm. [192], wo die ausgewerteten Briefe zusammengestellt sind. –
Zu Windischs Stiefsohn Günter Stachelrodt siehe Anm. [185].
[194] Vgl. den in Anm. [185a], Absatz 2 bereits zitierten Brief an den Braumeister
Bruno Wolffram. – Mit „Thüringer Wald“ ist vermutlich Lehesten in Thüringen gemeint,
wohin Windisch sein Labor ausgelagert hatte (siehe auf der Webseite auch zur Umbenennung von Lehesten); vgl. Anm. [185a], zweiter Absatz.
[195] Vgl. Nr. 4 in Anm. [192].
[196] Vgl. Nr. 6 in Anm. [192].
[197] Vgl. Nr. 7 in Anm. [192]. – Bei dem genannten „Prof. Dr. Drews“ handelte
es sich wahrscheinlich um Bruno Karl Lebrecht Drews (1898–1969); siehe die Wikipedia hier. Vgl auch das Ende von Anm. [174].
Herkunft und Kommentar des Fotos von Abb. 8
Die Aufnahme des Fotos (Bildgröße im Original ca. 95 × 138 mm, hinzu kommen auf
allen vier Bildseiten ca. 2 mm weißer Rand) entstand in einem der angesehenen und auf Porträts spezialisierten Dührkoop-Ateliers, das den Namen von Minya Dührkoop trug.
Da Minya Dührkoop (geb. 1873) nur bis 1929 lebte, ihr Photo-Atelier aber dennoch im letzten online verfügbaren Adressbuch von Berlin 1943 erschien, wurde das
Geschäft nach ihrem Tode vermutlich unter ihrem Namen weitergeführt. Dies ließ sich durch Webseiten bestätigen, welche die Übernahme des Berliner Dührkoopschen
Photo-Studios Ende der sechziger Jahre durch den Fotografen Horst Urbschat als
neuem Besitzer belegten. Hiermit stimmen die Erinnerungen von Frau Dr. Ligner überein, dass das oben reproduzierte Foto, welches aus ihrem Eigentum stammt, etwa
Anfang der 1950er Jahre aufgenommen wurde. – Über Minya (Diez-)Dührkoops Leben und Zusammenarbeit mit ihrem Vater Rudolf Dührkoop (1848–1918) kann man sich in der Wikipedia informieren. Siehe auch Artikel Pictorialismus.
Dank
Für schriftliche Auskünfte und mitunter die Zusendung von Fotokopien oder Scans,
denen oftmals eine aufwendige Suche in Nachlässen, Akten oder anderen Dokumenten vorausging, danke ich den im Folgenden genannten Personen sehr herzlich.
Worin die Unterstützung im Einzelnen bestand und wann sie erfolgte, geht zumeist aus den Anmerkungen hervor.
Becker, Christian, Oranienburg, Stadtarchiv Berg (von), Anemone, Berlin, Amtsgericht Charlottenburg Eichenauer, Nicole, Lauterbach Lauterbacher Burgbrauerei - Auerhahn Bräu Schlitz GmbH Formann, Ingeborg (Dipl.-Ing. [FH] Mag.), Wien,
Österreichische Nationalbibliothek
Abt.-Leiterin Kundendienst, Sammlung: Handschriften und alte Drucke Gamillscheg, Ernst (Prof.), Wien, Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek Wien
Ganz, Judith, Leipzig, Sächsisches Staatsarchiv Gruzdz, Kai, Berlin, Jüdisches Museum Berlin
Henrich, Heribert (Dr.), Berlin, Akademie der Künste, Musikarchiv Klein, Brigitte, Frankfurt am Main, Handschriftenabteilung der
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Knör, Michaela, Berlin, Bibliothekarin der Lorberg-Bibliothek an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V. Lämmel, Roy, Leipzig, Universität Leipzig, Universitätsarchiv
Lietz, Peter (Dr.), Marienwerder Ligner, Christine (Dr.), Birkenwerder Lucchesi, Joachim (Prof. Dr.), Schopfheim Manger, Hans-Jürgen (Dr. sc. techn.), Berlin, Schriftleitung des GGB-Jahrbuchs Meissner, Matthias, Berlin, Bundesarchiv Mesli, Gerhard, Berlin, Landesarchiv Berlin Moj-Friedl, Susanne, Bayerische Staatsbibliothek München, Informationsdienste
Müller, Martin-L. (Dr.), Frankfurt am Main, Deutsche Bank AG, Leiter des Historischen Instituts Puhtz, Volker (Dr.), Schlitz (Hessen), Stadtarchiv Rothkamm, Christina, Mainz, SCHOTT MUSIC GmbH & Co. KG
Zeitschriften Redaktion Schröder, Axel, Berlin, Landesarchiv Berlin
Schultze, Winfried (Dr.), Berlin, Leiter des Archivs der Humboldt-Universität Schülzky, Claudia, Berlin, Archiv der Technischen Universität Schwemmer, Eckart, Berlin, Amtsgericht Berlin-Mitte Seemel, Dagmar, Berlin, Archiv der Humboldt-Universität Stein, Burkhard, Braunschweig, Geschäftsführer von GROTRIAN-STEINWEG
Pianofortefabrikanten GmbH & Co. KG, Pianofortefabrikanten Stephan (Frau), Berlin, Bezirksamt Pankow, Amt für Umwelt und Natur
Strehlen, Martina (M.A.), Essen, Alte Synagoge Essen, Archiv Vonrüden-Ferner, Jutta, Essen, Haus der Geschichte Essen / Stadtarchiv Weinmann, Eberhard, Berlin, Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin e.V. Geschäftsführer
Welker, Barbara (Wissenschaftl. Archivarin), Berlin, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Archiv
Welzing-Bräutigam, Bianca, Berlin, Landesarchiv Berlin Windisch, Christian (Dr.), Berlin
Winkelmann, Lydia (Dr.), Nürnberg, Chefredakteurin im Fachverlag Hans Carl GmbH
Wolff, Auste, Berlin, Archiv der Humboldt-Universität
Am 5. Juli 2012 erhielt ich durch Vermittlung von Frau M. Knör mit Einwilligung von Verfasser und Schriftleitung des Jahrbuchs (siehe Danksagung) den folgenden Aufsatz:
Peter Lietz, Fritz-Fridolin Windisch. Musiker – Brauereiwissenschaftler – Krebsforscher. 1895-1961, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des
Brauwesens e.V. (GGB) [siehe hier], Schriftleiter: Dr. sc. techn. Hans-Jürgen Manger,
Berlin, 2011, S. 8–24
Häufige und ungebräuchliche Abkürzungen
ChL Christine Ligner FWN Fritz Windisch Nachlass
Zum Anfang des Aufsatzes
Erste Eingabe ins Internet: Montag, 7. Februar 2011 (Teile I–II); Freitag, 29. Juni 2012 (Teil III)
Letzte Ãnderung: Sonntag, 3. April 2016
© 2011–2016 by Herbert Henck
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